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Schlaglichter: Trauernde Limousinen

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©Bild: iStockPhoto
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Die Schwierigkeit, für Tragödien die richtigen Worte zu finden.

Sie kommen wieder in dunklen Limousinen, nachdem die Sekretärin mit ein paar Telefonaten noch schnell Termine abgesagt oder verschoben hatte, was nicht einfach war. Viele hatten sich vorbereitet, Zeit frei gemacht, vielleicht lange gewartet auf ein Treffen, das endlich eingeplant werden konnte. Doch es gab keinen Ausweg, die Limousinen mussten sich zeigen, rollten langsam, fast lautlos die letzten Meter zum Ort der Trauer, des Gedenkens.

Während der letzten Minuten überflogen die Fahrgäste auf den hinteren Sitzbänken noch schnell die vom Assistenten entworfene kurze Ansprache, nachdem sie während der Fahrt den Text mehrmals wiederholt, verbessert, korrigiert, umgestellt, die treffenden Worte unterstrichen hatten. Sie verlassen die Limousinen durch die von Chauffeuren mit Dienstkappen geöffneten Türen, steigen aus mit kontrollierten Gesichtern, überfordert mit dem Ereignis. Haben sie die Limousinen verlassen, beginnt eine schwierige Zeit. Sie werden beobachtet, bewertet, und jedes falsche Wort, ein deplatziertes Lachen kann die Position, sogar die Karriere gefährden.

Ratschläge

Ebenso verzweifelt wie die Offiziellen in ihren Limousinen sitzen Journalisten und Journalistinnen in den Redaktionen vor ihren Texten. Verlassen die Worte erst einmal die rationalen Tatsachen, die Berichte, und sollen nun kommentierend die Tragödie begleiten – mit ‚wir sollten ...‘, ‚wir müssten ...‘ – verliert sich der Text, gesprochen oder gedruckt, in der Hilflosigkeit, in die uns ein Ereignis wie Villach zurücklässt.

„Die Sprache verkleidet den Gedanken, und zwar so, dass man durch die Form des äußeren Kleides die Form des Körpers, also des Gedankens, nicht mehr unbedingt erkennen kann“, schrieb einst der Philosoph Ludwig Wittgenstein. Doch wen interessieren schon Gedanken. Es zählen die Worte, gehört oder gelesen, die sich wieder in Gedanken verwandeln, sich lösen vom Inhalt des Gesprochenen, des Gedruckten – Gedanken, die Worte bewerten und beurteilen, ob sie den eigenen Überlegungen entsprechen oder widersprechen.

Sprachspiel

Zwischen diesem Sprachspiel – wie es Wittgenstein bezeichnete – liegen die Toten, die Ermordeten. Um sie kreisen unsere Gedanken, die wir versuchen, in Sprache zu übertragen, die andere unsere Gedanken verstehen lässt. Doch Sprache spielt uns etwas vor in der Situation der Erschütterung, wenn wir mühsam nach Worten suchen, die unsere Überlegungen erfassen, sich dem Ereignis wie Knetmasse anschmiegen, und gleichzeitig Brücken bauen, um Gefühle und Gedanken anderer zu erreichen.

Von Gefühlen und Gedanken zur Sprache, von der Sprache zu Gedanken und Gefühlen. Zuhören und Lesen können Brücken bilden oder trennen durch tiefe Abgründe. Ein ‚Stille Post‘ Spiel, wie wir es als Kinder spielten, im Kreis sitzend und dem links Sitzenden ins Ohr flüstern, was wir vom rechts Sitzenden hörten – alles verändert sich bis zum Ende des Kreises. Der Letzte konnte nicht verstehen, was der Erste versuchte, ihm mitzuteilen. Oder wie Wittgenstein es formulierte: „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“

Kolumnen

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