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Warum sind Selbstliebe, Selbstbewusstsein und Selbstwert so wichtig?
Seit den frühen 1980er-Jahren gibt es eine wissenschaftliche und wirtschaftliche Bewegung, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die wichtigsten 21st-Century-Skills (siehe Grafik unten)zu bestimmen. Das sind jene Fähigkeiten, die für Heranwachsende im 21. Jahrhundert erforderlich sind, um den diversen Herausforderungen - wie etwa Globalisierung und Digitalisierung - gewachsen zu sein. Ausgehend von den USA haben Bildungswissenschaftler:innen, Wirtschaftsvertreter, NGOs und staatliche wie nicht-staatliche Organisationen ein Kompetenz-Paket für jetzige und künftige Generationen entwickelt. Und dabei wird klar: Der klassische 50-minütige Frontalunterricht des österreichischen Schulsystems kommt dabei rasch an seine Grenzen. Denn Lernkompetenzen des 21. Jahrhunderts wie Kreativität, kritisches Denken, Kommunikation und Kollaboration (Zusammenarbeit) lassen sich nicht in starren Einheiten vermitteln.
Zu diesen 21st-Century-Skills zählen im weiteren Sinne auch Selbstliebe, Selbstbewusstsein und Selbstwert. Und genau da muss man in der Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen ansetzen, wie Lehrer und Bildungsexperte Ivan Topic erklärt. "Für mich sind Selbstbewusstsein, Selbstwert und Selbstliebe essentielle Fähigkeiten, die wir Kindern mitgeben können", sagt er. Ohne diese Fähigkeiten sei es für einen Menschen schwer, überhaupt Dinge umzusetzen beziehungsweise sein Potenzial auszuloten. Für ihn haben diese drei Fähigkeiten viel damit zu tun, dass ein Kind oder Jugendlicher auch einmal Fehler machen darf. Dass es in Ordnung ist. Dann geht es im nächsten Schritt darum, was man aus diesen Fehlern lernen kann.
Geprägt haben den Bildungsexperten neben seiner langjährigen Karriere als Lehrer seine eigenen Erfahrungen in der Kindheit: Topic stammt aus einem finanziell schwachen Elternhaus. Beim Lernen und in der Schule hat er seitens seiner Eltern kaum Unterstützung erfahren. "Ich habe selbst erlebt, wie es ist; wenn Selbstliebe, Selbstbewusstsein und Selbstwert anders mitgegeben werden, wenn man eher kleingehalten wird. Meinen Kinder sage ich immer wieder: 'Du darfst Fehler machen, du darfst hinfallen. Wir machen weiter, ich helfe dir. Was haben wir daraus gelernt?'"
Sein Buch "Du kannst das! So wird dein Kind stark und schlau", das der Lehrer gemeinsam mit Autor Bernhard Moestl verfasst hat, ist ein "Werkzeugkasten für Eltern, die genau dort ansetzen möchte, wo das Schulsystem an seine Grenzen stößt". Die Kinder selbst würden bereits alles mitbringen, was sie für das Leben brauchen. Es gehe darum, den Kindern dabei zu helfen, ihre Potenziale zu ergreifen und voll auszuschöpfen.
Das Buch:
gemeinsam mit Bernhard Moestl hat Ivan Topic darüber geschrieben, wie Eltern ihre Kinder bestmöglich unterstützen können, um ihre Fähigkeiten zu entwickeln - über schulische Grenzen hinaus. Das Buch "Du kannst das!: So wird dein Kind stark und schlau fürs Leben" kann hier erworben werden.*
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Wie kann man Selbstliebe lernen?
Selbstliebe zu lernen, ist bereits von Kindesbeinen an wichtig. Es stärkt das Selbstbewusstsein des Kindes und sein Selbstwertgefühl. Eltern haben in diesem Zusammenhang einen großen Einfluss, sie sind die Vorbilder und Vermittler.
"Bei meinen Eltern habe ich beobachtet, wie sehr sie sich für andere aufgeopfert haben und sich dabei selbst vernachlässigt haben", sagt Topic. Dieses Verhalten hat er später übernommen, immer sein Bestes gegeben und dabei darauf geachtet, dass es anderen gut geht - und welches Bild andere von ihm haben. Letztendlich ist er in ein Burnout geschlittert, wie der Bildungsexperte erzählt. Mittlerweile hat er gelernt, besser auf seine Bedürfnisse zu hören. "Selbstliebe ist essentiell und es ist so wichtig, das seinen Kindern mitzugeben", sagt er. Wenn Eltern zu ihren Kindern sagen: "Ich brauche jetzt Zeit für mich. Ich brauche eine kurze Pause", bedeutet das laut Topic nicht, dass sie ihre Kinder nicht lieben, sondern sie brauchen die Pause, damit sie danach wieder für das Kind da sein können. Es vermittelt die Botschaft: "Du bist wichtig, aber ich bin es auch". So lernt das Kind seine eigene Zeit wertzuschätzen beziehungsweise zu nutzen - und es lernt diese Zeit für sich selbst später auch einzufordern.
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Wie können Eltern das Selbstbewusstsein ihrer Kinder stärken?
Selbstbewusste Kinder sind neugierig, wollen die Welt erforschen, stellen Fragen, können Nähe und Distanz zu anderen regulieren und haben gute Bewältigungsstrategien für den Alltag entwickelt. Eltern beeinflussen durch ihren Umgang mit dem Kind das Selbstbewusstsein.
Wie können Eltern nun das Selbstbewusstsein ihrer Kinder stärken? Für Bildungsexperte Ivan Topic ist die Antwort darauf klar: Man kann das Selbstbewusstsein stärken, indem man eine Fehlerkultur fördert, also Fehler zulässt und daraus lernt anstatt zu verurteilen. "Selbstbewusstsein ist nicht etwas, das von heute auf morgen da ist, sondern sich mit der Zeit aufbaut", sagt Topic und fügt hinzu: "Wenn diese Fehlerkultur nicht stattfindet, verwehrt man den Kindern die Chance, sich weiterzuentwickeln".
Was fördert Resilienz bei Kindern?
Resilienz ist die Fähigkeit, Krisen, Rückschläge und Stresssituationen zu bewältigen und daraus gestärkt hervorzugehen. Grundsätzlich bringen Kinder schon einiges an Werkzeugen dafür mit. "Es geht nicht darum, dass man Resilienz bei Kindern aufbauen muss. Kinder sind von Natur aus resilient", sagt Topic. Vielmehr geht es bei der Förderung von Resilienz von Kindern um folgende Punkte:
- Die natürliche Resilienz sollte nicht zerstört werden, indem man Fehler oder Fehlverhalten als etwas "Schlimmes" bewertet.
- Das Kind sollte dabei unterstützt werden, die bereits vorhandene Resilienz weiter auszubauen, indem man das Kind bestärkt und es aus seinen Fehlern lernen lässt.
Was bedeutet das nun konkret für Eltern und Erziehungsberechtigte? Als Beispiel nennt Topic eine Situation aus dem schulischen Alltag: Wenn Kinder eine schlechte Note erhalten, sollten sie nicht Angst haben müssen, diese zuhause herzuzeigen. Besser ist es in so einer Situation "die übermäßige Gewichtung auf Schulnoten zu reduzieren und stattdessen mit dem Kind zu analysieren: 'Was hast du gut gemacht? Was hast du daraus gelernt?'", erklärt der Lehrer. So kann seiner Erfahrung nach Resilienz aufgebaut anstatt zerstört werden. Wenn das Kind gemeinsam mit den Eltern aus den Fehlern lernt, führt das wiederum dazu, dass das Kind mehr Selbstvertrauen aufbaut - und beim nächstem Mal mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit eine bessere Leistung erbringen wird.
Wie sinnvoll sind Noten in der Schule?
Ob bei Tests, Schularbeiten oder im Zeugnis - in Österreich werden im schulischen Regelbetrieb ständig Noten vergeben. Inwieweit Schulnoten sinnvoll sind, wird auch hierzulande immer wieder heiß diskutiert. Braucht man sie wirklich zur Beurteilung der Leistung? Oder kann man zugunsten von Alternativen darauf verzichten? Die Meinung von Experten und Expertinnen geht hier auseinander. Erstmal beurteilt wurden Kinder via Noten unter Kaiserin Maria Theresia. Im 18. Jahrhundert gab es allerdings nur die Noten "gut", "mittel" oder "schlecht". Ein Argument von Kritiker:innen ist, dass Schulnoten subjektiv sind und Untersuchungen gezeigt haben, dass dieselben Leistungen zu unterschiedlichen Noten führen können. Ein anderer Kritikpunkt lautet, dass eine Note nichts über individuelle Stärken und Schwächen aussagt. So kann es beispielsweise sein, dass eine Schülerin oder ein Schüler gut Englisch spricht, aber schlecht in der Rechtschreibung dieser Sprache ist.
"Eine Schulnote sagt nichts über den Menschen aus, der hinter dieser Note steht", sagt Bildungsexperte Ivan Topic. Er hält mehr davon, den gesamten Prozess zu bewerten: Die Kinder und Jugendlichen bekommen dabei durchgehend Feedback - nicht erst am Ende durch eine Note. Der Gedanke dahinter ist: Sobald sich Kinder davon lösen, dass es um die Note geht und sich auf den Prozess konzentrieren, können sie ihre Talente und Fähigkeiten besser entfalten. Das fortlaufende Feedbackschleife fördert die Weiterentwicklung. "Am Ende werden meine Anforderung übertroffen, weil sie sich immer weiter verbessern. Das Endergebnis ist für mich überwältigend", sagt Topic, der diese Art der Prozessbewertung in seinen Unterricht integriert. Der Lehrer räumt ein, dass es dazu auch das geeignete Fach braucht und für die Umsetzung in manchen Bereichen mehr Vorbereitungszeit als gewöhnlich nötig ist. Ihm ist dieser Zusatzaufwand das Resultat aber wert.
Tipps: Womit kann man Lernen didaktisch sinnvoll gestalten?
Das Erlernen von Unterrichtsmaterial findet einerseits großteils in der Schule statt, andererseits zuhause, wenn die Eltern oder andere Bezugspersonen mit den Kindern lernen. Welche Experten-Tipps man für den Unterricht und das Lernen allgemein mitnehmen kann:
Idealer Unterricht
"Ich habe meinen Sohn gefragt: 'Wie sieht für dich ein idealer Unterricht aus?' Seine Antwort ist extrem schnell gekommen: 'Indem wir mehr hinausgehen.'", erzählt Topic. Ähnliche Erfahrungen hat er selbst als Lehrer gemacht. Sein Motto lautet daher: Lernen braucht keinen Raum. Kinder sollten folglich für einen didaktisch sinnvollen Unterricht mehr Platz erhalten und das Lernen sollte nicht auf ein Klassenzimmer beschränkt sein. Seine Schüler:innen lässt Topic in Kleingruppen zusammenarbeiten, die sich für ein Projekt auch auf unterschiedliche Räumlichkeiten verteilen dürfen. So nimmt etwa eine Gruppe in einem stillen Raum einen Podcast auf, während eine andere lieber im Klassenzimmer bleibt. Dabei komme es laut Topic weniger auf den Lehrer oder die Lehrerin an, sondern die Schüler:innen würden sich vielmehr untereinander austauschen und sich gegenseitig etwas beibringen. "Man kann auch als Lehrkörper viel ermöglichen, wenn man den Kindern den Raum gibt, lernen zu erleben", zeigt sich der Lehrer überzeugt.
Lern-Tipps für zuhause
Folgende allgemeinen Tipps gibt der Bildungsexperte, der sich in der Schule mit dem Lernen selbst nicht immer leicht getan hat, Eltern für zuhause mit:
- Die Freude am Lernen an sich weiterzugeben - indem man etwa gemeinsam mit dem Kind eine neue Sprache oder eine neue Sportart erlernt und diese zusammen erlebt. "Mein Sohn hat zum Beispiel mit Taekwondo begonnen und wir haben gemeinsam angefangen, ein paar koreanische Begriffe zu lernen. Er kann mittlerweile schon mehr als ich und sogar mir etwas beibringen", sagt Topic. Wenn die Bereitschaft des Kindes da ist, lernen zu wollen, hat man schon gewonnen.
- Sich mit den Interessen des Kindes beschäftigen: Welche Bücher liest mein Kind? Welche sozialen Medien konsumiert es? Mit dem Kind über Interessen diskutieren und reflektieren. "Wenn Kinder merken, dass man sich mit ihren Themen beschäftigt und sich auskennt, ist man viel näher an ihnen dran, kann auf gleicher Augenhöhe kommunizieren und ihnen besser helfen", teilt der Lehrer mit.
- Mindmaps erstellen: dabei kann viel mit Farben gearbeitet werden oder mit Gerüchen (zum Beispiel: ein Getränk, das man beim Lernen immer wieder trinkt auch bei der Prüfung trinken etc.)
- Musikhören beim Lernen kann ebenfalls helfen - etwa das Hören von binauralen Beats (= linkem und rechtem Ohr werden Töne mit leicht unterschiedlicher Frequenz zugeführt), das die Konzentration steigern kann.