Kommunikation ist essenziell für Beziehungen und den Arbeitsplatz. Doch wann wird sie zum Problem? Überkommunikation kann Beziehungen belasten und die Produktivität im Arbeitsalltag senken. Digitale Erschöpfung, Burnout, Beziehungskonflikte und Ineffizienz sind weitere mögliche Folgen.
Es scheint, als ob in Australien ein Umdenken begonnen hat, was unlimitierte und ständige Kommunikation betrifft: Im August erließ das Land ein Gesetz, das den Arbeitnehmer:innen ein Recht auf Nichterreichbarkeit einräumt. Somit müssen diese nach Feierabend nicht mehr erreichbar sein. Und auch Sozialen Netzwerken schob man, zumindest rein rechtlich, einen Riegel vor: Die Nutzung ist nun erst ab 16 Jahren gestattet, da Snapchat, Instagram, TikTok und Co. aus Sicht der Regierung das Wohlergehen von Kindern und Jugendlichen gefährden. Damit ist der Inselstaat weltweit ein Vorreiter und stellt somit die berechtigte Frage, ob unlimitierte, unkontrollierte Kommunikation nicht doch mehr schadet als nützt.
Auch hierzulande widmen sich Expert:innen immer häufiger dem Thema: Wie viel Kommunikation ist sinnvoll? Und: Kann zu viel Kommunikation unsere Beziehungen sabotieren?
Effizient kommunizieren
Die Klinische und Gesundheitspsychologin, sowie Arbeits- und Wirtschaftspsychologin Dr. Laura Stoiber meint: „Kommunikation ist ein zentraler Bestandteil einer jeden gesunden Beziehung. Sie ist das Fundament für Vertrauen, Intimität und gegenseitiges Verständnis.“ Allerdings kann, so die Expertin, übermäßige Kommunikation auch Probleme verursachen. „Somit ist die Qualität und der richtige Einsatz von Kommunikation entscheidend.“
Stoiber unterscheidet zwischen effektiver Kommunikation und nonstop Kommunikation: „Nonstop-Kommunikation ist meist impulsiv und repetitiv, wobei wenig Wert auf Zuhören gelegt wird. Oft entsteht hierdurch Frustration, während effektive Kommunikation zielgerichtet, lösungsorientiert und geprägt von gegenseitigem Verständnis ist.“
Die Psychologin ermahnt deshalb zu aktiver Empathie und mehr Zuhören, sowie zur Validierung der Gefühle des anderen, um Kommunikation überhaupt effektiv gestalten zu können. „Eine kurze, wertschätzende Kommunikation kann mehr bewirken als stundenlange Diskussionen. Ein ‚Ich verstehe dich‘ kann oft effektiver sein als eine detaillierte Analyse eines Problems.“
Wann wird Kommunikation zum Problem?
Zu viel Kommunikation zeigt sich, so Stoiber, in emotionaler Erschöpfung: „Paare fühlen sich ausgelaugt, weil ständig über Themen gesprochen wird, ohne dass eine Lösung erreicht wird. Oversharing ist nicht gut.“ Paare geraten dann, so Stoiber, häufig in eine Endlosschleife, in der Meinungen wiederholt werden, ohne dass eine Lösung erreicht wird.
Auch kann die ständige Suche nach Problemen oder Problemwälzerei als reizüberflutend empfunden werden. „Wenn Kommunikation als belastend empfunden wird, sinkt die Bereitschaft, auf den anderen einzugehen.“ Letztlich kann dieses „Oversharing“ in Verlust von Spontanität gipfeln: „Die Beziehung wird stark problemorientiert, wodurch positive Erlebnisse oder entspannte Zeiten vernachlässigt werden.“
Zudem kann ein Zuviel an Kommunikation auch dazu führen, dass Probleme überhaupt erst entstehen, denn: „ein zu häufiges Besprechen von Konflikten kann Emotionen hochkochen lassen, anstatt sie zu beruhigen.“
Meetingkultur: Zu viele Meetings steigern das Stresslevel
Auch im Arbeitsleben kann ein Zuviel an Kommunikation oft hinderlich sein. Zum Beispiel wenn Meetings gefühlt endlos sind, und einfach zu viele davon im Terminkalender stehen. Oder auch dann, wenn zu viele Kommunikationskanäle genutzt werden. Das führt Stoiber zufolge schnell zu digitaler Erschöpfung und kann sich negativ auf die gesamte Effizienz im Unternehmen auswirken.
„Routinen sind dann förderlich, wenn sie klar strukturiert und zielorientiert sind, und Raum für Kreativität bieten, anstatt nur Informationen auszutauschen. Eine Meta-Analyse von Allen et al. (2014) zeigte zum Beispiel, dass zu viele Meetings die Produktivität senken, da sie Unterbrechungen im Workflow verursachen“, erklärt Stoiber.
Nach einer gewissen Zeit sind wir Menschen ganz einfach nicht mehr aufnahmefähig, so die Psychologin: „Die Aufmerksamkeitsspanne liegt durchschnittlich bei 30–50 Minuten. Nach dieser Zeit sinkt die Fähigkeit, komplexe Informationen zu verarbeiten.“
Digitale Erschöpfung: Wie zu viele Meetings die Effizienz senken
Zu viele Meetings, vor allem wenn sie hintereinander getaktet sind, erhöhen das Stresslevel zudem enorm und reduzieren außerdem die wahrgenommene Autonomie, was zu Unzufriedenheit führt.
Das kann wiederum zu Entscheidungsmüdigkeit führen und, bei widersprüchlichen Informationen, zu einer Verlangsamung der Entscheidungsfindung beitragen.
Tipps für eine bessere Meetingkultur
Um die Meetingkultur innerhalb des Unternehmens effizienter zu gestalten, rät Stoiber dazu, eine klare Agenda zu formulieren: „Klare Ziele vor jedem Meeting zu setzen, ist ungeheuer wichtig. Außerdem rate ich zu kürzeren Meetings: 15–30 Minuten können oft effektiver sein als eine Stunde.“
Auch asynchrone Kommunikation kann zu Verbesserungen führen: „Ich empfehle auch, Plattformen wie E-Mails für weniger dringende Themen zu verwenden.“
Die richtige Balance zwischen Reden und Zuhören ist der Schlüssel, um Probleme zu lösen, statt sie zu verschärfen. Effiziente Kommunikation schafft Klarheit, stärkt Beziehungen und erleichtert sowohl den eigenen Alltag als auch das Miteinander mit Partner:innen, Familie und Kolleg:innen.
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