Der Bohrer beim Zahnarzt ist das Gräuel jedes Patienten. Und das, obwohl die Behandlung mit dem unliebsamen Gerät nur zu unserem Besten sein sollte. Oder doch nicht? Bedingt, meint der deutsche Zahnexperte Falk Schwendicke. Ihm zufolge wäre es unter Umständen nämlich besser für die Zahngesundheit, nicht ganz so tief zu bohren. Auch dann, wenn ein bisschen Karies bestehen bleibt.
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Oft lautet die Devise: Weg mit der Karies. Egal, wie tief sie sich schon in den Zahn hineingefressen hat. Denn nicht restlos entfernte Zahnfäule würde sich weiter ausbreiten und langsam, aber sicher, den Zahn zugrunde gehen lassen. Bei der Entfernung tiefsitzender Karies besteht allerdings die Gefahr, dass die sogenannte Pulpa, auch Zahnmark genannt, verletzt wird. Was, wie das Portal watson.ch berichtet, mitunter schwerwiegendere Folgen habe als ein bisschen Restkaries.
Dabei geht es um folgende drei Zahnschichten: den Zahnschmelz, das Dentin und die bereits erwähnte Zahnpulpa. Das Dentin, auch Zahnbein genannt, befindet sich direkt unter dem Zahnschmelz. Unter dem Dentin wiederum liegt die Pulpa. Und in der Pulpa, einem weichen Gewebe, befinden sich Nerven und Blutgefäße. Das Dentin ist übrigens in der Lage, sich neu zu bilden. Und das ein ganzes Menschenleben lang. Allerdings nur an der Grenze zur Pulpa.
Warum zu viel Bohren schaden kann
Ist die Karies nun weit fortgeschritten, besteht die Gefahr, dass bei der Entfernung die Pulpa verletzt und ein Nerv getroffen wird. Die Folge: Eine Wurzelbehandlung wäre notwendig und die Stunden des Zahns gezählt. Abgesehen davon erhöhe tiefes Bohren auch dann das Risiko für Komplikationen, wenn der Nerv nicht getroffen würde. Daher rät Schwendicke laut "watson.ch" besser ein bisschen Karies bestehen zu lassen als das Risiko einzugehen, das Gewebe unwiederbringlich zu verletzen und so den Zahn so über kurz oder lang zu zerstören. Bei der Menge an Restkaries handelt es sich übrigens um bis zu 1,5 Quadratmillimeter.
Doch: Karies im Zahn zu belassen - kann das gesund sein? Dazu Dr. David Keszthelyi von der Zahnklinik Josefstadt: "Die Karies muss auf jeden Fall entfernt werden. Auch wenn man die Pulpa dafür - wie man im Fachjargon sagt - eröffnen muss. Sonst hat der Patient erst recht Schmerzen, weil die Karies voranschreiten, es zur Infektion und zur Entzündung des Nervs kommen würde." Und dann, erklärt der Zahnarzt, müsse man erst recht eine Wurzelbehandlung durchführen.
Dr. Claudius Ratschew von der Landeszahnärztekammer Wien sieht das anders: "Wenn man die Möglichkeit hat, die Zahnsubstanz zu belassen und die Pulpa nicht anzubohren, dann ist das auf jeden Fall den Versuch wert, den Zahn so am Leben zu erhalten." Ratschew spricht von einer seit langer Zeit bewährten Methode. Dabei wird ein Medikament in den Zahn gelegt, das die Zellen anregt, die Zahnsubstanz nachzubilden und den Defekt zu remineralisieren, sprich verloren gegangene oder zerstörte Mineralien des Zahnschmelzes wieder einzulagern.
Welche Methode ist die richtige?
Welche Methode ist nun die richtige? Dazu Dr. Ratschew: "Das ist eine philosophische Frage. Weder die eine noch die andere Methode ist falsch." Während beim Durchdringen des Dentins zur Pulpa eine Wurzelbehandlung und damit das Absterben des Zahns unumgänglich ist, hat man bei der teilweisen Kariesentfernung aber zumindest die Chance, den Zahn noch länger am Leben zu erhalten. Geht der Plan nicht auf, müsse man besagte Wurzelbehandlung durchführen. Mit ein bisschen Glück - und natürlich der richtigen Zahnpflege - bleibt einem das jedoch ohnehin erspart.