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Bini Guttmann: Mit Chuzpe gegen jeden Antisemitismus

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Benjamin „Bini“ Guttmann (28) ist die lauteste Stimme einer jungen Generation selbstbewusster österreichischer Jüdinnen und Juden. Öffentlichkeitswirksam treten sie gegen jeden Antisemitismus auf

Die Wahl des FPÖ-Politikers Walter Rosenkranz zum Ersten Nationalratspräsidenten wäre gesetzlich nicht vorgeschrieben gewesen. Die Mehrheit der Abgeordneten folgte schließlich aber doch der Usance, für den Kandidaten der bei der Nationalratswahl erstplatzierten Partei zu stimmen.

Traditionell nimmt der Nationalratspräsident gemeinsam mit anderen Staatsspitzen am Novembergedenken teil. Die Kultusgemeinde pflegt allerdings keine offiziellen Kontakte zur FPÖ. Während daher dieses Jahr die Staatsspitzen gemeinsam mit der IKG an der Shoa-Namensmauer der in der NS-Zeit Ermordeten gedenkt, will Rosenkranz einen Kranz am Judenplatz niederlegen.

Vertreter der Jüdischen österreichischen Hochschüler:innen (JÖH) und anderer jüdischer Organisationen verunmöglichen das allerdings, indem sie eine Menschenkette um das dortige Holocaust-Denkmal bilden. „Bitte respektieren Sie das Gedenken an unsere Vorfahren. Wir wollen nicht mit Ihnen gedenken, wir wollen nicht, dass Sie unseren Vorfahren ins Gesicht spucken“, sagt Bini Guttmann zu Rosenkranz, der schlagender Burschenschafter ist.

Derzeit arbeitet der Jurist Guttmann als Konzipient in einer Wiener Kanzlei. Dabei kommen ihm seine rhetorischen Fähigkeiten ebenfalls zugute. Dass er Chuzpe hat, stellte er bereits als Schulsprecher unter Beweis. Damals gelang es ihm, an der Zwi Perez Chajes-­Schule die Schuluniform abzuschaffen.

Als Jude in einer postnazistischen Gesellschaft geht es sich nicht aus, nicht politisch zu sein. Unser Überleben und der Fakt, dass es uns gibt, ist auch ein Akt des Widerstands

Bini GuttmannRechtsanwaltswärter

Alle vier Großeltern Guttmanns wurden in der NS-Zeit verfolgt. Ein Großvater überlebte Auschwitz, die anderen überlebten entweder versteckt oder im Exil. „Ich kenne diese Geschichten seit Kindesbeinen an“, erzählt der Enkel. Ihm sei daher immer schon klar gewesen: „Als Jude in einer postnazistischen Gesellschaft geht es sich nicht aus, nicht politisch zu sein. Unser Überleben und der Fakt, dass es uns gibt, ist auch ein Akt des Widerstands. Das zu sichern, erfordert auch politischen Aktionismus.“

Erlernt hat er diesen in jüdischen Jugendorganisationen, allen voran dem sozialistisch-­zionistischen Shomer. Als Student machte er die JÖH als deren Präsident von 2017 bis 2019 wieder politischer. Anschließend stand er bis 2021 der European Union of Jewish Students in Brüssel vor, die 160.000 junge Juden vertritt. Heute ist er Mitglied des Exekutivrats des Jüdischen Weltkongresses. „Mir ist wichtig, gegen jede Form von Faschismus vorzugehen.“ Vielen Linken wirft er vor, „dass sie die Gefahr des Islamismus ignoriert haben“, Konservativen und Rechten, den Diskurs im Sinn fremdenfeindlicher Politik zu missbrauchen. „Menschenrechte sind aber unteilbar.“

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 51+52/2024 erschienen.

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