Josef war die ersten Wochen hellauf begeistert von Lydia. Alles an ihr passte ihm. Er verhielt sich wie eine Klette. Nach den ersten Wochen der Beziehung ist er plötzlich wie vom Erdboden verschluckt. Statt Dutzenden Textnachrichten kommt plötzlich nicht das Geringste. Eine der neuen Unsitten, die plötzlich beim Dating boomen.
Das Glossar neuer Vermeidungsstrategien in zwischenmenschlichen Beziehungen ist überwiegend englisch und indessen schier endlos geworden. Eins scheinen diese Liebeskiller gemeinsam zu haben: Es geht um verdeckte Bindungsangst und eine Vermeidungstaktik, um ja nicht in die Pflicht zu kommen.
So auch bei Heiko und Sina. Waren ihr zunächst die dauernden Komplimente und Zukunftsprognosen eines märchenhaft glücklichen Zusammenlebens von Josef schon zu viel, wandte sich auf einmal das Blatt, als sie sich schon unmerklich daran gewöhnt hatte. Von Heiko kamen nur noch gelegentlich getextete Kürzel statt ausschweifender Liebespoesie. Und das auch nur, wenn Sina seine vormals glühende Begeisterung als Maßstab seines abgekühlten Verhaltens nahm und ihn nach Gründen fragte. Aber schauen wir uns die neuen Unarten beim Dating im Folgenden näher an:
1. Breadcrumbing
Eine Person versorgt den Liebespartner nur noch mit minimalistischer Zuwendung und Aufmerksamkeit, gleichsam wie mit Bröseln. Oder breadcrumbs, Brotkrumen.
2. Benching
Damit wird ein weit verbreitetes Vermeidungsverhalten beschrieben, wenn sich jemand eine Person vom Leib, aber zugleich warmhält. Sie subtil hinhält und alles auf die lange Bank (englisch „bench“) schiebt. Die Beziehung eiert dahin, und man weiß nicht, ob es überhaupt eine Liebesbeziehung mit Zukunft ist, da eigentlich nie Klarheit herrscht.
3. Ghosting
Der wohl bekannteste Begriff der Dating-Fallen ist die unversehens aufkommende Ignoranz der zuvor begehrten Person gegenüber. Auf einmal wird der Kontakt abgebrochen, die Person sogar daran gehindert, ihrerseits Fragen zu stellen, indem sie auf allen Kommunikationskanälen blockiert wird.
Ein Beispiel bringt Lara, die in meiner Praxis berichtet, nach Guten-Morgen-Grüßen auf WhatsApp auf einmal von ihrer neuen Flamme blockiert worden zu sein. Das Fiese daran: Die geghostete Person fragt sich womöglich bis an das Ende der Zeit, woran es lag. Kann aber andererseits viel eher damit abschließen, als wenn folgender bizarrer Fall eintritt.
4. Submarining
Seit dem Beatles-Song „Yellow submarine” ist die englische Bezeichnung für U-Boot hinlänglich bekannt. Damit sind Situationen zu Beginn einer keimenden Beziehung gemeint, bei denen der potenzielle Partner im Gegensatz zum geisthaften spurlosen Verschwinden („Ghosting“) nur zwischenzeitlich abtaucht. Um dann wieder aufzutauchen, als wäre er nie weg gewesen. Dieses U-Boot-Verhalten ist bedarfsorientiert und in seiner Wirkung auf die davon betroffene Person äußerst vernichtend.
Fazit: Hinter diesen Dating-Sünden stecken neben Bindungsängsten irrationale Macht- und Kontrollansprüche, als könnte man so andere in Schach halten und seine Freiheit bewahren. In Wahrheit führen solch toxische Dating-Muster zu Einsamkeit, Frustration und einer Unfähigkeit zu lieben. Denn Liebe ist, sich zu öffnen und Vertrauen zu schenken.