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Anders Indset: Erfolgreich wie die Wikinger

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Anders Indset: Erfolgreich wie die Wikinger

©Jeff Mangione / KURIER / picturedesk.com
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Wer nachhaltigen Erfolg sucht, muss einen tiefgehenden Blick nach Norwegen wagen. Das sagt Wirtschaftsphilosoph Anders Indset. Sein „Wikinger-Kodex“ weist Führungskräften den Weg zu Spitzenleistungen der Marke Erling Haaland

In nietenbesetzter Lederjacke, Schlangenlook-Hose und mit dicken Silberringen an den Fingern wird Anders Indset mit seinem langen, dunklen Haaren in seiner Welt schnell zum Aufmerksamkeitsmagnet. Was in Kellerlokalen bei lauter Rockmusik nicht weiter auffallen würde, ist bei Treffen der Wirtschaftselite ein Wellenbrecher im Meer teurer Maßanzüge. Anfang Jänner war der 45-jährige Norweger der auffälligste Gast beim Weltwirtschaftsforum in Davos.

Mit Blick auf Indsets Thesen ergibt sich ein stimmiges Bild, denn der Wirtschaftsphilosoph postuliert die Kraft der Befreiung und hat es sich zur Aufgabe gemacht, vermeintliche Selbstverständlichkeiten grundlegend in Frage zu stellen. Der deutsche Betriebswirtschaftler Karlheinz Schwuchow, Professor für Internationales Management an der Hochschule Bremen, hält Indsets Prognosen für ein „Must-read“. Drei Bücher des gern als „Rock-’n’-Roll-Plato“ bezeichneten Vordenkers, „Wildes Wissen“, „Quantenwirtschaft“ und „Das infizierte Denken“, rangierten in der „Spiegel“-Bestsellerliste und wurden in mehr als zehn Sprachen übersetzt.

Das Ranking der führenden globalen Wirtschaftsdenker, Thinkers50, zeichnete den gefragten Keynotespeaker bereits 2018 als „Thinker of the Month“ aus. Indset möchte einen Paradigmenwechsel in Management- und Leadershippraktiken herbeiführen und lässt dabei keinen Stein auf dem anderen. Aktuell rät er allen, die Erfolg suchen, zur eingehenden Beschäftigung mit seiner norwegischen Heimat.

Erfolg hat ein Zuhause: Norwegen

Kaum ein Land bringt aktuell so eine hohe Dichte an Spitzenathleten aus unterschiedlichen Sportarten hervor wie Norwegen, zeigt Indset auf. Im Fußball dominiert Erling Haaland, Karsten Warholm in der Leichtathletik, Tennisspieler Casper Ruud und Golfer Victor Hovland sind herausragend in ihren Metiers. Dazu kommen herausragende Leistungen in den Bereichen Wirtschaft, Finanz und Technologie wie vom Gründer der Lernplattform Kahoot!, Johan Brand, der damit in über 200 Ländern acht Millionen Lehrer erreicht. Sondre Rasch hat mit einer Krankenversicherung für digitale Nomaden reüssiert. Nikolai Tangen, der als Chef des Norges-Bank-Investmentmanagements mit dem norwegischen Staatsfonds den größten Staatsfonds der Welt überwacht, nennt der Autor den „modernen Wikinger“. Die Wurzeln dieser Erfolge liegen im „Wikinger-Kodex“, sagt Anders Indset, der sich auf 280 Seiten im gleichnamigen Buch aufmacht, diese zu ergründen.

Das Buch:
In „Der Wikinger-Kodex. Warum die Norweger so erfolgreich sind“ * beschreibt Anders Indset die Wurzeln norwegischer Erfolge und was Führungskräfte in Wirtschaft und Politik sowie die Gesellschaft als Ganzes vom Wikinger-Kodex lernen können (Econ).

WIKINGER KODEX – Warum Norweger so erfolgreich sind: Was wir von einer Leistungskultur lernen können, die klar in Werten verwurzelt ist

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Spielen statt Leistung macht stark

Grundsätzlich ist Norwegen, so Indset, kein Land, das besonders viel Wert auf Leistung und harte Arbeit legt, sondern lieber Wohlbefinden, Freiheit und das Miteinander zelebriert. Der Philosoph erklärt, warum das kein Widerspruch ist:

„Das Leben, wie es hierzulande Usus ist mit dem strukturierten Streben nach messbarem Fortschritt durch harte Arbeit und Technologie, wird rasch ermüdend, weil der spielerische Ansatz fehlt. Spielen und diese Freiheit, die damit einhergeht, werden mit Risiken verbunden und für zu wenig ernsthaft gehalten. In Norwegen hat die spielerische Aktivierung auf vielen Ebenen einen hohen Stellenwert. Aktivität, nach draußen zu gehen, ist wesentlicher Bestandteil der Gesellschaft von Kindesbeinen an. Leistung wird spielerisch und im Kollektiv mit anderen erlebt und beflügelt dadurch ganz andere Seiten in der Entwicklung. Es wird durch freiwillige, bewusste, spaßbetonte Anpassung an eine Umgebung gelernt statt durch Diktat und Disziplin. So entwickeln sich völlig andere und vor allem viele verschiedene Facetten im Menschsein, die später zu messbaren Erfolgen führen.“

Junge Menschen profitieren beim Aufwachsen von dieser Vielfalt an Facetten in ihrem Werkzeugkasten, statt vom Fokus auf Expertentum begrenzt zu werden. Adaptionsfähigkeit, Resilienz und Durchhaltevermögen werden geschult, um der Dynamik des Lebens zu begegnen und Außerordentliches aus sich herauszuholen.

Diese Aktivierung durch viele verschiedene Aktivitäten und der Glaube, dass man als Einzelner profitiert, wenn das Kollektiv Fortschritte macht, nennt Indset wesentliche Säulen des norwegischen Erfolgs.

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MODERNER WIKINGER Nicolai Tangen, Chef des Norges-Bank-Investmentmanagements

 © Stian Lysberg Solum / NTB / picturedesk.com

Ein Werkzeugkasten voll Stellschrauben

Der norwegische Ort Røros, in dem Indset aufgewachsen ist, ist auf 630 Metern Seehöhe Norwegens einzige Bergstadt nahe der Grenze zu Schweden. Berge, Flüsse, Seen und Moore prägen die Landschaft und fordern zum Draußensein auf. Indset wuchs mit täglichem Sport in der Natur auf: Fußball, Handball, Biathlon, Langlau- fen, Skifahren, teilweise drei bis vier Trainingseinheiten am Tag. „Wir mussten alle mehrere Sportarten betreiben, sonst hätte wir keine Mannschaft aufstellen können“, erzählt er, wie Elemente des Wikinger-Kodex ihn persönlich prägen. „Ich liebe es bis heute, früh aufzustehen, in der Natur und aktiv und handlungsfähig zu sein. Das ist mein Werkzeugkasten, der mir in die Wiege gelegt wurde.“

Die Suche nach einfachen Wahrheiten ist eine Faulheit im Denken, die Konsequenzen hat

Als weitere Komponente seines Kodex nennt er starke männliche Vorbilder, Väter oder Trainer, die wie bei Weltrekord-Leichtathlet Karsten Warholm und Trainergenie Leif Olav Alnes durch eine prägende Beziehung Höchstleistungen initiieren. Indset selbst erlebte dieses tragfähige Vertrauen durch seinen Vater, der beim Sport stets dabei war.

Dann ist da noch das typisch norwegische Aufwachsen mit Dugnad, dem freiwilligen Arbeitseinsatz zum Wohle der Gesellschaft, der in Norwegen zum Leben gehört. Dabei geht es darum, für andere da zu sein, ohne dass sich direkt eine Gegenleistung daraus ergibt. „Auch diese Erfahrungen haben mich stark geprägt“, sagt Indset. Im Wikinger-Kodex entschlüsselt er Dugnad als maßgeblich für norwegische Höchstleistungen.

Dynamik statt Kategorien

Der Wikinger-Kodex versteht sich nicht als modulares Konzept. Vielmehr geht es Indset darum, eine ganzheitliche Entwicklung aufzuzeigen und anzustoßen. Einen Zehn-Punkte-Plan zum besseren Denken und Leben will der Vordenker ganz bewusst nicht aufstellen.

„Klar brauchen Menschen Kategorisierungen als festen Boden unter den Füßen. Aber im philosophischen Denken wissen wir nichts fundemental, alles beruht auf Annahmen. Hier ergibt jede Kategorisierung für mich ein Hinterfragen: Warum diese Kategorie? In Wahrheit spielen viele Themen ineinander, und so funktioniert auch unsere Welt, als lebendiges System. Wir können Zukunft nicht kalkulieren und linear vorhersagen, deshalb muss man die Stellschrauben, die facettenreiche Fülle an Themen, die mitspielen, kennen“, erklärt Indset sein Buch.

Dass der Mensch einfache Antworten suche, sei klar, sagt er, doch hätte uns die Technologie betreffend definierte Lösungen ohnehin längst überflügelt. Indset: „Die Suche nach einfachen Antworten ist eine Faulheit im Denken, die Konsequenzen hat. Deshalb dominiert in meinen Werken eine Dynamik, eine Interdependenz, es sind holistische Werke.“

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WELTKLASSETENNISSPIELER Caspar Ruud, Nummer elf der Weltrangliste

 © ALFREDO ESTRELLA/AFP via Getty Images

Mikroambitionen wirken besser

Der Weg des Business-School-Abbrechers, der als Handballprofi nach Deutschland zog, um die Sprache zu lernen und deutsche Philosophie in ihrer Muttersprache lesen zu können, zeugt- zudem vom Erfolg des Prinzips der Mikroambitionen. Er gründete eine Werbeagentur, spielte in Norwegens Nationalmannschaft und der zweiten Bundesliga, bevor er weiterzog, um sein Global Institute of Leadership and Technology zu gründen, das auf Führungskräfteseminare spezialisiert ist. Später wurde er Gründer des Wagniskapitalunternehmens Njordis Group in Norwegen und Leiter des von ihm gegründeten Quantum Economy Institutes sowie Mitinhaber und Initiator der Global Blockchain Initiative. Mit seiner Frau und seinen zwei Töchtern lebt er heute in Frankfurt. Viele Schritte, die unterteilt waren in Mikroambitionen, bevor sie hochkarätig wurden.

Mikroambitionen vermitteln ein Gefühl des Erfolgs und treiben einen motivierter voran
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AUF DER SUCHE NACH DEN BESSEREN PROBLEMEN findet sich der Fortschritt, sagt der Wirtschaftsphilosoph. Er wünscht sich eine wertebasierte Leistungskultur

 © Alex Kraus

Der Begriff Mikroambitionen ist wesentlicher Bestandteil des Wikinger-Kodex und meint, sich auf erreichbare Ziele zu konzentrieren. Zusammengefasst summieren sich diese zu bedeutenden Leistungen. Das funktioniert deshalb besser als überhöhte Ambitionen, weil das regelmäßige Erreichen kleinerer Ziele kontinuierliche Vertrauens- und Motivationsschübe mit sich bringt. Indset: „Jede erreichte Mikroambition vermittelt ein Gefühl des Erfolgs und treibt einen motivierter voran.“

Dazu zählt auch das bewusste Wahrnehmen des Fortschritt, denn nur dann sei dieser befriedigend, und Leistung werde dauerhaft als etwas Schönes erlebt, so der Autor.

Wikinger im Management

Geht es um Leadership, kommt aus dem Wikinger-Kodex zuvorderst die Nachhaltigkeit einer kollektiven Leistung zum Tragen. Einen erfolgreichen Leader beschreibt Indset als aktiven Gestalter, der versteht, dass er erfolgreich ist, wenn im Team etwas erzeugt wird, das größer ist als die Summe seiner Einzelteile. Dass es dazu Personen benötigt, die manches besser können als der Chef, ist Teil des Erfolgs und wird dennoch oft ängstlich vermieden.

„Dass ich mich mit Menschen umgebe, die besser sind als ich, mit denen ich mich messen und lebendig an Themen arbeiten kann, halt ich für substanziell wichtig“, sagt Indset in Richtung der Management-Ebenen. „Wenn ich Vertrauen in das Kollektiv habe, kann ich auch glänzen und als Folge des gemeinsamen Erfolges herausstechen.“

Ein weiterer Appell geht an alle, die glauben, alles zu wissen. Die Zeit der raschen, absoluten Lösungen in der Managementwelt hält Indset für passé. Für entscheidende Fortschritte ist es nötig, sich von alten Selbstverständlichkeiten zu befreien. Probleme wollen eingehend betrachtet werden, um sie in ihrer Komplexität zu erfassen. Das braucht Zeit statt schnelle, absolute Lösungen.

„Wenn wir ein besseres Verständnis für das Problem haben, können wir das Problem zu einem besseren Problem machen“, sagt Indset. „Besseres Problem“ ist sein Schlagwort für eine Entwicklung, die einen echten Wandel mit sich bringt statt eine schnelle Lösung. Es bedingt, dass Leadership den „komplexen Tanz des Lebens“ versteht, in dem nicht alle Probleme gleich beschaffen sind. In Indsets Wertekanon sind „bessere Probleme“ nicht nur größere Herausforderungen, sondern auch Marker des Wachstums, und ihre Existenz ist Zeugnis des Fortschritts.

Die digitale Demokratie

Manch einer in Landesverantwortung mag sich an Indsets Gedanken betreffend die Zukunft von Nationalstaaten verschlucken. Spinnt man digitale Realitäten philosophisch in die Zukunft, besteht die Möglichkeit, dass technologische Interessengemeinschaften und Netzwerkstaaten ganze Nationalstaaten obsolet machen. Der US-Serienunternehmer Balaji Srinivasan hat zu dem Thema das Buch „The Network State: How To Start a New Country“ veröffentlicht, für Menschen mit Interesse daran, neue Gemeinschaften und Parallelgesellschaften im digitalen Raum zu gründen, zu finanzieren und aufzubauen.

Nicht nur für die rund 72 Millionen US-Amerikaner, die laut dem „Digital Nomads Report“ von MBO Partners in den nächsten drei Jahren digitale Nomaden werden möchten, könnte dies interessant klingen: Teil eines lokalen Geschehens sein und gleichzeitig globaler Weltbürger.

„Wenn Influencer beginnen, Start-up-Gesellschaften zu gründen, könnte der Staat unter Druck geraten“, formuliert Indset im Buch spitz. Fußballstar Cristiano Ronaldo liefert ein anschauliches Beispiel: Würden 14 Prozent von Ronaldos 600 Millionen Followern mit ihm in ein hypothetisches „Ronaldanien“ ziehen, ergäbe dies ein Land, so groß wie Deutschland.

Wikinger in der Politik

Mögen sich politisch Verantwortliche aus dem Werkzeugkasten des Wikinger-Kodex bedienen, rät Anders Indset, zu lernen, die Welt in endlichen und unendlichen Spielen zu denken. Dabei bezieht er sich auf das Buch des Theologen James P. Carse, der endliche Spiele beschreibt, die ein Ende haben und mit dem Ziel gespielt werden, zu gewinnen, während unendliche Spiele kein Ende haben und mit dem Ziel gespielt werden, das Spiel aufrechtzuerhalten.

„Dass ein Politiker im Wahlkampf gewinnen will, ist verständlich. Aber im Moment wird leider jedes Thema in der Politik mit dem Ziel des Gewinnens gespielt. Es heißt nur noch ‚wir gegen die anderen‘. Hier ist der Gestaltungswille, das unendliche Spiel verlorengegangen. Dabei muss gerade das Regieren eine Unendlichkeit haben, denn es geht um die Basis für zukünftige Generationen.“ Wenn Themen wie die Unterstützung der Ukraine zum politischen Machtkampf genutzt werden, spielen wir endliche Spiele mit unserer Zukunft.“

Politiker sollten sich zukunftsfit machen, indem sie lernen, das unendliche Spiel in den Vordergrund zu stellen, bei dem es um den Fortbestand der Menschheit geht, rät Indset. Dass es in Wahlkämpfen dazwischen um endliche Spiele gehe, sei klar. Das erfordere Wendigkeit im Denken: „Diese Art des Denkens in Kurzfristigkeit und Langfristigkeit und diese Ambiguitätstoleranz zu leben, halte ich in der Politik für sehr wichtig.“

Wikinger im Exil

Als Anders Indset einst seine Handballkarriere beendete, verkaufte er auch seine Firma, ohne einen neuen Plan zu haben. So funktioniert seine „fortschrittsgewandte Lebensphilosophie“, wie er sie nennt. „Ich habe nicht gesucht, was ich will. Sondern ich habe losgelassen, was nicht mehr sein sollte, und mich befreit. Damit versetze ich mich in eine Lage, dass ich von Glückseligkeit getroffen werden kann“, beschreibt er den persönlichen Weg zum Erfolg. Der klappt auch fernab Norwegens in Frankfurt am Main.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 10/2024 erschienen.

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