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Antonia Riederer: „Ein Bild darf auch einfach mal ein Bild sein“

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©©Osama Rasheed
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Es ist die Herausforderung der Farbigkeit, der sich die Künstlerin Antonia Riederer in ihren expressiven Bildwelten stellt. Im steten Dialog mit der Leinwand entstehen – bestrebt nach Harmonie – malerische Kompositionen zeichnerischen Ursprungs.

Enjoy the Silence – dröhnt Depeche Mode aus den Lautsprechern. Von „silence“ kann hier wahrlich keine Rede sein. Denn die Synthiepopklänge sind Inbegriff des Gegenteils. Visuell ist Antonia Riederers Atelier, ein unmittelbarer Anbau an die Wohnräumlichkeiten, jedoch ein Ort der Ruhe. Wie ein Bilderrahmen fassen die großen Fensterflächen das von herbstlicher Palette gezeichnete, oberösterreichische Landschaftsmotiv. Die Sonne, die sich zusehends ihren Weg durch den grauen Nebelvorhang bahnt und die Kontur des Dachsteinmassivs am Horizont immer deutlicher werden lässt, bringt das Gold der Jahreszeit zum Glühen. Ein Glühen, das sich im Inneren des Ateliers fortsetzt und in den an den Wänden hängenden und lehnenden Arbeiten wiederfindet: Denn Riederers Œuvre brilliert mit leuchtender Farbexpressivität. Aufdringlich? Keineswegs. Das Streben nach Harmonie ist eine bedeutende Konstante im Schaffensprozess. Ebenso wie laute Musik. „Strenge Töne für harmonische Bilder“, rechtfertigt Riederer scherzhaft ihre musikalischen Präferenzen.

Noch einmal dreht sie am Regler, ehe sie sich an die Arbeit macht. Dave Gahan singt nun noch eine Spur lauter. Nur für sie. Ein Privatkonzert. Getanzt wird dazu mit dem Pinsel. Und gemalt in Wollsocken aus großmütterlicher Produktion – auch sie sind fixer Bestandteil der Routine.

Atelierbesuch: Die Künstlerin im Portrait

© VGN | Osama Rasheed

Mit Mut zur Farbigkeit

Ihrer Routine, der drei Jahrzehnte an Vorarbeit, an künstlerischer Genese, zugrunde liegen. Drei Jahrzehnte des stetigen Wandels, der bei chronologischer Betrachtung Riederers Arbeiten sichtbar wird. Sogleich fällt ihr immerwährendes Bekenntnis zur Farbigkeit ins Auge. Ein bunter Faden, der sich durch ihr Œuvre zieht und bis in ihre künstlerischen Anfangsjahre an der Kunstuniversität in Linz zurückreicht. Wenngleich damals deutlich zurückhaltender, als heute: „Farben spielen in meinem gesamten Leben schon immer eine zentrale Rolle – in meiner Arbeit haben sie mit den Jahren an Bedeutung und damit an Intensität gewonnen“, so die Künstlerin, die bereits in jungen Jahren das Zeichnen für sich entdeckt hat.

Wichtig war und ist ihr dabei die Gewichtung der Farben zueinander. „Entsteht ein harmonisches Gesamtbild, haben Farben eine immense Wirkung – man denke an das Aufblühen der Natur im Frühjahr. Diese positive Energie möchte ich mit meiner Arbeit in die Welt hinaustragen.“ Gut, dass auch das oberösterreichische Landschaftsmotiv vor ihrem Fenster stetigem Wandel unterliegt.

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In ihren Arbeiten schafft Antonia Riederer eine moderne Interpretation gängiger Motive der klassischen Malerei.

 © ©Antonia Riederer

Expressiv, abstrakt, figurativ

Die klare, lasurartige Farbigkeit wird in ihren expressiven Bildwelten – an der Schnittstelle zwischen flächig-abstrakter Farbfeldmalerei und expressionistisch-kubistischer Figuration – zum Ausdrucksmittel; zur unverkennbaren Bildsprache Riederers. Welche Farben sich letztlich in ihren Werken wiederfinden, weiß die Künstlerin, die meist seriell und ohne Konzept oder Vorzeichnung arbeitet, zu Beginn des Schaffensprozesses nicht: „Ich kenne zwar das Thema, die serielle Überordnung und die Emotion, die ich transportieren möchte, was zu einem gewissen Grad eine Richtung vorgibt – die finale Farbwahl passiert aber während der Arbeit.Dabei beginne ich stets mit einer weißen Leinwand, auf die ich die erste Farbfläche setze. Dann ergänze ich um eine Kontur, ehe die nächste Farbe folgt.“

Die Farbe selbst entsteht dabei im Moment; gemischt auf einer großen Palette. Ohne genauer Rezeptur. Dafür mit Gefühl. Das Ergebnis: stets ein unterschiedliches. Kein Rot gleicht dem anderen.

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IN POSE, Acrylfarbe auf Leinwand, 140 x 99,5 cm, 2024

 © ©Antonia Riederer

In der Komposition verhaftet

Die Komposition ist Ergebnis des Prozesses: „Meine Kunst ist stets Reaktion auf den jeweils aktuellen Ist-Zustand auf der Leinwand“, so Riederer. Ihr wohl treuster Begleiter: der Zufall. „Durch das Ungeplante entsteht eine gewisse Spontanität, die für das Spannungsfeld im Ergebnis essenziell ist, aber umso mehr voraussetzt, dass das Handwerk, der Strich, sitzt“, erklärt sie. Und der ist neben harmonischer Buntheit von zentraler Bedeutung: Neben der Kraft der Farbe geht es Riederer um jene der reduzierten, fließenden Linienführung; der exakten Kontur.

Die – trotz gewagter Farbwahl – ihr Werk kennzeichnende Reduktion ist Resultat dieses klaren, präzisen Pinselstriches. Die kleinen, filigranen Tuschezeichnungen, die in ihrem Atelier zurückhaltend zwischen den farbigen Leinwänden hängen, entstehen während des Malprozesses. Sie schulen die Handbewegung und damit den Strich. „Letztlich entspringt meine Malerei der Zeichnung“, erklärt sie. Die Grundlagen dafür erarbeitete sie sich in der Aktklasse: „Das Aktzeichnen schult im Sehen und Betrachten von Körper oder Gegenstand und lehrt, Gesehenes auf den Malgrund zu übertragen.“

Diese Form des genauen Wahrnehmens spielt bei Riederers Motivwahl eine entscheidende Rolle – in der Komposition verhaftet, sieht sie in ihrer modernen Interpretation klassischer Motive die für sich größte Herausforderung und malt seriell Köpfe, Körper, Landschaften und Stillleben. Inspiration findet sie in persönlichen Themen; im unmittelbaren Umfeld. „Ich male ausschließlich Motive, die mich selbst positiv stimmen – als Künstlerin habe ich glücklicherweise die Wahl.“

Meine Kunst ist stets Reaktion auf den jeweils aktuellen Ist-Zustand auf der Leinwand.

Künstlerische Genese

Und doch bedarf es von Zeit zu Zeit eines Tapetenwechsels, um künstlerisch nicht an der Stelle zu treten. Denn der Wandel, die Genese in der Kunst, ist ein nie endender Prozess. „Es geht um stetige Weiterentwicklung, neue Fragestellungen und Blickwinkel“, so Riederer. Erst im September residierte sie – gemeinsam mit ihrer Künstlerkollegin Marie Ruprecht – auf Einladung des Landes Oberösterreich für einen Monat im Schloss Weinberg in Kefermarkt. Einer „artist residency“, deren imposante Renaissanceornamentik unverkennbare Spuren in Riederers Arbeiten hinterlassen hat.

Die rhythmisch angelegten Stuckdecken waren Inspiration für schwungvolle Linien und die herrschaftlichen Portraits samt ihrer wallenden Gewänder Impuls für ein Neudenken ihrer Figuration. „Gerade historische Orte haben eine Atmosphäre, eine Aura, die man in modernen Bauten meist vergebens sucht. Man ist umgeben von Geschichte und wird auf unbeschreibliche Art zu einem Teil davon und sie wiederum von einem selbst“, so Riederer.

Dabei sind Geschichten in den Arbeiten der Künstlerinnen zumeist sekundär. Ihre Botschaft: „Braucht es denn eine? Mir geht es in meiner Arbeit einzig um die Malerei, nicht per se um Geschichten oder gar tagesaktuelle Geschehnisse, die im Schaffensprozess ohnehin stets unterbewusst mitschwingen – ein Bild darf auch einfach einmal Bild sein.“ Ohne Titel, ohne Geschichte.

Steckbrief

Antonia Rieder

Beruf
Künstlerin

ist bildende Künstlerin und lebt sowie arbeitet in Prambachkirchen, Oberösterreich. Vertreten durch das Kunsthaus Wiesinger sind ihre Arbeiten in Wels sowie regelmäßig auf bedeutenden Messen im deutschsprachigen Raum zu sehen – darunter die Art & Antique in Wien und Salzburg, Art Austria, Art at the Park, Fair for Art sowie Art Karlsruhe.

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