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Andreas Babler: „Es ist nicht die Job Description, Opernexperte zu sein“

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18 min

©Bild: Matt Observe

Vom multifunktionalen SPÖ-Vizekanzler Andreas Babler etwas zur überraschenden Herzenskompetenz Kultur zu erfahren, war lange Zeit aussichtslos. Einem Gespräch mit der von ihm hoch geschätzten, Bestseller-beglaubigten Kriminal­schriftstellerin Alex Beer, geb. Daniela Larcher, war er dennoch zugeneigt.

Erleichterung, es mit keinem FPÖ-Fachminister zu tun zu ­haben, begegnete der Skepsis, als Vizekanzler Andreas Babler das Kulturressort in sein Portfolio nahm. Oft tauchte der Name der Kunststaatssekretärin Ulrike Lunacek auf: einer ­untadeligen linksgrünen Politikerin, die in der Coronazeit mangels Fachwissens von der eigenen Klientel aus dem Amt befördert wurde.

Nun empfing Babler die Fachjournalisten in Vierergruppen im Parlament. Nur News hatte sozusagen einen Einzeltermin, obwohl wir zu zweit kamen: Babler hatte zuvor die multiple Bestsellerautorin Alex Beer, geborene Daniela Larcher, eine österreichische Koryphäe im Kriminal-Genre, als Lieblingsschriftstellerin genannt.

Frau Larcher, was ist ein guter Kunstminister? Was muss er können, was muss er nicht wissen?

Larcher: Ein guter Kunstminister ist ein Minister für alle, der es schafft, dass sich so viele Menschen wie möglich für Kunst interessieren und auch die Möglichkeit haben, Kunst zu genießen und sich mit ihr auseinanderzusetzen.

In welche Detailbereiche muss er eingearbeitet sein?

Larcher: Kunst und Kultur sind ein großer Bereich, Literatur, bildende Kunst, angewandte Kunst, Oper, Theater … Das kann man nicht alles wissen. Es genügt, zu wissen, wer es weiß, und dann die richtigen Leute zu finden.

Herr Vizekanzler, was wissen Sie, und wer weiß das, was Sie nicht wissen?

Babler: Ich glaube zu wissen, wer es weiß, das genügt mir. Ich glaube nicht, dass es meine Job Description ist, ­beispielsweise Opernexperte zu sein. Ich habe in meinem Leben schon einige Opern besucht, aber meine Rolle ist eine politische: Kunst und Kultur in der möglichst breitesten Palette anzubieten, wie du es sagst, Daniela. Und sie gleichzeitig auch leistbar zu machen. Es ist eine sehr diffizile Aufgabe, über Förderungen ­alles das zu gewährleisten, auch im ­Bereich privater Initiativen.

Der große Kunstminister Scholten hat seinen Job so definiert: erstens die richtigen Leute ernennen, zweitens ihnen genug Geld geben und sie drittens in Ruhe lassen.

Babler: Das wäre mir fast zu passiv, aber er hat natürlich recht, am besten ist es, wenn man viel Geld zur Verfügung hat. Jetzt sind wir aber in einer extremen Phase, in der auch ich final verhandeln muss, wie der Beitrag ist, den wir – aufgrund der Vorgängerregierungen, um es ehrlich zu sagen – alle zu leisten haben. Geld ist ein Thema, aber mir geht es um ein Gesamtverständnis, wie ich es schon in meinem früheren Leben in Trais­kirchen versucht habe: mit dem freien Buch des Jahres, aber auch mit Volks­theatergastspielen und Kunst im öffentlichen Raum, die dann bis zur Biennale gewandert ist.

Apropos leistbar: Sie haben mir erzählt, Frau Larcher, dass Ihr Mann die Oper liebt, aber kaum Karten bekommt, und wenn, extrem teure.

Larcher: Das stimmt schon. Für eine ­Familie mit Kindern ist ein normaler Theater- oder Museumsbesuch kaum zu machen, selbst wenn man z. B. in der Oper mit viel Planung überhaupt Karten bekommt. Da geht sich schon ein Wochenendflug nach London aus. Deshalb finde ich Aktionen wie den Gratiseintritt ins Wien Museum toll.

Also herunter mit den Preisen? Aber die Bundestheater weisen doch glaubhaft nach, dass die Oper in zwei Jahren mehrere Tage pro Woche schließen muss, wenn das Budget nicht valorisiert wird. Das wird aber teuer, die Touristen zu enttäuschen, die das Haus überrennen, nicht?

Babler: Ich maße mir nicht an, jetzt eine Preisdiskussion zu führen, aber eine Entwicklung gibt es nun einmal überall im Segment. Und die 99,7 Prozent Auslastung der Staatsoper, die mir Bogdan Roscic nennt, sind fantastisch. Andererseits verweise ich auf die Volksoper, wo Lotte de Beer Schulprojekte macht und eine ganz andere Politik der Zugänglichkeit verfolgt. Gerade jetzt entsteht aus dem Projekt ein Chor, der auch selbst Aufführungen macht. Es gibt also schon eine Riesenpalette. Mit dem Angebot kann jeder zufrieden sein.

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 © Bild: Matt Observe

Weshalb haben Sie sich denn die Kultur ausgesucht?

Babler: Das war mein politischer Wunsch. Die Kultur ist eine ganz wichtige demokratiepolitische Säule unseres Staates, noch mehr als Identitätsstifter und Aushängeschild. Die Kreativ­wirtschaft bringt 45 Milliarden Euro jährlich und beschäftigt alles in allem 300.000 Menschen. Abgesehen davon, dass sich die Sozialdemokratie als kulturpolitische Organisation versteht, in deren Zentrum die Volksbildung mit dem Zugang zur Hochkultur gestanden ist.

Aber warum haben Sie kein Fachstaatssekretariat etabliert wie Kogler? Und selbst der ist mit Ulrike Lunacek böse gescheitert. Sie wurde von der eigenen linken Kulturklientel abmontiert, wesentlich von Lukas Resetarits. Ist Ihnen nicht etwas bang vor dieser lauten und verbalisierten Klientel?

Babler: Nein, ich bin sehr dafür, dass es diese lauten Stimmen gibt. Von meinem Kulturverständnis ist es sogar eine der Aufgaben, zu hinterfragen, laut und unangenehm zu sein. Widersprüche zu produzieren, ist ein politischer Zugang.

Ja, aber Lunacek war schnell weg.

Babler: Ich weiß nicht, was Sie immer mit ihr haben. Ich habe mit Lukas Resetarits jedenfalls kein Problem.

Für eine Familie mit Kindern ist ein normaler Theater- oder Museumsbesuch kaum zu machen. Da geht sich schon ein Wochenendausflug nach London aus

Alex Beer
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 © Bild: Matt Observe

Frau Larcher, als der Vizekanzler Sie in einem Krone-Interview mit Vea Kaiser als Lieblingsautorin genannt hat – waren Sie da nicht erstaunt?

Spindoktoren hätten doch eher einen Feuilletondarling mit Linksdrall empfohlen, nicht?

Larcher: Ich habe mich unglaublich ­gefreut. Plötzlich sind ganz viele Nachrichten aus allen Richtungen gekommen, alle haben mir vom Artikel Fotos geschickt. Wer möchte denn nicht von unserem Vizekanzler gelesen werden?

Babler: Und ich habe dich und Vea ­Kaiser genannt, weil euch sehr viele Menschen lesen und ihr ein Stück ­österreichischer Gegenwartsliteratur seid. Deine August-Emmerich-Reihe erzählt ja Zeitgeschichte über die Mühen der Nachkriegszeit, in die eine Krimi­handlung eingebettet ist. Und deine Charaktere sind keine Schablonen wie in vielen Krimis, sondern Menschen mit allen Widersprüchlichkeiten.

Larcher: Ich finde es total schön, dass du den Kriminalroman lobst, obwohl er im deutschen Sprachraum ausschließlich auf die Unterhaltungsschiene verräumt wird, fast schon in die Schmuddelecke. Es soll Redaktionen geben, wo man sich nicht einmal den Klappentext anschaut, wenn Krimi draufsteht. Das kommt gleich in den Kübel. Im anglo­amerikanischen Raum ist das anders. Da kannst du mit Kriminalliteratur den Booker Prize gewinnen. Bei uns ist das undenkbar.

Herr Vizekanzler, was außer Zahlen lesen Sie denn gerade?

Babler: Wahnsinnig viel Fachliteratur, Kunstgeschichte, objektbezogen auf unsere Häuser. Ansonsten bin ich derzeit ausgelastet. Aber als Ventil helfen Hörbücher, derzeit die intellektuellen, unblutigen Frederik-Forsberg-Krimis aus Schweden. Die sind für mich ein gutes Einschlafmittel.

Larcher: Ich habe die Hörbücher der Emmerich-Krimis mitgebracht. Die könnten vielleicht auch helfen.

Herr Vizekanzler, haben Sie schon die Ihnen anvertrauten Häuser besucht?

Babler: Alles, was geht. Ich habe Lotte de Beer getroffen, Bogdan Roscic, ich habe im Haus der Geschichte eine Ausstellung eröffnet und war bei Reinhold Bilgeri und im Frauenmuseum in Hittisau, ich war bei der Diagonale. Das ist derzeit eine Frage von getakteten Minuten und Stunden. Aufführungen habe ich schon länger nicht gesehen, die ­letzte Oper war der „Freischütz“ bei der Eröffnung in Bregenz.

Burgtheaterdirektor Stefan Bachmann haben Sie noch nicht getroffen?

Noch nicht. Aber Elfriede Jelineks „Burgtheater“ schaue ich mir an.

Ihr Lieblingsautor? Ein Lieblingsbuch?

Larcher: Ich verehre viele, Don Winslow zum Beispiel, weil er es schafft, spannende Kriminalhandlungen mit Zeitgeschichte zu verbinden. Ich habe noch nie so viel über den Drogenkrieg der Amerikaner erfahren wie bei ihm. Ich finde es spannend, wenn ich nicht nur Unter­haltung und Eskapismus habe, sondern nachher auch ein bisschen klüger bin.

Babler: Bei mir ist es „Germinal“ von Emile Zola.

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 © Bild: Matt Observe

Lassen Sie uns zum Kulturbudget kommen. Sind wir uns einig, dass es mit seinen 667 Millionen für 2024 im Vergleich zum Gesamten mikroskopisch ist? Viel mehr als Kultur haben wir ja im Land nicht. Kann man das Kulturbudget nicht einfach in Ruhe lassen?

Babler: Es ist 0,67 Prozent vom BIP, das im Vergleich zu Rüstungsdiskussionen. Aber mikroskopisch ist es nicht. Wenn ich die Kunstuniversitäten dazurechne, sind wir schon bei knapp einer Milliarde. Vieles ist Landeskompetenz, da sind wir schon bei der nächsten Milliarde, und mit den Gemeinden bei der dritten. Wir hatten ständig große Steigerungen, riesige beim Film. Und jetzt haben wir halt eine andere Phase, mit 6,4 Milliarden Sparbedarf heuer und 8,7 Milliarden nächstes Jahr, mehr, als wir bei der ­Finanzkrise abzuarbeiten hatten.

Was bedeutet das für die Kunst?

Babler: Dass wir uns beteiligen müssen.

Wie viel ungefähr prozentuell?

Babler: Da würde ich bis zur Budgetrede am 13. Mai noch um Geduld ersuchen.

Man sagt allgemein, zehn Prozent wären gerade noch mit Mühe zu stemmen. Sind die realistisch?

Babler: Das wäre zu pauschal beantwortet. Wir haben Bereiche, wo es geht, und Bereiche, wo wirklich nichts geht. Und es gibt auch Bereiche, wo ich sogar noch mehr Geld brauche.

Nämlich?

Babler: Da würde ich mich jetzt nicht einmal halbwegs in Versuchung führen lassen. Das wäre nicht gescheit, hier ­etwas zu sagen.

Aber ein paar Versuchungen hätte ich. Die Vertagung des Umbaus des Festspielbezirks in Salzburg, die Umbauten des Kunsthistorischen und des Naturhistorischen und des Belvederes.

Babler: In Salzburg gibt es Verträge, das haben wir kofinanziert, und der Zeitplan ist einzuhalten. Aber KHM, NHM und Belvedere mit den neuen Eingangsbe­reichen – das ist, wertfrei gesagt, eine Möglichkeit.

Frau Larcher, lieben Sie österreichische Filme?

Larcher: Absolut! Ich gehe gern zur ­Viennale und zur Diagonale, aber mit Arthouse tue ich mir oft schwer. Der ­österreichische Film ist ja häufig etwas, das man sich erarbeiten muss, und da bin ich hin und wieder zu faul dafür. Man hat ja einen langen Arbeitstag und wünscht ein bisschen Eskapismus. Aber ich gelobe Besserung!

Und Sie?

Babler: Ich habe bei der Diagonale den Film „How to Be Normal and the Oddness of the Other World“ gesehen. Der wurde auch bei der Berlinale gezeigt, wo ich auch den Kafka-Film von David Schalko gesehen habe. Wir haben eine wahnsinnig aktive Szene!

Nur die Filmschaffenden befürchten Aushungerung.

Babler: Wir haben ja heuer ein gesichertes Budget. Nur hat leider die frühere Regierung bis zur Deadline am 15. Jänner schon den Budgetrahmen für 2025 völlig ausgeschöpft. Jetzt kann ich nur sagen, dass wir die Budgetverhandlungen abwarten müssen und jeder seinen ­Beitrag leisten wird. Aber wir haben die Besteuerung von Streaminganbietern wie Netflix und Spotify im Regierungsprogramm durchgesetzt, die ein Gamechanger ist. Leider hat sich wegen der Trump’schen Zolladministration wieder eine kleine Unsicherheit ergeben.

Ich bin nicht die Medienzensurbehörde. Aber ich ziehe eine Grenze, wenn Frauen unter Substanzeneinfluss ausgebeutet werden. Als Vater einer Tochter lasse ich das nicht unwidersprochen

Andreas Babler

Frau Larcher, als der Vizekanzler die grindige ATV-Sendung „Geschäft mit der Liebe“ auf X getadelt hat – haben Sie das gebilligt?

Larcher: Doch, da bin ich als Frau und als Feministin dafür. Ich kann da nur zustimmen.

Und wenn dereinst der Volkskanzler Kickl sagt, der Wiener Aktionismus gehört weggeräumt – haben Sie ihm mit Ihrer Einlassung nicht die Legitimation dazu gegeben?

Babler: Moment! Ich bin ja nicht die Medienzensurbehörde! Die KommAustria – die tatsächlich Sanktionen verhängen kann – ist weisungsfrei und ich würde sie nie beeinflussen. Aber als Politiker und Feminist eine Grenze zu ziehen, wenn Frauen unter Substanzeneinfluss sexuell ausgebeutet werden – so etwas würde ich auch als Vater einer Tochter nicht unwidersprochen lassen. So wie auch die anderen Parteien mit Ausnahme der FPÖ. Mit Zensur hat das nichts zu tun. Die erleben wir gerade in der Steiermark, mit der politischen Umfärbung von Kuratorien und engster politischer Definition, was Kultur sein darf.

Wissen Sie, was sich viele stattdessen gewünscht hätten? Ein ebenso klares Bekenntnis zum RSO und zu ORF III, dem einzigen Kultursender im Land.

Babler: Ich bin Medienminister, und es ist nicht meine Aufgabe, dem ORF seine Einsparungen zu diktieren. Ich habe dem Generaldirektor Weißmann in ­einem persönlichen Gespräch meinen ­Zugang mitgeteilt, was ich politisch für gut finden würde: die völlige Breite zu wahren, vom RSO bis zu FM4.

Mir ist aber nur ein definitives Bekenntnis zu FM4 in Erinnerung.

Babler: Das ist verkürzt dargestellt worden. Der ORF muss sparen, dafür haben wir die Haushaltsabgabe außer Streit gestellt. Aber Sparen kann nicht heißen, spartenmäßig abzudrehen und die ­Breite zu verkleinern.

Und das RSO?

Babler: Hat ein Budget von 10,5 Millionen. Das wird sich der ORF mit seinem Milliardenbudget leisten können. Außer­dem ist es bis 2026 gesichert.

Würden Sie mir jetzt, so deutlich, wie Sie zu ATV geworden sind, sagen: „Ich bin dafür, dass RSO und ORF III bleiben“?

Babler: Ich würde bei der Formulierung bleiben, dass es eine möglichst große Breite geben soll. Die Formulierung ist klar genug.

Dann lassen Sie uns zum Schluss kommen: Frau Lunaceks erste Amtshandlung war eine Stellungnahme gegen Peter Handke. Was hätten Sie denn da gesagt?

Babler: Es steht mir so wie jedem Menschen zu, eine persönliche Wertung abzugeben. Aber historisch zu bewerten, ob es gescheit war, dass Frau Lunacek das gesagt hat, das steht mir nicht zu. Das war ihre Entscheidung.

Frau Larcher, hätten Sie ein Problem mit politischen Äußerungen eines Künstlers?

Larcher: Das kommt auf die politische Äußerung an. Ich bin prinzipiell wahnsinnig tolerant. Ich bin aber auch jemand, der nicht zu jedem Thema eine Meinung haben muss. Das gilt auch für das Handke-Thema. Wir leben in Zeiten von Social Media, wo jeder glaubt, er muss zu allem seinen Senf dazugeben. So bin ich nicht. Ich habe vielmehr ­Demut und bin mir durchaus bewusst, dass ich vieles nicht weiß und in vielen Dingen keine Kompetenz habe.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 18/25 erschienen.

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