Gastkommentar von Paulus Manker
Nur wenige Frauen haben so intensiv ihr Leben gelebt, so rücksichtslos und so selbstbestimmt wie die berühmte Künstlermuse Alma Mahler-Werfel. Sie schlug jede Form von bürgerlicher Moral in den Wind, sie erkämpfte sich ihre Autonomie und praktizierte völlig ungeniert ihre eigene, ganz private sexuelle Revolution.
Genialität war ihr Aphrodisiakum, das kleinste Anzeichen von schöpferischer Begabung erregte sie, auch erotisch: »Ich liebe am Manne nur die Leistung. Je größer die Leistung, desto mehr muß ich ihn lieben.« Das stand schon früh als ihr Lebensmotto fest. Sie erwählte den Komponisten Gustav Mahler zu ihrem ersten Mann, machte den Maler Oskar Kokoschka zu ihrem hörigen Geliebten, heiratete den deutschen Architekten und Bauhaus-Gründer Walter Gropius und zuletzt in dritter Ehe den jüdischen Schriftsteller Franz Werfel.
Gustav Klimt, der ihr als Backfisch den ersten Kuss raubte, prophezeite: »Ich glaube, wo Alma hinkommt, hinschaut in die Männerwelt, ist sie Herrin, Gebieterin.« Almas Lebensstrategie stand damals bereits unverrückbar fest: Das Objekt ihrer Begierde musste nicht schön sein und auch kein Krösus, aber eine Eigenschaft musste der Mann ihrer Wahl unbedingt besitzen: künstlerische Begabung, Kreativität. Mehr noch: Genie. Einer Freundin gestand sie Jahre später: »Nichts schmeckt besser als das Sperma von einem Genie!«
Sie besaß eine ungemeine magnetische Kraft, die ihrem Machtwillen diente. Sie wollte als Person, als Frau angebetet werden. Solange sie Gustav Mahlers Frau war, kann sie nicht viel Gelegenheit gehabt haben, ihre Machtgier zu befriedigen. Es kann kein Zweifel sein, dass Mahler sie beherrschte. Er verlangte, dass sie aufhöre, selbst Musik zu komponieren. »Ein Komponist in der Familie genügt«, sagte er. Und Alma gehorchte, denn sie liebte Mahler und erkannte seine Überlegenheit an, aber sie vergab ihm nie.
Die Liebe war ein zentrales, unerschöpfliches Thema ihres Lebens. Liebe als Quelle von Macht. Denn Alma Mahler-Werfel wollte geliebt werden, um Macht über ihre Verehrer zu gewinnen. Sie wollte angebetet werden, von allen und jedem. Geliebt zu werden, hielt sie für ihr natürliches Recht wie das Anrecht auf Luft und Wasser. Wo sie es nicht erhielt, wurde sie ärgerlich, deprimiert, gehässig.
Was sie an einem Mann liebte, war das Schöpferische, sie war immer auf der Suche nach einem neuen Genius. Das klingt skurril, aber es war ihre echte Leidenschaft. Das kleinste Anzeichen von schöpferischer Begabung erregte sie, auch erotisch, geradezu wie ein Fetisch.
Alma Mahler ist immer noch höchst umstritten und angefeindet, wird oft verspottet und verhöhnt. Und nach wie vor steht sie im Schatten ihrer berühmten Ehemänner und Geliebten. Bereut hat sie es jedoch nie, ganz im Gegenteil: »Was wißt ihr Erdentrottel von meinen Glückseligkeiten ... Jedes Genie ist mir gerade der rechte Strohhalm als Beute ... für mein Nest ... !«
Stück und Buch
ALMA, DAS STÜCK
1996 gab Manker im Sanatorium Purkersdorf dem Historienstück „Alma“ autonome Gestalt und erfand dabei das Stationendrama mit dem wandernden Publikum. Das Ereignis reist seit 28 Jahren durch die Kontinente, nun will der Theaterverlag unter neuer Führung erstmals Tantiemen, nachdem Manker stets wie ein autonomer Autor behandelt worden war. Der führende Berliner Anwalt Peter Raue kämpft die Aufführungsrechte gerade zurück. Aufführungen in Hamburg und New York sind in Vorbereitung.
Das Buch
Im „Alma-Mahler-Album“ dokumentiert die Vielbegehrte mit 280 Fotografien und 340 Zitaten. Verlag Kulturaktiv, € 38