Bei einem Psychopathen denkt man an Hannibal Lecter im Kino-Kassenschlager "Schweigen der Lämmer". Sind sie verdeckt mitten unter uns - oder nur unter Serienkillern zu finden? Allgemein bekannt sind ihr Mangel an Empathiefähigkeit und ihr Hang zur Brutalität.
Unter dem Begriff "Psychopathie" wird in internationalen Diagnoseklassifikationssystemen eine schwere Form der dissozialen oder auch antisozialen Persönlichkeitsstörung verstanden. Ein Psychopath ist jemand, der skrupellos Regeln bricht, Grenzen überschreitet und sich gegenüber Mitmenschen gleich viel rücksichtslos und manipulativ verhält. Man wird meist nur hinter vorgehaltener Hand so genannt. Der Begriff des Psychopathen ist als Bezeichnung einer Krankheit indessen aus den gängigsten Verzeichnissen psychischer Störungen verschwunden. "Psychopath" wird aber in unserer Alltagssprache noch immer als Schimpfwort verwendet.
In Wirklichkeit sind Betroffene psychisch schwer krank: Psychopathen stehen im Ruf einer außerordentlichen Intelligenz in Kombination mit ungebremster Emotionslosigkeit. Für die Diagnose einer dissozialen Persönlichkeitsstörung sind bestimmte Eigenschaften maßgeblich wie antisoziale Persönlichkeit, krankhafter Narzissmus, ausgeprägte Risikobereitschaft, emotionale Instabilität und beeinträchtigtes, stark reduziertes Gefühlsspektrum. Was vor allem furchteinflößend und bedrohlich ist: "Psychopathen" haben kaum Moralbewusstsein und zumeist keinerlei Schuldeinsicht. Emotionen wie Angst, Furcht, Zuneigung und Liebe werden von ihnen kaum je empfunden.
Ihr Grundempfinden ist allein eine impulsive Wut, die sich alarmierenderweise auch über Unschuldige ergießen kann. Diese unbändige Wut führt womöglich zum Verlust der Selbstkontrolle. Wichtig zu wissen ist, dass nicht jeder von einer dissozialen Persönlichkeitsstörung Betroffene die Veranlagung zu sadistischem Verhalten und Verbrechen hat. Aber warum sind Menschen antisozial und empathielos? Biologische Faktoren spielen mit, sind aber nicht allein verantwortlich. Unabhängigen wissenschaftlichen Studien zufolge weisen MRT-Scans des Gehirns bei betroffenen Personen ein reduziertes Volumen des präfrontalen Cortex sowie eine abgewandelte Form des Hippocampus und der Amygdala auf. Wie auch bei anderen psychischen Erkrankungen können traumatische Erfahrungen in der Kindheit zu einem Mangel an Empathie und einer damit verbundenen pathologischen Entwicklung führen.
Die seelische Traumatisierung, unter der eine Person leidet, geht auf die griechische Bezeichnung "Trauma" für Wunde zurück. Pathologische Verhaltensauffälligkeiten sind Versuche der betroffenen Person, die das ganze Leben lang nachwirkende psychische Erschütterung zu kompensieren, indem diese entweder verdrängt, mit krankhaften Verhaltensweisen überspielt oder sogar wiederholt. Nachhaltig wirken sich erste Beziehungserfahrungen, zum Beispiel zu einer lieblosen Mutter oder einem gewalttätigen Vater, auf die Persönlichkeitsentwicklung und den Mangel an sozialen Fähigkeiten aus. Sie können die Ausprägung des Krankheitsbildes verschärfen. Nichtsdestotrotz muss das nicht automatisch Grundlage für eine spätere Karriere als Straftäter sein.
Zu Menschen mit einer dissozialen Persönlichkeitsstörung eine stabile Beziehung aufzubauen, ist sehr schwer, da man im Umgang stets auf Stimmungsausbrüche, impulsive Zurückweisung und persönliche Angriffe gefasst sein muss. Meist besteht bei Betroffenen wenig Krankheitseinsicht, weshalb es jedes Mal wie ein Wunder ist, wenn sich jemand mit dem Wunsch nach Veränderung in eine Psychotherapie begibt.