Oft habe er sich als einer der größten Popstars der Welt wie ein dressierter Affe gefühlt, sagt Robbie Williams. Regisseur Michael Gracey zeigt ihn im musikalischen Biopic „Better Man“ genau so, als Affen. Dieser dreiste Kunstgriff und Williams Mut, seine dunkelsten Stunden zu offenbaren, erlauben dem Film ungeahnten Tiefgang. Warum das gelingt, erklärt Gracey im Gespräch mit News
Sie haben ursprünglich ein Treffen mit Robbie Williams nur eingefädelt, weil er Ihnen helfen sollte Hugh Jackman von den Songs in „The Greatest Showman“ zu überzeugen. – mit Erfolg. Dann hat er Ihnen sein Leben erzählt. Was an seiner Geschichte hat Sie derart fasziniert, dass Sie gegen viele Widrigkeiten diesen Film umsetzen wollten?
Eine gute Frage, weil es viel schwieriger war als ich dachte! Ich glaube, man beginnt alle Projekte mit einer gesunden Portion Naivität und Selbsttäuschung. Als Filmemacher liebt man großartige Geschichten und an der Art, wie Rob mir aus seinem Leben erzählt hat, war etwas Wundervolles. Wir haben eineinhalb Jahre nur geredet und die Gespräche aufgenommen. Damals wollte ich noch gar keinen Film daraus machen. Große Teile seiner Erzählstimme im Film stammen aus diesen Original-Gesprächen. Sie haben eine spezielle Intimität. Als Filmemacher sucht man Geschichten, mit denen sich die Menschen identifizieren können. Wir wissen nicht, wie es ist vor 125.000 Menschen auf der Bühne zu stehen, aber wir alle kennen das Gefühl, ein Außenseiter zu sein. Das Bedürfnis nach der Anerkennung der Eltern. Die bedingungslose Liebe eines Großelternteils. Das sind die Zutaten, die seine Geschichte nachvollziehbar machen. Dann ist da der Blick in den Spiegel, der uns unsere Fehler zeigt, das Gefühl der Selbstverachtung. Sowohl Robs äußeres Leben als auch sein Innenleben sind unglaublich berührend.
Robbie Williams bringt ein reiches Repertoire an Hits mit. Wie sehr haben diese Songs Ihre Entscheidung beeinflusst, diesen Film zu machen?
Sie sind Fluch und Segen zugleich. Wenn man ein Musical wie "The Greatest Showman" schreibt, hofft man, dass die Songs die Menschen berühren und schreibt sie so lange um, bis man glaubt, dass sie funktionieren. Bei Robbie haben uns Millionen von Menschen, die seine Alben besitzen gesagt, welche Songs Hits sind. Das zu wissen, ist ein Vorteil. Die Herausforderung ist, dass das Publikum seine eigenen Erinnerungen an diese Songs hat. Es verbindet damit schöne Momente, traurige Momente, viele persönliche Erinnerungen. Meine Aufgabe als Filmemacher war es, diesen Songs einen neuen Kontext zu geben. Wenn das gelingt, denken die Zuschauer bei den Songs künftig an die Schlüsselmomente im Films. Dann ist es uns gelungen den Songs eine neue Kraft und Bedeutung verleihen.
"Better Man" ab 2.1.2025 im Kino
Ihr Film bringt fast jeden und jede im Publikum zum Weinen. Wie erklären Sie sich diese emotionale Reaktion, insbesondere da Robbie Williams als Affe dargestellt wird. Hätte die Emotion ohne diese Abstraktion vielleicht gar nicht funktioniert, weil sie erst den unverstellten Blick auf die Geschichte ermöglicht?
Ohne Frage. Zudem gibt es etwas in der menschlichen Natur, das uns dazu bringt, Mitgefühl für leidende Tiere zu empfinden. Das gilt auch für diese kleine Affenfigur, die schmerzhafte Lebenssituationen durchmacht. Tiere haben eine Unschuld, die uns tief berührt. Manche Szenen – ein Affe, der Kokain nimmt – sind einfach schwer anzusehen, völlig unglamourös und fühlen sich falsch an. Diese Wirkung war nur zur Hälfte geplant, ihre andere Hälfte haben wir selbst während der Arbeit entdeckt.
Williams und Gracey erklären: Warum ein Affe als Star?
Gab es etwas an Robbie Williams Biografie, das Sie besonders schockiert hat?
Es gab viele Geschichten, die wir nicht in den Film aufnehmen konnten – einige waren wunderschön, andere düster. Das Kraftvollste war, dass Rob mir erlaubt hat, die dunkelsten Momente seines Lebens auf die Leinwand zu bringen. Es ist ein Ausmaß an Ehrlichkeit, das man in musikalischen Biografien selten findet. Ich war mir sicher, dass es Szenen geben würde, die Rob im Drehbuch zwar abgesegnet hatte, aber später auf der Leinwand nicht mehr ertragen würde. Es war die nervöseste Erfahrung meines Lebens, neben ihm zu sitzen, als er den Film das erste Mal sah. Er hat keine einzige Szene verändert. Das war unglaublich mutig.
Sie zeigen auch das intime Erlebnis, als Nicole Appleton entschied, das gemeinsame Kind nicht zu bekommen. Wie haben Sie diese Entscheidung gemeinsam getroffen?
Rob hat sofort klar gemacht, dass es diese Szene im Film nur geben kann, wenn Nicole damit einverstanden ist. Natürlich. Es ist eine sehr persönliche Geschichte. Ganz früh habe ich Nicole daher die Idee erzählt, bin mit ihr das Drehbuch durchgegangen, habe ihr die Tanzproben gezeigt, erklärt, wie wir die Geschichte erzählen wollen. Sie war großartig. Sie war großzügig, offenherzig und wundervoll in der Zusammenarbeit, damit wir diese Geschichte erzählen konnten, die so entscheidend war an diesem Punkt in Robs Leben.
Robbie Williams sagte, dass er sich nach diesem Film wie ein völlig neuer Künstler fühlt. Sind Sie sich dessen bewusst, welchen Einfluss Ihre Arbeit auf sein Leben hatte?
Wenn man so etwas erschafft, kann es hilfreich sein oder auch verletzen. Wenn der Film weiterhin so liebevoll aufgenommen wird wie bisher, ist das für Rob ein unglaubliches Gefühl. Das Gefühl, für das er lebt. Würde der Film nicht so angenommen, würde er es persönlich nehmen, denn es ist unglaublich mutig sich so intim zu zeigen.
Disney bringt ihren Debütfilm "The Greatest Showman" bald als Musical an den Broadway. Man hört, Sie überlegen auch "Better Man" als Musical auf eine Bühne zu bringen. Wie sieht es damit aus?
Ja, ich habe eine Vision davon, wie diese Geschichte auf der Bühne aussehen könnte, und die Vorstellung ist unglaublich aufregend. Die tragenden Elemente des Films, würden sich auch auf einer Theaterbühne gut umsetzen lassen. Die Geschichte hat Theatralik, viele Sequenzen sind inszeniert wie im Theater. Es erinnert mich daran, als wir die erste Lesung für The Greatest Showman gemacht haben, nur mit ein paar Schauspielern, Justin am Klavier, ein paar Musikern und Sängern. Das war der Moment, als ich Gänsehaut hatte und wusste, dass es funktionieren würde. Und, ja, ich denke, "Better Man" hat dieselbe DNA.
Michael Gracey
geboren 1976 in Melbourne, Australien, arbeitete als Visual- Effects-Experte und Regisseur für Musikvideos und Werbespots. Am Film-Regiedebüt „The Greatest Showman“ (2017) mit Hugh Jackman, Michelle Williams, Zendaya und Zac Efron feilte er sieben Jahre, es war oscarnominiert und gewann einen Golden Globe (Bester Filmsong). 2019 war er Produzent des Elton-John-Biopics „Rocketman“.
Robbie Williams
geboren 1974 in Stoke-on-Trent, England, begann seine Karriere 1990 mit der Boyband Take That. Nach Alkohol- und Drogenexzessen flog er aus der Band und startete 1995 die Solokarriere. Hits wie „Angels“ und „Feel“, ein Rekordvertrag mit EMI über 127 Millionen Euro und ausverkaufte Tourneen machten ihn zum stilprägenden Ausnahmekünstler. Seit 2010 ist er mit Ayda Field verheiratet, das Paar hat vier Kinder.
Der Film "Better Man" – ab 2.1.2025 im Kino
Regisseur Michael Gracey erzählt im Musikfilm von Robbie Williams sagenhaftem Aufstieg und lebensbedrohenden Abstürzen mit Take That und als Solokünstler. Williams, gespielt von Jonno Davis, wird durch CGI-Maske als Affe dargestellt. Eine kühne Idee, die das Genre der Musik-Biopics revolutioniert.
Fun Facts:
* Ein halbes Jahre lang hatte Michael Gracey für die Tanzszene auf der Londoner Regent Street um eine Drehgenehmigung gekämpft. Viel Geld und Zeit war in die Vorbereitung investiert worden. Dann starb die Queen und der Dreh musste gestrichen werden. Gracey musst von vorne beginnen und eine neue Finanzierung für die Szene finden und deren Relevanz aufgrund der hohen Kosten rechtfertigen. Es dauerte ein halbes Jahr, bis sie schliesslich gedreht werden konnte.
* Jonno Davis, der Robbie Williams darstellt im Affenkostüm aber unkenntlich bleibt, ist am Ende des Films in der Szene, die das Konzert in der Royal Albert Hall zeigt, im Publikum applaudierend zu sehen.
* Michael Gracey lernte Robbie Williams nur durch Zufall kennen: Hugh Jackman sprach beim Dreh zu "The Greatest Showman" immer wieder von Williams Bühnenpräsenz, war sich aber unsicher, ob die Lieder zum Film gut genug waren. Gracey wollte, dass Williams den Schauspieler von den Songs überzeugt. Die Tochter von Graceys Anwalt war zum Glück mit Williams Ehefrau Ayda befreundet, diesen Kontakt nutzte der Regisseur.