Der Tod eines dreijährigen Mädchens in der Innsbrucker Kinderklinik schockte 2011 ganz Österreich. Im Mittelpunkt des Falles stand unter anderem das Narkosemittel Propofol. Doch wie gefährlich ist der Arzneistoff wirklich? Experten klären über Risiko sowie Vor- und Nachteile von Propofol auf.
"Das Mittel ist prinzipiell für Kinder von über einem Monat zugelassen", sagte Marcus Müllner, Chef der Aufsichtsbehörde AGES PharmMed gegenüber News.at. Die Zulassung gelte für die Einleitung und Aufrechterhaltung der intravenösen Anästhesie während der Operation und für Kurznarkosen, jedoch nicht für die Intensivtherapie. Bei einer längeren Behandlung mit dem Narkosemittel auf der Intensivstation müsse der Patient mindestens 16 Jahre alt sein, erklärte Müllner.
Sicherheit und Risiken
Ein höheres Risiko als bei anderen Narkosemitteln sei nicht gegeben, sagte Peter Marhofer, Kinderanästhesist an der MedUni Wien, gegenüber News.at. "Propofol hat ein extrem breites Sicherheitsspektrum und ist für viele Bereiche in der Anästhesie unersetzbar", teilte der Mediziner mit. Wichtig sei die Arznei zum Beispiel bei Operationen oder Untersuchungen, wie einer Kernspintomografie. Eine Umfrage unter 28 internationalen Kliniken zeige: Propofol werde weltweit hauptsächlich zur Einleitung einer Narkose eingesetzt, eher seltener zur Aufrechterhaltung. Für eine Langzeitsedierung komme das Mittel so gut wie nie zum Einsatz - weder bei Kindern noch bei Erwachsenen. "Mehr als 24 Stunden wird normalerweise niemand damit sediert", sagt Marhofer. Bei richtiger Anwendung durch einen Anästhesisten sei Propofol ein sicheres Medikament.
Verbot für Kinder?
In der Innsbrucker Kinderklinik ist Propofol von der ärztlichen Direktion bereits gänzlich untersagt worden. Ein generelles Verbot für Kinder ist allerdings auszuschließen. "Das Medikament wirkt gut und ist sehr leicht steuerbar, weil es kurz wirkt", erklärte der Chef der AGES PharmMed. Der Patient schlafe sofort ein und wache sofort auf, sobald das Narkosemittel nicht mehr zugeführt wird. "Bei anderen Produkten hat man ein paar Stunden danach noch einen Hangover", sagte der Experte. Der Nutzen überwiege das Risiko in dem Fall auch für Kinder bei weitem. Ein Restrisiko bleibe immer, auch bei anderen Narkosemitteln.
Einzelbeschlüsse, wie jener in Innsbruck, seien nicht sehr sinnvoll, so Marhofer. "Man versucht zwar nach dem Vorfall das Richtige zu tun. Die Sicherheit wird dadurch aber nicht erhöht." Absprachen mit Experten seien in diesem Fall effizienter. Außerdem habe Propofol den Vorteil, dass es keine Nebenwirkungen gebe. Bei anderen Narkotika könne es jedoch beispielsweise vorkommen, dass die Nerven geschädigt werden.
Todesfälle durch Propofol-Infusions-Syndrom
Propofol ist seit 1989 am Markt und wurde laut Marhofer seither 2,5 bis 3 Milliarden Mal angewandt. In seltenen Fällen ist dabei das sogenannte Propofol-Infusions-Syndrom (Rhabdomyolyse) aufgetreten. Dabei wird der Körper übersäuert, es kommt zum Muskelzerfall und schließlich zum Multiorganversagen. Derzeit gibt es 35 belegte Fälle des Syndroms. Die Dunkelziffer liege jedoch noch höher, schätzt Marhofer. Das Syndrom dürfte laut dem Mediziner auch im Fall des verstorbenen dreijährigen Mädchens zum Tod geführt haben.
Die Ursache für das Propofol-Infusions-Syndrom ist bisher noch nicht bekannt, sagt Müllner. Die Fallberichte würden allerdings zeigen, dass bei langer Behandlung Kinder häufiger davon betroffen sind als Erwachsene. Von einer Langzeitsedierung mit Propofol auf Intensivstationen rät Marhofer daher bei Kindern und auch bei Erwachsenen ab. Da gebe es geeignetere Alternativen, auf die man zurückgreifen könne. Außerdem gehe aus den Berichten nicht eindeutig hervor, ab welchem Zeitpunkt Schwierigkeiten auftreten können. "Das Syndrom kann auch schon unter 24 Stunden ausgelöst werden", warnt Marhofer. Eines könne man aber beobachten: Die gleichzeitige Verabreichung von kreislaufunterstützenden Mittel und Kortison zusammen mit Propofol erhöhe das Risiko auf ein Propofol-Infusions-Syndrom. Die Anzahl der Vorfälle sei aber im Vergleich dazu, wie oft Propofol eingesetzt werde, sehr gering. Insgesamt sei die Narkose aber in unseren Breiten extrem sicher geworden. "Die Anzahl der narkosebedingten Todesfälle gehe in Mitteleuropa mittlerweile fast gegen Null", sagte Marhofer.