Es war diese unendliche Leidenschaft für die Kunst, die Klaus Albrecht Schröder an Franz Grabmayr so zutiefst bewunderte. In Teil drei der Serie erzählt der Generaldirektor der ALBERTINA von seinem Freund Franz Grabmayr, dessen bedeutendem Werk und erkenntnisreichen Erlebnissen.
In Kooperation mit Grabmayr Estate KG
"Das muss Mitte der 80er gewesen sein", erinnert sich Klaus Albrecht Schröder, wann er erstmals auf den Künstler Franz Grabmayr aufmerksam wurde. Wenig später, bereits in seiner Funktion als Leiter des Kunstforums der Länderbank, des heutigen Bank Austria Kunstforums, folgte schließlich das persönliche Kennenlernen. "Ich habe ihn damals als jenen einzigartigen Menschen erlebt, der er nun einmal war", so Schröder. Mit der Zeit entwickelte sich schließlich eine nicht selbstverständliche Freundschaft – "denn abseits der Begeisterung für seine Kunst, die er aufgebracht und ich geteilt hatte, hatten wir wenig gemein. Und doch gab es etwas, wofür ich ihn zutiefst bewundere: diese unendliche Leidenschaft für die Kunst. Diese besessene Ausschließlichkeit, mit der er sich ihr gänzlich ergeben hat. Man bedenke, er hat damals, relativ spät, mit rund 40 Jahren, seinen sicheren Brotberuf als Lehrer an den Nagel gehängt, um sich einzig und allein auf sein Schaffen konzentrieren zu können. Er war entschlossen, sogar ein Leben in Armut dafür in Kauf zu nehmen." Denn seine Kunst hatte für Grabmayr zweifelsohne oberste Priorität. "So war er auf seinem Gebiet unglaublich wissend – wie ein Wissenschaftler, der zeitlebens an nichts anderem als seiner Forschung arbeitet. Und diese Einseitigkeit, mit der er sein Leben für die Kunst gelebt hat, führt unweigerlich zu Genialität."
Aus dieser Zeit des Kennenlernens rührt auch Schröders erster Grabmayr. Er ist Sinnbild ebendieser Genialität: "Das pastöse Ölbild zeigt Strohpinkel und Kornmandl – und obwohl Letztere damals längst aus Landschaftsbild und Landwirtschaft verschwunden waren, machte sie Franz Grabmayr zu seinem Motiv und bat Bauern, sie für ihn nachzubauen", beschreibt er das Werk, das ihn seit beinahe 40 Jahren durchs Leben begleitet. Wobei zeigen nicht ganz das richtige Verb zu sein scheint: "Für ihn ist das Motiv, der Inhalt der Arbeit etwas Konkretes, etwas geradezu Fotorealistisches. Für mich hingegen ist es ein rein abstraktes Gemälde, dessen rudimentäre Andeutungen ich einzig anhand der terrestrischen Ebene und des Himmelblaus erahne."
Vom Bild zum Objekt
Für Grabmayr selbst war das Motiv entscheidend, der Inhalt essenziell. "Ganz gleich, ob seine Kornmandl und Strohpinkel, seine brennenden Wurzelstöcke, die Sandgruben oder der reißende Gebirgsbach – Grabmayrs Motive sind, wie die Äpfel für Paul Cézanne, für die Betrachtenden allesamt belanglos. Und doch sind sie Spiegel seiner Sucht nach dem Ursprünglichen, entstanden fernab der Stadt, in der Natur des Waldviertels, wo er unter kargsten Bedingungen – teils ohne Strom und fließend Wasser – wohnte und arbeitete."
Mit Akribie auserkoren, folgte stets die präzise Studie seines auserwählten Motivs: "Dieses intensive Beobachten war es, das ihn in jenen Trancezustand höchster Emotionalität versetzte, den andere möglicherweise nur mit Drogen erreichen. Für Franz war jedoch das stundenlange Sehen – das Aufsaugen der vom Gesehenen ausgehenden Kraft – seine Droge, ehe er diese Energie in vergleichbar kurzer Zeit auf die Leinwand übersetzte." Das Pigment wortwörtlich auf den Bild- oder viel mehr Objektträger geworfen, entsteht Grabmayrs revolutionäre Materialästhetik samt ihren Graten und Schluchten. Das Besondere: "Von der Besessenheit seines visuellen Eindrucks geführt, entsteht am Ende ein völlig ungegenständliches Bild seines konkreten Motivs – und letzten Endes auch der Übergang vom Bild zum Objekt."
Dieser Visualität Grabmayrs verdankt Schröder eines der wohl er-kenntnisreichsten Erlebnisse seiner Karriere. "Zwei, vielleicht drei" solcher Begegnungen, die ihn nachhaltig sensibilisierten, gab es in seinem Leben. Besagte war im Jahr 1994: "Im Kunstforum zeigten wir gerade die große Boeckl-Retrospektive anlässlich seines 100. Geburtstages", erinnert sich Schröder. "Damals bin ich mit Franz durch die Ausstellung gegangen und habe ihm gelauscht, wie er vor einem der wenigen pastösen Frühwerke Boeckls stundenlang über die Kelvin, die Lichttemperatur, der Beleuchtung im Kunstforum sprach. Dass dieses künstliche Licht nicht annähernd Boeckls Valeur – den seines früheren, zentralen Lehrers, der seine Materialästhetik unweigerlich prägte – wiedergäbe. So sensibilisierte er mich damals für die Bedeutung des Lichtes – ich verstand, dass dieses vermeintliche Nebenthema in Tat und Wahrheit ein Hauptthema ist. Dass die Wirkung der Kunst zwar auf der Koloristik fußt, diese aber eine Resultierende des Lichts ist."
"Nicht gefällig, sondern überfällig!"
Heute besitzt Schröder insgesamt drei Ölgemälde und zwei Tuschearbeiten von Grabmayr. "Es gibt keinen Künstler, von dem ich mehr besitze", zeigt er sich von dessen Œuvre begeistert. Ursprünglich waren es um vier "bedeutende Werke" mehr: "Auf die Bitte von Dr. Herbert Batliner, dem großen Mäzen der Albertina, habe ich diese der Albertina bzw. der Sammlung Batliner überlassen – das waren sicher die schönsten Arbeiten, die ich besessen habe. Aber angesichts dessen, was Dr. Batliner für das Haus getan hat, konnte ich mich durchaus erkenntlich zeigen."
Zwei dieser Schlüsselwerke sind in der aktuellen Ausstellung "Franz Grabmayr – vom Bild zum Objekt" zu sehen. Für Hausherrn Schröder ist die Ausstellung am Ende seiner Direktion "keine Gefälligkeit, sondern eine Überfälligkeit". Immerhin ist Grabmayrs einzigartige Materialästhetik durchaus von kunsthistorischer Bedeutung. International durchgesetzt hat es sich allerdings noch nicht: "Nicht, weil man es kennt und nicht bedeutend findet, sondern weil es schlicht noch nicht bekannt ist. Dabei könnte seine Kunst heute sehr brisant sein und in der Sparte des Materialbildes ihren großen Stellenwert haben." Ihn über die Grenzen hinaus bekannt zu machen, gleiche jedoch einer herkulischen Aufgabe: "Da spielt vieles zusammen und letztlich auch Fortuna, das kleine Quantum Glück und Schicksal, eine kleine, aber entscheidende Rolle. Wird ihm all das noch zuteil, worauf ich stark hoffe, wird man seine enorme Bedeutung schlagartig erkennen."
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 27+28/2024 erschienen.