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Brigitte Bierlein ist verstorben

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Brigitte Bierlein

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Die große Karriere von Brigitte Bierlein kam spät, dann aber nachdrücklich. Zwei Jahre vor der Pension wurde sie erste Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs, dann Österreichs erste Regierungschefin. Am 3. Juni 2024 verstarb Brigitte Bierlein im Alter von 74 Jahren.

Steckbrief Brigitte Bierlein

  • Name: Brigitte Bierlein

  • Geboren am: 25. Juni 1949 in Wien

  • Verstorben am: 3. Juni 2024 in Wien

  • Ausbildung: 1971 zur Dr. jur. promoviert, 1975 Richteramtsprüfung

  • Familienstand: Lebenspartnerschaft

  • Kinder: keine

  • Partei: keine

  • Funktion: ehemalige Bundeskanzlerin der Übergangsregierung

Gute Kontakte zur ÖVP

Dass sie ihre größten Karriereschritte - jenen zur Vizepräsidentin und später zur Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs jeweils unter schwarz- bzw. türkis-blauen Regierungen machte, war kein Zufall. Der Wienerin wurden gute Kontakte nicht nur zur ÖVP, sondern auch zur FPÖ nachgesagt. Parteimitglied war sie allerdings nicht.

Ich habe einen gewissen gesunden Ehrgeiz

Eigentlich hatte sie ihre Laufbahn 2003 mit dem Vorrücken in den VfGH schon als gekrönt erachtet. Damals gestand sie einen "gewissen gesunden Ehrgeiz" ein, der gepaart mit "viel Spaß an der Arbeit" wohl auch nötig war, um sich als Frau in der früher stark männlich dominierten Welt der Juristen durchzusetzen.

Jahr
Funktion
ab 1977
Staatsanwältin
1986
Wechsel in die Oberstaatsanwaltschaft Wien
1987
Strafrechtssektion im Justizministerium, dann wieder OStA.
1990 - 2002
Generalanwältin in der Generalprokuratur
1995
Vorstandsmitglied der Vereinigung Österreichischer Staatsanwälte
2001 - 2003
Präsidentin der Vereinigung Österreichischer Staatsanwälte
2003
Vizepräsidentin des VfGH
Jan. 2028 - Juni 2019
intermistische Leiterin des VfGH
Mai 2019 - Jan. 2020
Bundeskanzlerin der Übergangsregierung

Resolut-selbstbewusstes Auftreten

In dieser Welt war die stets um ein elegantes Äußeres bemühte Juristin schon als Standesvertreterin nicht nur mit ihren fachlichen Qualifikation, sondern auch mit resolut-selbstbewusstem Auftreten und schnörkellos-geraden Ansagen aufgefallen. 1977 von den Richtern zu den Staatsanwälten gewechselt, engagierte sie sich in der Vereinigung Österreichischer Staatsanwälte - und wurde dort 2001 zur Präsidentin gewählt. Auf diese Funktion musste sie mit dem Eintritt in den VfGH verzichten. Vor dem Wechsel in das Höchstgericht war sie nicht weniger als zwölf Jahre Generalanwältin in der Generalprokuratur.

Die Tochter eines Beamten

Nur ganz am Beginn war die gebürtige Wienerin nicht ganz so zielstrebig: 1949 als Tochter eines Beamten geboren, wollte sie eigentlich Kunst oder Architektur studieren. Die Mutter (die selbst eine Kunst-Ausbildung hatte) riet ihr ab, Bierlein entschied sich für Jus - und ab diesem Moment ging es geradeaus nach oben: In nur vier Jahren absolvierte sie das Studium, mit 26 legte sie die Richteramtsprüfung ab, mit 28 Jahren wurde sie zur Staatsanwältin ernannt, mit 41 Generalanwältin, 2003 Vizepräsidentin am VfGH und am 1. Jänner 2018 dessen Leiterin.

Für eine Familiengründung blieb Bierlein keine Zeit

Für Familie blieb der Wienerin keine Zeit, sie hätte es sich nicht vorstellen können, Job und Kinder unter einen Hut zu bringen, sagte Bierlein einst in Interviews. Privates weiß man über Bierlein, die in Justizkreisen bestens vernetzt war, recht wenig; sie hatte sich dazu immer sehr bedeckt gehalten: Mit Ernest Maurer war sie lange Zeit liiert, aber dennoch unabhängig geblieben. Beide sollen eigene Wohnungen gehabt haben.

Bierleins Lebensgefährte

Die juristischen Entscheidungen ihres Lebensgefährten, des mittlerweile pensionierten Richters Ernest Maurer, waren öfters umstritten: etwa als er Holocaust-Leugner David Irving auf freien Fuß setzte. Jarolim bezeichnete Maurer damals als eine "Fehlbesetzung". Irving bedankte sich in der Verhandlung hingegen artig mit den Worten: "Euer Ehren, danke schön." Maurer galt zwar als Intimus von Jörg Haider und saß auch im ORF-Kuratorium, wies aber eine Nähe zur FPÖ stets zurück.

Brigitte Bierlein privat

In ihrer Freizeit besuchte Bierlein gerne Vernissagen und Ausstellungen, sowie - wenn es die Zeit zuließ - Oper und Theater. Auch sammelte sie Kunst, hatte etwa einen (Josef) Mikl zuhause hängen. Nur am Rande mit Kultur zu tun hat, dass sie zur Leiterin der Sonderkommission zum Skandal in der Wiener Ballett-Akademie bestellt wurde.

Abseits ihrer kulturellen Interessen betätigte sie sich gerne sportlich: Sie joggte täglich und fuhr Ski: Als sie Anfang 2018 VfGH-Präsidentin wurde, musste sie zwangsläufig auf den bereits geplanten Skiurlaub verzichten. Sie galt auch abseits ihres Fachgebiets als interessiert, las viel - etwa Bücher des angesagten israelischen Historikers Yuval Noah Harari - und verschenkte diese auch an Freunde.

Österreichs erste Bundeskanzlerin

Die ehemalige VfGH-Präsidentin Brigitte Bierlein wurde am im Juni 2019 Österreichs erste Bundeskanzlerin. Das gab Bundespräsident Alexander Van der Bellen damals am 30. Mai 2019 in einem Statement bekannt, nachdem er sich davon mit den Parlamentsparteien auf diese Personalie verständigt hatte. Bierlein erhielt darauf den Auftrag zur Regierungsbildung. Bierleins Regierung führte die Geschäfte bis zur Bildung einer neuen Regierung.

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Am 7. Jänner 2020 endetete die Kanzlerschaft von Bierlein. Der "neue Alt-Kanzler" Sebastian Kurz wurde mit der Regierungsbildung beauftragt und übernahm erneut das Amt des Bundeskanzlers.

Brigitte Bierlein verstarb am 3. Juni 2024 im Alter von 74 Jahren. Wie der Verfassungsgerichtshof mitteilte, erlag sie einer kurzen schweren Erkrankung.

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