Sie brachte Themen rund um die Sexualität einst in die Öffentlichkeit und machte sie salonfähig. Die gern als „Sexpertin“ betitelte Psychologin Gerti Senger klärte eine ganze Generation von Österreicher:innen via Medien auf. Auch im Alter von bald 80 Jahren ist sie noch aktiv. Wie liebt(e) Senger selbst – und wie tickt sie? Ein Porträt.
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Steckbrief Gerti Senger
Name: Gertrude Senger-Ernst (bekannt als Gerti Senger)
Geboren:31. Oktober 1942 in Wien
Beruf: Psychologin, Psychotherapeutin, Paartherapeutin (Imago-Therapie), Expertin für Sexualtherapie
Ausbildung: Studium der Psychologie und Pädagogik
Familienstand: verheiratet in zweiter Ehe mit Iwi Ernst
Kinder: Sohn Daniel
Wer in diesem Land kennt den Namen nicht? Gerti Senger, die sogenannte „Sexpertin“? Schon seit Jahrzehnten agiert und berät die Expertin für Sexualtherapie, Persönlichkeitstraining, Krisenbewältigung und Konfliktlösung nicht nur in ihrer Praxis in Wien, Döbling, sondern auch wöchentlich im TV und in Zeitungskolumnen. Demnächst kommt ihr bereits 19. Buch auf den Markt: „Lieben ist nichts für Feiglinge“
Gerti Senger: Schwierige Kindheit
Aber zurück zu Sengers Anfängen. Ihre Kindheit war bei weitem nicht „so zuckersüss wie man sich die Kindheit vorstellt", so Senger. Ihre Mutter, eine Jüdin, wurde verfolgt und musste sich immer wieder verstecken. Ihr Vater fiel im Krieg kurz bevor Gerti Senger auf die Welt kam. Als die junge Witwe eines Tages weinend mit ihrem neugeborenen Säugling auf einer Bank in einem verlassenen Park saß, kam ein Kriegsversehrter vorbei der fragte, warum sie denn weine. Als sie ihm sagte, sie wäre verzweifelt und wüsste nicht wohin, meinte er: „Geben Sie mir das Kind.“ Er nahm das Kind mit in den 10. Bezirk zu seinen Eltern, die sich drei Jahre lang warmherzig und liebevoll um das Mädchen kümmerten und gleichzeitig dafür sorgten, dass der Kontakt zur leiblichen Mutter aufrecht blieb.
Schulzeit: Gedichte statt Lernen
Nach dem Krieg heiratete Sengers Mutter Karl Senger und holte ihr Kind wieder zu sich. Von da an pendelte das Mädchen bis zu ihrem 13. Lebensjahr zwischen der Pflegefamilie, nach der sie immer wieder Sehnsucht hatte, den Sengers - und später noch einem Internat. Durch das unstete Leben war Senger, wie sie heute erzählt, eine schlechte Schülerin, die keinen Lebensentwurf gehabt habe und lieber traurige Gedichte schrieb als zu lernen. Ihre Zeit in der Handelsschule sei die schlimmste Zeit überhaupt in ihrem Leben gewesen. In der darauffolgenden Maturaschule fiel sie in Mathematik durch. „Die Nachtermine habe ich nicht eingehalten, denn ich wusste, ich pack' den Stoff nicht“, so Senger über das Ende ihrer unglücklichen Schullaufbahn, während der sie stets lieber Gedichte schrieb, als zu lernen.
Gerti Sengers erste Liebe
Im Alter von 16 Jahren lernte sie den gleichaltrigen Heinz Jonak kennen – und lieben. Die Verlobung folgte kurz darauf. Es sei „eine inspirierende Liebe“ gewesen damals, erinnert sich Senger. Für den Bund des Lebens sei man dann aber doch zu jung gewesen und die Verlobung wurde nach zwei Jahren wieder aufgelöst. Dennoch blieb Senger mit Jonak, der später ein anerkannter Künstler wurde, bis zu dessen Tod eng befreundet.
Der erste Job als Journalistin
Im Jahr 1964 nahm Gerti Sengers Leben eine Wende: Eine Freundin habe ihr von dem Inserat einer dänischen Presseagentur erzählt, die in Wien eine Journalistin suchte. Senger bewarb sich – und bekam den Job. Auch wenn sie vieles noch nicht konnte, habe man ihr damals vertraut, wie sie heute erzählt und sie trotz ihrer schlechten Englisch-Kenntnisse in ganz Europa zu Interviews geschickt. So sprach sie etwa mit Sean Connery, Tom Jones, Engelbert Humperdinck und vielen anderen Berühmtheiten dieser Zeit.
Gerti Sengers Bücher:
Liebe ist nichts für Feiglinge - Von Entscheidungskrisen, neuen Chancen und der Furcht vor dem Glück (erscheint am 31. Oktober 2022)
Schräglage - Die Sehnsucht nach Zufriedenheit
In Wirklichkeit ist alles anders - Was in Kopf und Körper passiert, wenn wir lieben und begehren
Die Lust der besseren Jahre - Über 100 neue Tipps und Anregungen. Mit dem SOK-Verhaltensmodell
Die sexuelle Kraft des Mannes
Die sexuelle Kraft der Frau
Der neue Erotik-Knigge
Liebeskummer - Eine Chance
Die Beziehungsmaschine - Gebrauchsanweisung für Frauen und Männer
Träume - Unser zweites Leben
So bin ich! Bin ich so? - 64 Tests und Analysen zu Liebe, Erotik und Partnerschaft
Wie Paare glücklich werden - Die 10 Goldenen Regeln zum gemeinsamen Glück
Schattenliebe - Nie mehr Zweiter(r) sein
Sorge dich niciht - liebe! - 1000 Fragen und Antworten aus "Lust und Liebe"
Lieben ist nichts für Feiglinge: Von Entscheidungskrisen, neuen Chancen und der Furcht vor dem Glück
So bin ich! Bin ich so?: 64 Tests und Analysen zu Liebe, Erotik und Partnerschaft
Als die "Sexologie" in Gerti Sengers Leben kam
Ein von einer Pharmafirma gegründetes Hochglanzmagazin für reifere Menschen wurde auf Senger aufmerksam und lud sie ein, mitzuarbeiten. Senger nahm an und stieß durch Recherchen für eine Geschichte auf das Fach der damals in Skandinavien bereits bekannten Sexualwissenschaften. In Deutschland und Österreich kannte das Wort „Sexologie“ damals, Anfang der 70er-Jahre, noch niemand. Senger wurde vom Chefredakteur nach Stockholm und Kopenhagen geschickt, um darüber zu berichten.
Studium in Klagenfurt, um keine "Sexpertin" zu sein
Mit dem Wissen, dass dort etwa in Krankenhäusern Sexualstörungen therapiert wurden, was zu jener Zeit in Österreich noch unvorstellbar war, reiste sie zurück und begann, darüber zu berichten. Dadurch wurden wiederum die Zeitschriften „Quick“ und „Neue Revue“ auf Senger aufmerksam und engagierten sie ebenfalls. Schnell wurde Sengers Betitelung als „Sexpertin“ geboren – was sie selbst unglaublich störte. Mitunter ein Grund, warum sie zu jener Zeit ein Psychologie-Studium begann; So konnte sie nämlich künftig als „Psychologin“ statt „Sexologin“ vorgestellt werden. Also studierte Senger Psychologie und Pädagogik an der Universität Klagenfurt und schloss das Studium mit einer 2000 Seiten umfassenden Dissertation und dem Doktortitel ab.
Gerti Sengers erste Ehe mit Gunther Galeithner
Doch nicht nur beruflich, auch im Privatleben ging es turbulent her bei Gerti Senger, die damals eigentlich sicher war, keinen Mann zu finden, der mit ihr leben wollte. Ihr Selbstwert sei damals sehr gering gewesen, erinnert sie sich. Darum bemühte sie sich statt sich auf die Partnersuche zu konzentrieren lieber auf den Aufbau ihrer unabhängigen Existenz. Bis sie den gut aussehenden, zielorientierten Juristen Gunther Galeithner kennenlernte und sich verliebte sowie auch umgekehrt. Im Alter von 21 Jahren heiratete das Paar und bald darauf kam der gemeinsame Sohn, Daniel, zur Welt.
Die Liebe ihres Lebens Iwi Ernst
Doch das Familienglück geriet ins Wanken als Daniel etwa zwei Jahre alt war. Senger lernte nämlich bei einem Heurigen-Besuch den Krawattendesigner und Produzenten Iwi Ernst kennen. Und verliebte sich erneut. Doch auch Ernst war verheiratet und ein Jungvater und so habe man jahrelang gegen die gegenseitige Attraktion angekämpft, wie Senger News.at erzählt. Doch „es kam, wie es kommen musste“, so Senger und so wurden beide Ehen geschieden (mit Galeithner blieb sie stets eng befreundet) und Senger und Iwi Ernst sind seit nunmehr 40 Jahren ein glückliches Ehepaar.
Über ihren Ehemann kann Senger nur schwärmen: Seine handwerklichen Talente (kunstvoll geschmiedete Tore, Stilmöbel und Regale zieren die gemeinsame Villa in Wien-Döbling) würden sie faszinieren und man könne gut miteinander reden und lachen – auch über sich selbst. Sie liebe zudem seine „unaufgeregte Gelassenheit, seine Höflichkeit und seine Freundlichkeit“, Eigenschaften, die den Alltag leichter machen würden, denn „Beziehungen im Allgemeinen verwahrlosen oft schnell“, so Senger. Höflich zu sein und dankbar für das, was der andere sicher immer gibt sowie „das zu zeigen und zu äußern, halte ich für absolut entscheidend“, liefert sie eine Analyse im Speziellen aber auch im Allgemeinen gleich mit.
Die Aufklärerin einer Generation
Und ihre Analysen in Sachen Beziehung und vor allem Sex haben sie einst einer großen Öffentlichkeit bekannt gemacht. „Was ich über Sex wissen musste, habe ich durch Sie erfahren“, sei ein Satz, den sie auch heute noch oft (von Menschen um die bzw. über 50) höre. „Ich bin überzeugt, dass ich eine ganze Generation aufgeklärt habe“, so Senger, die 1982 etwa in ihrem Buch „Was heißt schon frigid?“ etwa auf fünf Seiten den G-Punkt beschrieb – und damit Österreich in Aufruhr versetzte. Es gab damals wohl keine TV- oder Radiosendung, in der Gerti Senger nicht eingeladen war.
Wie tickt Gerti Senger?
Und was macht Gerti Senger – damals wie heute – selbst aus? „Mein Interesse und meine Leidenschaft für Menschen. Ich höre gerne zu und nehme ernsthaft Anteil. Ich weiß, dass das nach so vielen Jahrzehnten nicht selbstverständlich ist. Ich weiß von vielen, die ermüdet sind von Erzählungen. Das bin ich nicht. Im Gegenteil – ich bin unersättlich.“
Gerti Senger heute
Das ist auch gut so, denn Gerti Senger denkt auch mit bald 80 Jahren wohl noch lange nicht an die Pension. Immer noch leistet sie Menschen Hilfestellungen in schwierigen Lebenslagen. Sie ist nach wie vor als Psychotherapeutin aktiv und verfasst Kolumnen sowie einen wöchentlichen Psycho-Test für die „Kronen Zeitung“. Auch im ORF ist sie nach wie vor als Expertin mittwochs in der Sendung „Guten Morgen, Österreich“ zu sehen.
Gerti Senger über…
...Tipps für gute Beziehungen:
„Wichtig ist es, sich zu bemühen und nicht sofort aufzugeben und dass man sich anstrengt und flexibel bleibt, Kompromisse schließen lernt, dass man Veränderung akzeptieren kann...all das habe ich von anderen gelernt."
...Sexualität und Liebe heute:
"Man muss definieren, was man unter Sexualität versteht. Dass etwa Enkelkinder sich schämen, weil ihre 82-jährige Oma sich neu verliebt und in der Öffentlichkeit Bussis gibt, ist empörend. Empörend, dass man einer Frau in diesem Alter die Freude am körperlichen Kontakt nicht zugesteht. Natürlich ist es idiotisch zu glauben, dass man mit 90 dieselbe Leidenschaft und körperliche Kraft aufbringt wie mit 25. Aber es geht ja um Berührungsbehaglichkeit, um erotische Kultur, um die Freude aneinander - und die kann man bis 100 haben.
Ich hab sie noch, die Freude. Wenn Iwi bei der Tür reinkommt, freue ich mich. Ich sehe das auch oft in der Praxis. Oft kommt ein Paar nicht zum selben Zeitpunkt. Und wenn dann einer etwas später kommt, schaue ich immer in deren oder dessen Gesicht - und wenn dort das freudige Aufblitzen ist, weiß ich, da gibt es Ressourcen, da ist noch viel zu machen."
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