Etwa fünf bis acht Prozent aller Kinder stottern. Doch nicht alles, was nicht flüssig ist, ist gleich Stottern. Stottern ist eine Störung im Redefluss, etwa durch Dehnungen oder Blockaden - im Gegensatz zu Redeunflüssigkeiten. Es ist genetisch vererbbar. Hilfe sollte man aufsuchen, sobald Anspannung oder Begleitsymptome hinzukommen, erklärt Logopädin Carina Kittelberger.
- Ab wann spricht man von Stottern?
- Welche Ursachen hat Stottern? Was können Auslöser sein?
- Kann Stottern durch ein oder ein Trauma ausgelöst werden?
- Kann man als Erwachsener zu stottern beginnen?
- Ab welchem Alter beginnt Stottern?
- Wann soll man sich Hilfe suchen?
- Soll man das Stottern, wenn es für das Kind kein Problem ist, thematisieren oder lieber ignorieren?
- Bemerken Kinder selbst, dass sie stottern?
- Wie kann einem stotternden Kind geholfen werden?
- Sind LehrerInnen oder KindergartenpädagogInnen auf dieses Thema geschult?
- Kann Stottern geheilt werden?
- Remission: In welchem Alter passiert dies meist?
- Gibt es einen Zusammenhang zwischen Legasthenie und Stottern?
- Wie reagiert man als „Zuhörer“ bei stotternden Menschen?
- Wie viele Menschen sind betroffen?
- Stottern mehr Mädchen oder Buben?
Ab wann spricht man von Stottern?
Man unterscheidet zwischen Redeunflüssigkeiten und Stottern. Stottern ist, wenn das Kind zum Beispiel Silben oder Laute wiederholt wie etwa „Ka-Ka-Katze“, wenn es zu Dehnungen kommt, wie etwa „Ffffffffisch“ oder wenn das Kind richtige Blockaden hat, also das Wort wirklich gar nicht rauskommt, wo sie ganz massiv hängen und steckenbleiben. Im Gegensatz dazu stehen die Redeunflüssigkeiten, das ist, was wir alle im Sprechen haben, wenn wir etwa ein „Ähm“ einbauen, Pausen machen oder Satzteile wiederholen. Das kennt man auch von Kindern, wenn sie sagen „Ich hab, ich hab, ich hab…“. Dann spricht man nicht von Stottern, sondern von Redeunflüssigkeiten. Früher hat man auch von Entwicklungsstottern gesprochen, das gibt es aber nicht. Wenn ein Kind wirklich wiederholt, dehnt oder blockiert, dann ist das auch Stottern, egal wie alt das Kind ist.
Meinen Studierenden sage ich immer, dass sich stotternde Kinder von nicht-stotternden Kindern nur dadurch unterscheiden, dass sie stottern. Ich finde das ganz wichtig zu sagen.
Welche Ursachen hat Stottern? Was können Auslöser sein?
Stottern ist genetisch vererbbar. Fragt man, ob es jemanden in der Familie gibt, der stottert, ist dem auch meist so – und das läuft relativ weit bis zu Cousin/Cousine oder Onkel/Tante.
Kann Stottern durch ein oder ein Trauma ausgelöst werden?
Nein. Da ist man früher davon ausgegangen. Aber da nicht jedes Kind, das ein Trauma hat, stottert, geht man nicht davon aus, dass das das auslösende Ereignis ist.
Kann man als Erwachsener zu stottern beginnen?
Nein. Aber zu 70 Prozent tritt es im Kindesalter ganz plötzlich auf ohne erkennbare Ursache.
Ab welchem Alter beginnt Stottern?
Bei 60 Prozent der betroffenen Kinder beginnt es zwischen dem 24. Und 35 Lebensmonat. So ungefähr im zweiten Lebensjahr, wo diese Wortschatzexplosion kommt.
Wann soll man sich Hilfe suchen?
Ich sage immer, wenn das Kind locker-flockig stottert, wenn es einfach wiederholt und es ihm wirklich egal ist, oder es einfach nicht merkt und locker „drüberstottert“ ist das absolut in Ordnung und ein super Weg vom Kind. Sobald Anspannung oder Begleitsymptome hinzukommen, etwa wenn das Kind Wörter vermeidet oder aufhört zum Sprechen, oder sich so Ticks wie mit den Augen zwinkern aneignet, dann soll man sich Hilfe suchen. Egal wie alt das Kind ist.
Oder auch einfach wenn man als Elternteil verunsichert ist.
Soll man das Stottern, wenn es für das Kind kein Problem ist, thematisieren oder lieber ignorieren?
Früher war man der Meinung, dass es besser ist, das Kind gar nicht darauf anzusprechen, aber das ist nicht mehr so. Man spricht es an, weil jeder der stottert, weiß, dass er stottert. Und wenn ich das versuche zu ignorieren, ist das eine total unangenehme Situation, weil sich das Kind denkt: „Ich mache etwas und keiner reagiert darauf also ist das vielleicht etwas, was ich eigentlich nicht darf oder soll?“ Wir sagen also den Eltern, wenn sie merken, dass das Kind Silben wiederholt, dass man zum Beispiel sagen kann: „Boah, das ist aber ein blödes Wort, das kommt ja gar nicht aus deinem Mund.“ Also dass man dem eine kindliche Bedeutung gibt und dieses Gefühl benennt, also das ärgerlich sein muss für das Kind. Damit zeigt man dem Kind, dass man das gehört hat und bei ihm ist. Und dass man dem Kind zeigen soll, dass man da ist und weiter zuhört.
Bemerken Kinder selbst, dass sie stottern?
Kinder wissen das alle. Am Anfang ist es vielleicht noch normal, da kommt das eben so aus dem Mund raus. Man merkt aber, wenn die Stotterphasen länger werden, dass die Kinder verunsichert werden, sie kennen sich nicht aus, was gerade passiert.
Wie kann einem stotternden Kind geholfen werden?
Wir arbeiten mit dem KIDS-Ansatz, also „Kinder dürfen Stottern“. Da versucht man, je nach Alter, dem Kind zu zeigen, welche Stotterarten es gibt und welche das Kind verwendet. Man zeigt den Kindern zu zeigen, dass sie auch absichtlich stottern können und versucht natürlich vorhandene Anspannung rauszunehmen sowie zu differenzieren und ganz viel zu desensibilisieren. Und natürlich auch zu enttabuisieren, zu vermitteln, dass es einfach kein Tabuthema ist. Also man zeigt den Kindern: Ja wir stottern, das ist völlig ok! Wir Therapeuten stottern auch und auch die Eltern lernen es, um zuhause sozusagen ein „Vorbild“ zu sein und zu zeigen: Wir stottern auch, das ist überhaupt kein Thema.
Sind LehrerInnen oder KindergartenpädagogInnen auf dieses Thema geschult?
Ich glaube nicht. Die wissen davon meist gar nichts. Darum ist diese interdisziplinäre Zusammenarbeit ganz wichtig.
Kann Stottern geheilt werden?
Das Gute ist, dass es bei 75 Prozent der Kinder von alleine wieder verschwindet. Das nennt man Remission. Wenn das Kind Begleitsymptomatik zeigt, dann erhöht die Therapie natürlich die Chance einer Remission. Und wenn der Stotterbeginn vor dem dritten Lebensjahr lag, ist die Chance größer, dass es wieder verschwindet sowie auch wenn jemand in der Familie bereits eine Remission hatte.
Remission: In welchem Alter passiert dies meist?
Meistens ist es so, dass es im ersten Jahr nach dem Beginn zu einer Spontanremission kommt.
Und diese Remissionszeit dauert bis zum Teenager-Alter. Das heißt, wenn das Stottern im Teenager-Alter noch da ist, dann bleibt es und man stottert als Erwachsener auch. Dann kann es nicht einfach verschwinden.
Man kann für kein Kind eine Prognose erstellen, ob das Stottern wieder weggehen wird oder nicht. Das kann man vorab einfach nicht sagen.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen Legasthenie und Stottern?
Nein, es gibt keinen Zusammenhang zwischen Stottern und Legasthenie.
Wie reagiert man als „Zuhörer“ bei stotternden Menschen?
Bei Erwachsenen wie bei Kindern einfach zuhören und aussprechen lassen. Und zu Kindern auch nicht sagen: „Langsam sprechen“ weil das bringt nichts.
Wie viele Menschen sind betroffen?
Fünf bis acht Prozent aller Kinder stottert und nur ein Prozent der Erwachsenen.
Stottern mehr Mädchen oder Buben?
Vielleicht minimal mehr Buben, aber es ist eigentlich ziemlich gleich verteilt.