Als einer der bedeutendsten Vertreter der Analytischen Malerei reüssiert Jakob Gasteiger bereits seit den 80er-Jahren mit seiner singulären Bildsprache. Seit zehn Jahren ist das Weinviertel seine künstlerische Zweitheimat – wir haben ihn im Oktober besucht. Auf ein Achterl. Oder zwei.
Die tief stehende Sonne hüllt das Innere des Hakenhofs in herbstliches Gold. Für einen späten Oktobertag ist es ungewöhnlich warm. Eine laue Brise lässt die Silhouetten der spät blühenden Blumen, die sich heute noch einmal von ihrer schönsten Seite zeigen, dunkel im Gegenlicht tänzeln. „Sie sind das Werk meiner Frau“, kommentiert Jakob Gasteiger das zufällig anmutende Arrangement. „Selbst gezogen aus Blumensamen – aus Schweden“, fügt er hinzu. Damit wurzelt hier ein Stück ihrer Heimat.
Sein Werk hingegen präsentiert sich am gegenüberliegenden Ende des Hofs. Eine alte Scheune, die er über die letzten Jahre zu einem modernen Atelier umfunktioniert hat – zehn Jahre ist das Weinviertel bereits Gasteigers zweite künstlerische Heimat. Durch die große Glasfront, die ein weitläufiges Panorama auf die malerische Weinviertler Hügellandschaft eröffnet, fällt Abendlicht, das die Struktur seiner reliefartigen Malerei zum Leben erweckt. Der gestrichene Estrich ist mit Papierarbeiten ausgelegt – kontrastreich, schwarze Ölfarbe auf weißem Papier. „Eine neue Serie“, so ihr Urheber. Das Besondere: Das für Gasteiger typische Malwerkzeug – die selbst gefertigte Kammspachtel aus Karton, die für die Struktur seiner singulären Bildsprache verantwortlich zeichnet – ist Teil der Papierarbeiten.


Ölfarbe auf Papier. In Gasteigers jüngster Werkserie wird sein Malwerkzeug, die Kammspachtel aus Karton, Teil der Arbeit
Der Weg zur Struktur
Der Ursprung seines analytischen Arbeitens findet sich in einem Jahrzehnte zurückliegenden Konflikt mit der klassischen Malerei. „Ich hatte immer meine Probleme mit der expressiven Figuration“, erzählt er bei regionaler Weinviertler Brettljause. Der Wein, bio, ist, wohlgemerkt, von der Nachbarin. „So habe ich nach einer Möglichkeit gesucht, die Malerei und Grafik vereint – habe mit Ölfarbe gemalt und begonnen, darin mit diversen Werkzeugen zu kratzen.“ Irgendwann bot sich ein altes Sägeblatt, um die Farbe zu strukturieren. Für Gasteiger ein Schlüsselmoment: „Ich hatte plötzlich ein Werkzeug, das kein Pinsel war – etwas Anonymes. Das war die Geburtsstunde meiner reliefartigen Bildsprache, die ich über die Jahre kultiviert habe.“ Heute bewegt er sich in seiner post-radikalen Malerei, seinen Kammbildern, an der Schnittstelle zwischen Malerei, Grafik und Skulptur. Und damit zwischen Bild und Objekt.
Als einer der wichtigsten Vertreter post-radikaler Malerei untersucht er in seiner Arbeit stets die Grundelemente eines Bildes – Fläche und Größe, Form und Proportion, die vektorale Kraft der Farblinien und die taktile Qualität der Farbe.
Künstlerische Stadtflucht
Dass ausgerechnet das Weinviertel zur zweiten künstlerischen Heimat wurde, sei „Zufall“, betont der gebürtige Salzburger. Eigentlich hätte es Spanien werden sollen. Oder vielleicht Griechenland. Ein Ausflug führte damals an dem Weinviertler Hakenhof vorbei. „Zu verkaufen“ prangte an dessen Zaun. Der Kaufvertrag war wenig später unterschrieben, die künstlerische Stadtflucht somit besiegelt.
„Fünfzig-fünzig“, entgegnet er auf die Frage der Zeitaufteilung. Während der warmen Monate sind es, wenn überhaupt, bloß die Wochenenden, die er in seinem Wiener Wohnatelier verbringt. „Die Ölfarbe trocknet hier draußen einfach schneller“, zeigt er sich pragmatisch. Tatsächlich ist es aber die Ruhe, die er auf dem Land gefunden hat. „Hier kann ich arbeiten – ganz ohne jegliche Ablenkung.“
Mittlerweile ist es Winter. Die Ölarbeiten liegen immer noch zum Trocknen; der künstlerische Schaffensmittelpunkt ist seit Monaten wieder Wien. Wobei das Schaffen gerade etwas kurz kommt. „Büroarbeit“, erklärt er. Die zahlreichen geplanten Ausstellungen erfordern einiges an Computerarbeit – die Versicherung für den Transport nach Barcelona ist endlich abgewickelt, verpackte Papierarbeiten warten bereits auf ihren Versand nach Liechtenstein. Erst gestern wurde im Museum Liaunig die im April eröffnende und von Klaus Albrecht Schröder kuratierte Ausstellung gehängt. „Es ist Licht am Ende des Bürotunnels“, scherzt er. Und damit die Malerei wieder in Sicht. „Endlich …“