So darf man sich die Bürde einer Unparteiischen vorstellen. Da zieht jemand -und kein Niemand, sondern eine der ersten Sportreporterinnen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, dazu das Rarissimum einer zertifizierten Schiedsrichterin - auf 236 Seiten die Bilanz eines sportlichen Lebens. Einhundert historische, emotionalisierende, erschütternde Momente des österreichischen Sports hat die derzeit freiberufliche Journalistin da beschrieben. Aber derjenige, der Elisabeth Auer, 42, auf dem Berufsweg zuinnerst geprägt und beeindruckt hat, kommt nur in einem Nebensatz vor. Zurücktretend nach einem Zerwürfnis mit dem später ins Bodenlose gestürzten Sturm-Graz-Potentaten Hannes Kartnig: Ivica Osim war das, der Trainer-Philosoph aus Sarajevo. "Ein kluger, besonnener Mann, der über den Tellerrand des Sports hinausgeschaut hat", sagt Elisabeth Auer. "Geprägt durch den Krieg in Ex-Jugoslawien, hat er sein Leben ganz anders in den Sport integriert als andere. Er hat mich wirklich berührt. Aber", fügt sie hinzu und räumt ein Quantum Selbstquälerei ein, "er hat im Maßstab für das Buch nicht genügt."
100 Mal Österreich
Denn was da in einhundert knappen, präzisen Kapiteln konzentriert wird, ist die Essenz der österreichischen Sportgeschichte: das Wunderteam, Córdoba, Toni Sailer (samt Abgründen), Jochen Rindt und Niki Lauda, Karl Schranz, Hermann Maier, Marcel Hirscher "Jeder Moment hat seine Zeit und seine Rahmenbedingungen", weist sie die Frage nach dem einen, einsamen Höhepunkt zurück. Deshalb ist Kapitel 100 auch freigelassen, ein weißes Blatt für das eigene, unvergessliche Erlebnis jedes Lesers, und wäre es (wie bei Peter Handke ein Traumtor im Internat) das Privateste. Anderes als Bestenlisten ist ihr wichtig: dass im Buch die Abgründe nicht ausgespart bleiben. "Sportler gehen am Limit, beuten sich aus und sind am Ende schwer kranke Menschen. Und es gibt kein System, das Sportler nach der Karriere beschützt oder sie irgendwo unterkommen lässt", fordert sie vom Staat Maßnahmen ein. Auch für das andere Ende der Karriere: Dominic Thiems Eltern hätten ihre Wohnung verkaufen und die olympisch nobilitierte Gymnastin Caroline Weber in Hallen trainieren müssen, die zu nieder waren, um Keulen-und Ballwürfe in der vorgeschriebenen Höhe durchzuführen.
Um die nach wie vor unermesslichen Unterschiede wenigstens netzwerkend zu bekämpfen, hat sie die Initiative "Wir Frauen im Sport" gegründet. Zehn Prozent Frauen in den Sportressorts der Medien, enorme Gagenunterschiede "Ich bin Feministin und für Quoten", erklärt sie sich auch mit dem posthumen Medienverfahren gegen den mutmaßlichen Vergewaltiger Toni Sailer einverstanden.
Leben mit Manker
All diese Prinzipien an der Seite des maßlosen Theatergenies Paulus Manker zu leben, stellt man sich nicht einfach vor. Nach 14 Jahren Gemeinsamkeit haben die beiden im Sommer 2018 geheiratet. Die Lehrertochter aus der steirischen Provinz, deren Freizeitgestaltung sich im Fußballspiel mit den Buben erschöpfte, war nach der Matura zum Publizistikstudium nach Wien ausgerückt und hier vom Glanz des Angebots überwältigt worden. Endlich ins Kino, in die Oper, ins Theater! Der schon todkranke Christoph Schlingensief, der im Gefolge eines Lichtausfalls während einer Festwochenproduktion wie um sein Leben zu erzählen und zu improvisieren begann: Nie werde sie diese Energie bis zur Erschöpfung vergessen, sagt sie.
Und dann die erste Begegnung mit dem durchwachsen beleumundeten Manker. Sie bereitete für eine Agentur mit Herbert Prohaska ein Sport-Camp in China vor, im erdgeschossig gelegenen Lokal "Fromme Helene" feierte die große Schauspielerin Gertraud Jesserer Geburtstag.
Das gemeinsame Schicksal erfüllte sich, als die Agenturbesatzung nach der Arbeit auf ein Glas im Lokal einkehrte. Sie gratulierte ihm zu "Alma", man fand einander nach und nach. Wie man mit Paulus Manker zusammenpassen kann? "Vieles, was ihm nachgesagt wird, sind Gerüchte. Er ist ein wahnsinnig intelligenter, absolut liebenswerter Mensch." Warum Letztgenanntes der Welt nicht auffällt?"Weil er alles tut, um es nicht zu zeigen. Du kannst so jemanden nicht bremsen. Er ist keiner, der halbe Sachen macht. Sonst schmeißt er es lieber hin. Ich kann ihn nur unterstützen, wenn er es braucht."
Braucht er womöglich den Widerstand, die Reibung, das ständige Versagen der Subventionsgeber? "Ein Künstler muss nicht leiden, um besonders wertvolle Arbeit zu leisten. Man könnte Künstler ja versuchsweise entsprechend unterstützen und schauen, was herauskommt. Es ist lähmend, wenn du jedesmal mit großen finanziellen Sorgen in ein Projekt gehst. Und mach das einmal ein Leben lang, so wie er. Er verausgabt sich total, geht an jede Grenze."
Sagt Elisabeth Auer, die ein Bild von Stärke, Anmut, Klugheit und Besonnenheit ist.
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