Er hat mit seinen Jaques-Lemans-Uhren ein Vermögen gemacht - und in alte Steine investiert: Um die Zeit zu stoppen, hat der Kärntner Alfred Riedl Burg Taggenbrunn vor dem Verfall gerettet. Und im Unternehmen beginnt mit Sohn Andreas eine neue Zeit
Steckbrief Alfred Riedl
Name: Alfred Riedl
Geboren in: Kärnten
Wohnort: St. Veit an der Glan, Kärnten
Ausbildung: Elektrotechniker-Lehre
Beruf: Unternehmer, Gründer der Jacques Lemans GmbH
Nachfolger: Sohn Andreas Riedl
Manche Leistungen schafft man normalerweise erst, wenn man tot ist. Dazu zählt eine Straße, die nach dem eigenen Namen benannt ist, auch wenn es ein Pseudonym oder ein Künstlername ist. Alfred Riedl schafft das zu Lebzeiten: Mitte September wird im Altstadt-Zentrum von Klagenfurt der "Jacques-Lemans-Platz" eröffnet. Dort befindet sich auch der neue Flagshipstore des Uhren-Unternehmens, mit 300 Quadratmetern sein größter in Europa.
Jacques Lemans - das ist Alfred Riedl. Der Kärntner Selfmadeunternehmer und Vielfachmillionär hat es geschafft, von St. Veit an der Glan aus eine internationale Uhrenmarke aufzubauen, die mittlerweile in 120 Ländern verkauft wird - zuletzt ist Vietnam dazugekommen. Der 74-Jährige hätte es in Kärnten sicher auch geschafft, einen Alfred-Riedl-Platz durchzubringen, aber als Marketingmann ist er clever genug, der Marke den Vortritt zu lassen.
Riedls Erfolgsgeschichte erinnert in vielem an die Red-Bull-Story: aus einem durchaus gewöhnlichen Produkt eine starke Marke und einen Verkaufsschlager zu machen. Auch andere können einen klebrigen Drink herstellen und in Dosen abfüllen, auch andere können Uhren entwerfen und in China produzieren lassen. Doch um daraus ein nachgefragtes Produkt zu machen, das mehr als eine kurze Modeerscheinung ist und dann wieder vom Markt verschwindet, dazu bedarf es Marketinggespür. Und darin war der vergangenen Oktober verstorbene Dietrich Mateschitz ein Genie, Alfred Riedl ist es noch.
Alfred Riedl: Erfolgsrezept Allleinherrscher
Was die beiden Unternehmer noch verbindet: Sie haben als unumstrittene Könige in ihren Reichen geherrscht, auf ihr Bauchgefühl gehört, sind damit reich geworden, sehr reich. Und sie haben sich schon zu Lebzeiten in ihrer Heimat Denkmäler gesetzt: Mateschitz mit dem Red Bull Ring in Spielberg, Riedl mit dem Wiederaufbau von Burg Taggenbrunn oberhalb von St. Veit an der Glan in Kärnten.
108 Millionen Euro hat der Unternehmer in den vergangenen zehn Jahren investiert, um aus der seit 250 Jahre verfallenden und zur Müllhalde verkommenen Ruine eine Touristenattraktion inklusive spektakulärem Konzertsaal und eindrucksvoller Multimedia-Ausstellung zu machen. Deren Highlight: ein gewaltiges, betretbares Kaleidoskop, aus verspiegelten Fünfecken zusammengesetzt, in denen sich der Betrachter durch wechselnde Lichteffekte verlieren oder auch finden kann. Erst kürzlich wurde die Anlage durch einen spektakulären Panoramalift, eine 105 Meter lange Rutsche und einen Spielplatz ergänzt. Kosten: 2,5 Millionen Euro.
Bei Riedls Burg-Abenteuer stets mit dabei: klingende Namen. Als musikalischen Berater hat sich der Kärntner Unternehmer den langjährigen Wiener Staatsopern-Direktor Ioan Holender, einen Tennisfreund, zur Seite geholt, für die Gestaltung des Taggenbrunn-Wahrzeichens und die Ausstellung den Künstler André Heller. Geht es nicht auch eine Nummer kleiner? Nein, im Riedl-Reich wird groß gedacht. Rund um den Berg, auf dem die Burg residiert, hat Riedl 45 Hektar Weingärten anlegen lassen. Dafür haben Bagger und Raupen zwei Jahre lang insgesamt 240.000 Kubikmeter Erde hin- und hergeschoben. Bitter: Heuer hat der Hagel 80 Prozent der Ernte vernichtet. Da hilft die konservative Philosophie des Firmengründers: "Solche Investitionen kann man nur mit verdientem Geld machen. Sitz man in einer solchen Situation auf hohen Krediten, ist es schnell vorbei."
So kam Alfred Riedl auf die Uhren
Alfred Riedls Geschichte beginnt klein - und ist eine Geschichte von günstigen Gelegenheiten und dem richtigen Gespür für das Nutzen dieser Chancen. Nach der Lehre zum Elektrotechniker beim Kärntner Energieversorger Kelag wechselt der junge Mann zu Siemens Klagenfurt. Dabei bietet die Kelag alles, was man sich wünschen kann: Der Job ist sicher, das Gehalt kalkulierbar, und der Pensionsantritt steht auf den Tag genau fest, auch wenn er erst in vier Jahrzehnten ist. Aber so tickte der junge Riedl nicht. Der nächste Bruch folgte schnell: Er beendete die Siemens-Karriere, bevor sie so richtig begonnen hatte, und wechselte als Halbprofi zum bayrischen Regionalliga-Fußballverein SV Starnberg. Dessen Hauptsponsor hatte große Pläne und verdiente sein Geld, man ahnt es schon, mit Uhren. Riedl machte nicht nur im defensiven Mittelgeld eine gute Figur, sondern auch im Business. Als bester Verkäufer rutschte er im Unternehmen bis nach ganz oben und bekam schließlich die Chance, die Marke "Corona" zu übernehmen.
Doch Riedls Marketinggefühl sagte, dass mit "Corona" als Namen nicht viel zu reißen war, Jahrzehnte, bevor der Begriff zum reinen Angstwort wurde. Es musste etwas her, was bedeutender klingt, am besten mit französischem Klang, schließlich ist die französische Schweiz die Wiege der Uhren-Industrie. Also erblickte vor 49 Jahren "Jacques Lemans" die Welt, ein Kunstbegriff, so wie "Red Bull" auch.
Besuch von Bernie Ecclestone
Sein erster großer Deal: Rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft verkauft er einem Kärntner Juwelier mit mehreren Filialen so viele Uhren, dass er an diesem Tag so viel verdient wie sein Vater in zwei Jahren im Staatsdienst. "Da wusste ich, dass ich richtig liege", sagt Riedl schmunzelnd. Der Rest ist Marketing-Lehrbuch plus Gespür plus Hartnäckigkeit. Über seinen Bekannten Walter Wolf bearbeitet er Formel-1-Boss Bernie Ecclestone so lange, bis dieser nach St. Veit reist, um einen Lizenzvertrag mit Riedl zu schließen. Als erste Uhrenmarke überhaupt darf Jaques Lemans offizielle "Formel-1-Uhren" herstellen und verkaufen. Ein spektakulärer Marketing-Coup, für den allerdings laut Fachmedien vier Millionen Euro an Ecclestone überwiesen werden müssen.
Ähnlich spektakulär, dass Alfred Riedl den amerikanischen Film-Star Kevin Costner als Werbetestimonial gewinnt. Den lernt er bei der Ski-WM in Schladming kennen und lässt ihn erst in Ruhe, nachdem der Werbevertrag unterschrieben ist. Aktuell schmückt sich die Snowboard-Olympiasiegerin Anna Gasser, ein Star der Szene, mit den Uhren aus St. Veit. Marketing muss groß gedacht werden, bei Jaques Lemans wie bei Red Bull.
Was beide Unternehmen noch verbindet: Die nächste Generation übernimmt das Ruder. Bei Red Bull abrupt durch den Tod des Gründers, bei Jaques Lemans geplant und schrittweise. Seit vier Jahren ist Sohn Andreas als Juniorchef mit an Bord, harte Lehrjahre beim Vater inklusive. Er hat alle Bereiche durchlaufen, hat sich in 15 Ländern das Business angeschaut.
200 neue Jacques-Lemans-Modelle jährlich
Mittlerweile hat der 23-Jährige feste Aufgaben übernommen. Er entwirft die meisten der 200 Uhrenmodelle, die jährlich neu auf den Markt kommen. Auch der Internet-Auftritt liegt in den Händen des Juniors. Der Vertrieb übers Netz soll deutlich ausgebaut werden, aber behutsam. "Wir sind keine Internet-Marke", betont Alfred Riedl. 1,2 Millionen Uhren verkauft Riedl jährlich über Juweliere, 145 Mitarbeitende gibt es in St. an der Glan, dazu kommen die Zulieferer in Asien - für einen jungen Menschen ganz schön viel Verantwortung. "Ich bin mir dessen voll bewusst", sagt Andreas Riedl, "aber durch die Jahre im Betrieb bin ich gut vorbereitet" (siehe auch Interview unten).
Andreas ist gescheit genug, dem Vater in der Öffentlichkeit die Bühne zu überlassen, geht unter vier Augen aber keiner Diskussion aus dem Weg. "Wenn beide immer einer Meinung sind, wäre ja einer überflüssig", sagt er mit einem spitzbübischen Lächeln. Noch ist aber eines klar: "Am Ende entscheidet der Papa."
Es sind nicht nur die überdimensionalen Fußstapfen des Vaters, die für Andreas Riedl eine Herausforderung sind. Viele junge Menschen tragen überhaupt keine Uhr mehr, das allgegenwärtige Handy zeigt die Zeit ohnehin an. Und die funkelnde, klobige Uhr am Handgelenk als Statussymbol - die war auch schon mal gefragter. "Uhren sind und bleiben gefragte Modeartikel", hält Andreas dagegen.
Was dem neuen Chef den Job erleichtern sollte: Seine Uhren kosten zwischen 100 und 400 Euro, sind preislich also in einem erschwinglichen Bereich, von Luxus weit entfernt. Und die Uhren sehen nach mehr aus, als sie kosten - sozusagen der Škoda unter den Uhren. "Wir bieten das beste Preis-Leistungs-Verhältnis unserer Branche", formuliert das Alfred Riedl.
Zudem herrscht im Unternehmen, und das ist wohl noch wichtiger für den Juniorchef, eine durchaus entspannte Kultur des Ausprobierens: Ideen sind willkommen und können gerne umgesetzt werden. Da Riedl nie großen Risiken geht, kosten die Ideen, wenn sie nicht funktionieren, zwar Geld, aber nicht die Existenz.
Jacques Lemans: Genf und retour
Und außerdem: Auch dem Gründer ist nicht alles gelungen. Die Einführung einer besonders preiswerten Marke unter 100 Euro und einer höherpreisigen "Swiss Made"-Marke mit eigener kleiner Produktion im Uhren-Mekka Genf: Flops. Im Kevin Costner-Film "Black and White" trägt jeder Darsteller, der ein Handgelenk hat, eine Jaques-Lemans-Uhr - nur leider floppte der Film und schaffte es gar nicht nach Europa. "Keine sehr glückliche Marketinginvestition", sagt Alfred Riedl lachend, "aber insgesamt war die Zusammenarbeit mit Costner äußerst erfolgreich."
Noch nicht am Ziel ist auch die wieder aufgebaute Burg Taggenbrunn, neben der Firma das zweite große Lebenswerk von Alfred Riedl. Seit vier Jahren werden die Taggenbrunner Festspiele mit höchst prominenter Besetzung - unter anderem Opernsängerin Asmik Grigorian, Camilla Nylund, Günther Groissböck, Piotr Beczala sowie die Schauspieler Philipp Hochmaier und Tobias Moretti - sehr erfolgreich abgehalten. Gut besucht werden auch das Antike Museum sowie die multimediale Dauerausstellung "Zeiträume", kuratiert von André Heller. Zudem wird heuer mit Oktober zum 50-jährigen Firmenjubiläum von Jacques Lemans eine Ausstellung über die Geschichte der Uhrenmarke eröffnet. Das Ziel der Riedls: Auf die 300.000 Besucher zu kommen, die der Pyradmidenkogel am Wörthersee jährlich verzeichnen kann.
Doch die Geschichte einer Burg wie Taggenbrunn wird in Jahrhunderten geschrieben, nicht in zwei oder drei Sommern. Alte Mauer fordern Geduld, keine Stärke von Alfred Riedl, der sich neben "Unternehmer" jetzt auch "Burgherr" nennen darf. Worauf er stolzer ist, Jaques Lemans oder Burg Taggenbrunn? "Die Uhren", antwortet Alfred Riedl. Aber da spricht der Marketingmann, nicht der Mensch. Die Webseite gibt die ehrlichere Antwort: Dort ist der Imagefilm über Jaques Lemans gerade zwei Minuten lang, der Beitrag über Burg Taggenbrunn stolze 16 Minuten.
Andreas und Alfred Riedl im News-Interview
Firmen-Patriarch Alfred Riedl und sein Sohn Andreas über Nachfolge, Arbeitsteilung und Verantwortung
Bei vielen jungen Menschen ersetzt das Handy die Uhr am Handgelenk. Ist das Zeitalter der Uhren vorbei?
Andreas Riedl: Überhaupt nicht. Uhren sind und bleiben ein beliebter Modeartikel. Und sie können ein Statement sein.
Alfred Riedl: Wir bieten das beste Preis-Leistungs-Verhältnis der Branche, dafür werden wir von unseren Kunden geschätzt. Wir feiern nächstes Jahr 50-jähriges Bestehen, darauf sind wir stolz. In dieser Zeit sind viele Uhrenmarken gekommen und gegangen.
Was ist das Erfolgskonzept?
Andreas Riedl: Eine Besonderheit ist, dass wir alles in einer Hand habe. Von der ersten Idee, den ersten Musterfertigungen und Prototypen bis zu Marketing und Vertrieb. Und wir haben kurze Entscheidungswege.
Produziert wird aber in China?
Alfred Riedl: Die einzelnen Komponenten sehr, sehr vieler renommierter Uhrenmarken werden in Asien hergestellt und in der Schweiz nur zusammengesetzt. Und die Qualität unserer Komponenten aus Asien ist erstklassig. Noch ein Satz zum Erfolg: Wir haben immer gute Gewinne gemacht und den Großteil davon im Betrieb gelassen. Dann hat man ein Polster, wenn etwas mal nicht so funktioniert.
Dann schlafen Sie also gut?
Alfred Riedl: Insgesamt ja. Aber zehn Jahre Diskussionen mit dem Denkmalschutzamt wegen Burg Taggenbrunn waren zermürbend. Die haben immer nur gesagt, was nicht geht, aber nie, was geht. Das war nervenaufreibend, da habe ich manchmal schlecht geschlafen.
Sind sie sich immer einig?
Andreas Riedl: Nein, aber das wäre ja auch schlecht. Wenn beide immer einer Meinung sind, wäre ja einer überflüssig. Aber das letzte Wort hat natürlich der Papa.
Eine sehr erfolgreiche Firma mit 145 Beschäftigten, der große Schatten des überaus erfolgreichen Vaters. Wie geht man als 23-Jähriger damit um?
Andreas Riedl: Ich bin mir dieser Verantwortung absolut bewusst. Ich bin schon vier Jahre im Betrieb, habe viel gesehen und viel gelernt. Das hilft.
Als Chef von Jaques Lemans werden Sie werden nie eine noble Uhr tragen können ...
Andreas Riedl: Ich trage eine Sonderanfertigung, die ich selber entworfen habe. Das reicht mir. Aber natürlich ist es eine Idee, die Marke über solche Sondermodelle und Einzelstücke weiter zu entwickeln.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 38/2023 erschienen.