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Leben im Schloss: Graf Carl Philip Clam Martinic

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8 min
Schlossherr Carl Philip Clam Martinic
©Bild: Sebastian Reich
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Der junge Erbe weilte im fernen Hongkong und betrieb eine Handelsplattform für die Uhrenindustrie, als 2003 kurz nach einander sein Großvater und sein Vater starben. Worauf ihn die Familie zwecks Übernahme des laufenden Geschäfts auf die geräumige heimatliche Immobilie rückbeorderte. Hat er es je bereut? "Ich habe in Hongkong eine schöne Zeit verbracht, wusste aber auch, dass ich irgendwann einmal hier in Clam sein werde. Es ist eine sehr ehrenwerte und große Aufgabe, der ich hier nachgehe und da bereue ich es sicher nicht sehr.“ Schließlich: "Von Hongkong, dem dichtbesiedeltsten Platz der Welt, zurück nach Clam. Das war ganz spannend“.

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Außenansicht der Burganlage © Sebastian Reich

So nahm er die Geschäfte mit einigen Mitarbeitern selbst zur Hand. "Es ist eine typische Verwaltungstätigkeit. Das klingt jetzt nicht sehr spannend“, sagt er, nicht ohne sogleich von Musikfestivals und Konzerten zu berichten, für die Stars wie Santana, Zucchero und Pink aufgeboten sind, respektvolle gegenseitige Ablichtung inbegriffen. "Die Künstler sind dann noch zur Party auf der Burg eingeladen. Die Superstars kommen mit der Kamera und fotografieren uns. Das ist lustig, wenn man sich gegenseitig abfotografiert.“

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Die Herrschaftsküche. Die Einrichtung bis zu den Töpfen entstammt den Zwanzigerjahren. In der Küche wird im Sommer für Familie und Gäste gekocht. © Sebastian Reich

Leben auf der Ritterburg

Verheiratet ist der charmante Graf mit Stephanie, einer französischen Fondsmanagerin, die in Wien arbeitet und mit den beiden Kindern auch wochentags in der Hauptstadt lebt. Sein Reich umfasst 100 Räume, von denen er selbst überschaubare 120 Quadratmeter nutzt. Wie groß die Burg wirklich ist, weiß nicht einmal er selbst. Früher wechselte er zwischen dem Sommerquartier im zentralen "Palais“ der Burg und dem aus zwei Dienstbotenwohnungen fusionierten Winterquartier. Die vielen Stufen und weiten Distanzen im historischen Gemäuer waren indes für die Kinder nur unter Strapazen bezwinglich. Deshalb bleibt die Familie der Einfachheit halber das ganze Jahr über im moderneren Winterquartier.

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Der Ahnensaal. Die Atmosphäre des Ritter- oder Festsaals ist heimelig, gemütlich und warm. Hier steht auch einer der ältesten Kachelöfen der Burg aus der Zeit um 1600. Der Saal wird nur privat genutzt. © Sebastian Reich

Die Heizperiode in den gräflichen Gemächern hat schon begonnen, wobei der historische Kern dem Winterfrost überlassen bleibt: Die Burg auf konstanter Raumtemperatur zu halten wäre nicht finanzierbar. Denn der Erhalt geht ins Geld, das an allen Erkern und Enden benötigt wird. "Allein die Betriebskosten“, so rechnet der Graf leidvoll vor, "machen rund 100.000 Euro im Jahr aus. Da sind aber große Renovierungen noch nicht dabei.“

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Großes Speisezimmer. Der Großvater des Burgherrn nahm hier noch jede Mahlzeit ein. Heute isst die Familie in der Herrschaftsküche. © Sebastian Reich

Konservierte Tradition

Clam sieht sich als Bewahrer: der Burg wie der Tradition. Als seine junge Frau die Anbringung von Vorhängen im Ahnensaal anregte, lehnte der Graf umstandslos ab. "Sie wollte die Dinge verändern. Für mich war das wie ein Sakrileg, dass man auch nur einen Bilderrahmen von der einen Seite auf die andere Seite rutscht, weil das so ein Gesamtensemble ist. Da bin ich jetzt nach zehn Jahren aber auch ein bisschen lockerer geworden“, fügt er sanfter hinzu.

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Das Landschaftszimmer mit romantischen Fresken, die Donauauen zeigend. © Sebastian Reich

Man lebt in einem Museum, dessen maßgebliches Exponat man selbst ist. Von den Wänden mahnen Ritter und Staatsmänner, die Rüstungen sind getragen. Dass nahezu alle Räume voll möbliert sind, verdankt der Burgherr dem Urgroßvater. Graf Heinrich Karl Clam Martinic war während des Ersten Weltkriegs österreichischer Ministerpräsident. 1920 wurde er in Tschechien zum Staatsfeind erklärt und enteignet. "Wir konnten aber die ganzen Mobilien mitnehmen. Es gab einen Zug mit zehn Wagons voll mit Möbeln, die hierher übersiedelt wurden“. So kann den sich hier einmietenden Sommergästen ein nicht zu übertreffendes Maß Authentizität bis unter die Sitzfläche geboten werden. Der weitblickende Großvater wiederum setzte zu Zeiten des Kalten Krieges einen Zivilschutzbunker für 30 Personen unter die Ostbastei. Gelassenheit auch im Falle eines drohenden Atomschlages wird schon durch die Ausstattung signalisiert: Auf dem Tisch steht ein "Mensch ärgere Dich nicht“-Spiel.

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Ein neu gestaltetes Gästebad. © Sebastian Reich

Der Herr Graf lässt bitten

Besagter Großvater, noch in der Monarchie geboren, hielt viel auf tradierte Leutseligkeit. Bis zu seinem Tod mit mehr als 90 Jahren saß er täglich auf seiner Bank im Burghof und pflog Konversation mit den Besuchern. So war es über die Generationen Brauch, und so hält es auch der Enkel. Zwar fehlt ihm die Zeit, um in Erwartung allfälliger Touristenmassen in der Sonne zu harren, doch der direkte Kontakt zu den Gästen wird auch von ihm gepflegt. Ein Teil der Führung geht durch private Räumlichkeiten, die von der Familie täglich benutzt werden. Die Gäste queren also direkt den gräflichen Haushalt. Mit Glück betätigt sich der Graf selber als Führer durch das Eigenheim. "Nein, wir haben keinen Geist“, hält Clam Martinic auf Anfrage fest, um zu präzisieren: "Wir haben zwei Kapellen und damit den Heiligen Geist. Aber oft sitzt man ganz gemütlich, der Boden knarrt und es kommen Schritte auf einen zu, das ist ganz eindeutig. Dann dreht man das Licht auf und da ist nichts. Wenn man so durch die finstere Burg geht, wird es einem schon mulmig.“ Wir halten fest: Auch ein unerschrockener Burgherr kann Nerven zeigen.

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Der dreistöckige Arkadenhof aus der Renaissance ist das Prunkstück der Burg. Im Sommer isst die Familie im Hof vor der Küche. © Sebastian Reich
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