Unter dem Titel „Ausblicke“ gewährt die Grazer Galerie Leonhard noch bis Weihnachten Einblicke in das Werk der Wiener Künstlerin Joanna Gleich – mit Mut zum Experimentieren eröffnet sie in ihren abstrakten Bildwelten Räume expressiver Farbigkeit.
Nach dem Motiv sucht man in den Arbeiten der Künstlerin Joanna Gleich auf den ersten Blick vergebens. Aber auch auf den zweiten bleibt der Ursprung der farbflächigen Kompositionen im Verborgenen. Obwohl die Abstraktion längst zentrales Narrativ ihrer singulären Bildsprache, ihr persönliches Ausdrucksmittel ist, entspringt ihre Malerei doch stets der Realität – ihrer Realität. Sie erzählt von alltäglichen Eindrücken, Erlebnissen und Begegnungen. Sie entspringt der Natur, ihren Erinnerungen und Träumen.
Der Ausstellungstitel „Ausblicke“ – aktuell zu sehen in der Grazer Galerie Leonhard – kommt schließlich nicht von ungefähr: „Die Leinwände eröffnen zumeist den Ausblick auf Landschaften, während die Papierarbeiten von Szenerien und Elementen des Atelieralltags erzählen“, verschafft Galerist Benedikt Steinböck einen ersten Überblick.
„Ich möchte neue Räume eröffnen“
Doch ganz gleich, ob Landschaft oder Atelierszenerie – viel übrig bleibt davon am Ende des Schaffensprozesses nicht. Das Konkrete lehnt Joanna Gleich seit Jahren ab. Sie abstrahiert bis zur Unkenntlichkeit und eröffnet Betrachtenden in ihren farbexpressiven Bildwelten stets neue Räume. Räume, die es ermöglichen und dazu einladen, immer wieder Neues zu entdecken. Und das in ein und derselben Komposition.
„Das Konkrete hingegen bleibt hängen – es gibt eine Art Idee vor“, so Gleich. Tut sich während des Malprozesses Gegenständliches auf, wird es sogleich unter einer weiteren Schicht aus Farbe verborgen. „Die durchscheinende Energie der Untermalung bleibt dabei aber erhalten – sie bleibt Teil der finalen Komposition.“ Die dadurch entstehende, sich mal mehr, mal weniger verdichtende Vielschichtigkeit ist es, die in der Flächigkeit der Farbe letztlich den Raum eröffnet.
Der so entstehende abstrakte „Ausblick“ ihrer Bilder gewährt Einblick in ihr Innerstes. „Meine Arbeit ist Resultat der stetigen Korrespondenz zwischen der äußeren Realität und meinem Innersten“, erklärt Gleich. Inspiration findet sie in ihrer unmittelbaren Umgebung. Ihre Skizzenhefte liefern den – gegenständlichen – Beweis dafür. „Das Skizzieren hilft, das bewusste Sehen und Wahrnehmen zu schulen.“ Als Vorskizze dienen sie aber nicht: „Der Moment des Einfangens reicht, um sie später aus der Emotion heraus in die farbflächige Abstraktion zu überführen – ergänzt um Fantasie“, verrät sie eine ihrer wohl wichtigsten Zutaten.
Mit Mut zur Malerei
So geht Gleich mit einer groben Vision und begleitet von einem inneren Gefühl ans Werk, dem sie durch ihre Farbwahl Ausdruck verleiht. Die finale Komposition entsteht im unmittelbaren Dialog mit der Leinwand: „Dabei mache ich immer genau das Gegenteil von dem, was das Bild eigentlich von mir verlangt“, beschreibt sie ihren experimentellen Schaffensprozess. Den Mut, der sie dabei begleitet, schöpft sie aus ihrer Erfahrung. „Ein Vorteil des jahrelangen Malens – und des Alters“, scherzt die 65-Jährige. Die Angst vor ihren Bildern habe sie längst überwunden. „Man muss Dinge einfach ausprobieren, sich trauen“, deutet sie auf einen blauen, breiten Pinselstrich, der vertikal eine gelungene Komposition dominiert. „Damit habe ich die Angst vor dem Blau überwunden“, erinnert sie sich freudig.
Einen Moment gibt es jedoch, in dem sie sich der Stimme ihrer Bilder fügt. „Das Bild weiß am besten, wann es fertig ist“, zitiert sie ihren bereits verstorbenen Künstlerkollegen Gottfried Mairwöger, der wie sie an der Bildenden in Wien bei Wolfgang Hollegha studierte. „Und das würde ich sofort unterschreiben.“