Goldman-Sachs-CEO David Solomon steht arg in der Kritik. Sein reges Engagement als DJ auf Festivals wird zum Problem.
Steckbrief David Solomon
Name: David Michael Solomon
Geboren: 1962 in Greenburgh, New York
Ausbildung: Hamilton College - Bachelor of Arts in Politikwissenschaften
Beruf: seit 2018 CEO von Goldman Sachs, seit Jänner 2019 auch Vorsitzender Bank
Familienstand: geschieden von Mary Elizabeth Solomon (verheiratet von 1989 - 2018)
Zuckende Lichtblitze, Rauchschwaden, wummernde Bässe und eine vom Tanzen verschwitzte, fröhliche Meute. So lässt sich die Szenerie beschreiben, die David Solomon zum Strahlen bringt. Kürzlich war es beim Lollapalooza-Festival in Chicago wieder so weit. Ende Juli stand er dort auf der Bühne des legendären Musikfestivals hinter dem DJ-Pult und unterhielt 80.000 feiernde Fans.
Pult und unterhielt 80.000 feiernde Fans.
"Das Lolla war voller besonderer Momente, aber das war der beste. Vielen Dank an Ryan Tedder!", las sich die öffentliche Freude am Tag nach dem Auftritt auf David Solomons Instagram-Account. Die Danksagung galt dem vielfachen Nummereins-Hitschreiber und Sänger der Band OneRepublic, der mit dem DJ gemeinsam ein Lied dargeboten hatte. In der Branche ist dies als Ritterschlag zu betrachten.
So weit, so unspektakulär. Wäre da nicht diese andere Sache im Leben des 60-Jährigen.
David Solomon ist im Hauptberuf seit vier Jahren CEO der Investmentbank Goldman Sachs, eines der 30 systemisch bedeutsamen Finanzinstitute und vor zwei Jahren auf Rang 60 unter den umsatzstärksten US-Unternehmen.
David Solomon: Auf Du und Du mit Chartstars
Die Liste der Kontakte, mit denen sich Solomon gern öffentlich rühmt, liest sich freilich eher wie die der Top Ten der US-Charts als die der Vortragenden des Weltwirtschaftsforums. Zuletzt arbeitete er mit Warren G, Jennifer Lopez oder der Band The Chainsmokers. Auf dem Lollapalooza-Plakat fand sich sein Name in einer Reihe mit Musik-Schwergewichten wie Metallica, Dua Lipa und Green Day.
Dass Solomon im Jahr 2021 bei derget "Sports Illustrated"-Party in Los Angeles als DJ für den richtigen Sound sorgte, ebenso bei einem VIP-Event im New Yorker Club Marquee und beim Bottlerock-Festival in Napa Valley, erfüllt den mächtigen Banker coram publico mit Stolz.
Zu übersehen ist dies nicht, denn der Mann hat eine Firma, Get Engaged Media, die sich um die Imagepflege über den Weg perfekter Social-Media-Konten kümmert. Dies braucht es schon allein für den Erfolg von Solomons Plattenfirma. Die betreibt der Bankchef auch noch nebenbei.
Auf Spotify kam der Musik-Aficionado im Jahr 2021 auf beachtliche 13,6 Millionen Streams. Das Plattenlabel des Goldman-Sachs-Bosses, hauptberuflich Chef von weltweit rund 40.000 Bankmitarbeitern und verantwortlich für eine Bilanzsumme von über einer Milliarde US-Dollar im Jahr 2020, heißt Payback Records. Payback bedeutet Rückzahlung und bezieht sich darauf, dass sämtliche Einnahmen aus dem musikalischen Hobby an wohltätige Organisationen für Suchtkranke gehen. Gern und oft betont Solomon sein Engagement im Kampf gegen Suchtkrankheiten.
Im Fegefeuer der Klatschspalten
Die menschenfreundliche Konnotation seiner Aktivitäten im bankfremden Milieu, die unübersehbar der Selbstvermarktung dienen, hilft neuerdings nicht mehr, Kritiker zum Schweigen zu bringen. Die Vorwürfe gegen den Party-Banker sind mittlerweile ohrenbetäubend laut. Mitte September wurden sie gar Gegenstand der Berichterstattung der legendären Mutter aller Klatschorgane, "Page Six", beheimatet in Rupert Murdochs "New York Post".
Am so ziemlich allerletzten Ort, an dem ein Investmentbanker seinen Namen lesen will - es sei denn, er hat großzügig gespendet - wurde getitelt: "Der Tumult zwischen geschniegelten Goldman-Managern und dem DJ-CEO wird unangenehm." Warum jetzt und nicht bereits vor vier Jahren, als Solomon als eine seiner ersten Amtshandlungen zwei Gulfstream-Privatjets anschaffte, statt weiterhin bei NetJets zu mieten?
Krise bei Goldman Sachs brachte die Wende
Die Kritik an der schillernden Führungsfigur entzündet sich an der wirtschaftlich misslichen Lage der Bank. Intern habe es bei Goldman Sachs bereits massiv gekracht, als im Lauf des Jahres der Kurs um 16 Prozent gesunken sei, berichtet "Business Insider". In der Zentrale in der 200 West Street in Lower Manhattan sind die Geschäftsaussichten überschaubar, im zweiten Quartal brach der Gewinn der Bank laut "Financial Times" um die Hälfte ein. Nun wird Stellenabbau erwogen, eine Leistungsbeurteilung der Mitarbeiter zum Jahresende wieder eingeführt, der kostenlose Kaffee gestrichen. Ein Jahr nach der Auszahlung von Rekordboni im erfreulichen Geschäftsjahr 2021 - dazu gehörte ein einmaliger leistungsabhängiger Bonus für Solomon in Gestalt eines Vergütungspakets über 27,5 Millionen US-Dollar - hat die Suche nach dem Schuldigen begonnen und der Chef scheint eine Angriffsfläche zu bieten.
Zuvor war Solomons Amtszeit von Erfolg gekennzeichnet. Der Sohn eines Verlegers und einer Hörberaterin war nach einer erfolglosen Erstbewerbung und Zwischenstationen bei anderen Investmentbanken, u. a. Drexel Burnham und Bear Stearns, 1999 zu Goldman Sachs gekommen.
Er wurde 2006 befördert, leitete zehn Jahre lang die Investmentbanking-Abteilung und wurde 2016 mit Harvey Schwartz zum Präsidenten und Co-Chief-Operating-Officer. Zwei Jahre später wurde er CEO.
Er erzielte Rekordgewinne, der Aktienkurs erreichte 2021 ein Rekordhoch. "Er hat strenge, transparente Leistungsziele gesetzt und nimmt Mitarbeiter in die Pflicht, um unsere Geschäfte zu erweitern und zu diversifizieren. Es ist klar, dass die Strategie funktioniert", zitiert "Business Insider" Tim O'Neill, Mitglied des Goldman-Managementkomitees.
Mangelnde Innovation als Kritikpunkt
Kritiker bemängeln, diese Erfolge seien vor allem darauf zurückzuführen, dass die bestehenden Handels-und Investmentbanking-Geschäfte der Bank exzeptionell gut abgeliefert wurden. Bei einer der wichtigsten Wall-Street-Kennzahlen, dem Kurs-Buchwert-Verhältnis, bliebe die Leistung der Bank indes weit hinter ihren Konkurrenten, liest man. Zu wenig neue Ideen und kaum Forschung an Strategien werden dem Hobby-DJ vorgeworfen. Nach fast vier Jahren an der Spitze sehe sein neues Goldman Sachs immer noch sehr wie das alte aus, so "Business Insider".
Solomon hat freilich, seit er 2018 CEO wurde, aber auch viel um die Ohren. Es ist auch das Jahr, in dem er sich nach fast 30 Ehejahren scheiden ließ und seine Plattenfirma gründete. Dort veröffentlichte er jüngst sein Lied "Learn To Love Me", gesungen von Ryan Tedder. Als Motto scheint das nicht verkehrt.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 40/2022 erschienen.