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Warum Österreich ein Alkoholproblem hat

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Eine Gruppe von Leuten prostet einander mit Cocktailgläsern zu

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Wir leben in einer Alkoholgesellschaft. Jährlich trinken wir, so die aktuelle WHO-Statistik, pro Kopf und Nase durchschnittlich 10,6 Liter. Reinalkohol, versteht sich. Unter den 194 WHO-Mitgliedern kommt die Alpenrepublik damit auf Platz 35. Im europäischen Vergleich haben es die Österreicher sogar auf Platz 7 geschafft. Wie kommt es, dass wir so viel trinken? Bietet ein derartiger Rekord Anlass zur Sorge? Und woran erkennt man, ob man möglicherweise selbst ein Alkoholproblem hat?

"Es gibt Gesellschaften, in denen der Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit verpönt ist. Wien in Saudiarabien", erklärt Prof. Michael Kunze, Vorstand des Instituts für Sozialmedizin der MedUni Wien. "Dann gibt es Gesellschaften, in denen eine gewisse Ambivalenz herrscht." Dies sei in einigen Teilen der USA der Fall. Und dann gebe es solche, die einen lockeren Umgang mit Alkohol pflegen. In denen zu jeder Tages- und Nachtzeit Alkohol in jeder beliebigen Menge gekauft werden kann. Wie etwa in Österreich. "Wir könnten zehn Flaschen Schnaps kaufen, und keiner würde etwas dabei finden", veranschaulicht der Wiener Sozialmediziner.

Wir könnten zehn Flaschen Schnaps kaufen, und keiner würde etwas dabei finden

Michael KunzeFacharzt für Hygiene und Mikrobiologie und Sozialmedizin

Das ist aber nur einer der Gründe, warum man hierzulande gerne und viel trinkt. Denn Alkohol ist in Österreich nicht nur sozial akzeptiert, er ist auch leicht verfügbar und obendrein extrem billig. "Immer, wenn eine psychoaktive Substanz leicht verfügbar ist, wird mehr von ihr konsumiert." Dasselbe gilt für den niedrigen Preis. Ist das Suchtmittel billig, wird es in der Regel häufiger gekauft. Steigt der Preis dagegen an, sinkt der Konsum.

So viele Österreicher haben ein Alkoholproblem

14 Prozent der Österreicher, so eine Erkenntnis einer im Februar 2017 veröffentlichten Studie, haben ein Alkoholproblem. Weitere fünf Prozent fallen gar in die Kategorie der Alkoholiker. "Bei jeder Feier, jedem Anlass, wird Alkohol angeboten und getrunken", sagt Kunze. Das hat aber noch lange nichts mit Alkoholismus zu tun. "Alkoholismus ist eine Erkrankung. Hier geht es nicht um denjenigen, der mal ein Glas Sekt trinkt. Sondern um die Heavy User." Wiewohl die durchschnittlichen 10,6 Liter Reinalkohol ja auch nicht auf alle Österreicher gleichermaßen verteilt sind. Die einen trinken weniger. Die anderen mehr. Und wiederum andere zu viel.

Die 6 Symptome der Abhängigkeit

Welche Anzeichen sollten uns demnach ernsthaft zu denken geben? Ab wann spricht man von einer Abhängigkeit? Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nennt sechs Kriterien.

  1. Heftiges Verlangen. Auch Craving genannt. Gemeint ist damit der starke Drang, das entsprechende Suchtmittel zu konsumieren.

  2. Dosissteigerung. Der Organismus gewöhnt sich mit der Zeit an das Suchtmittel. Um nach wie vor den gewünschten Effekt zu erzielen, muss der Betroffene die konsumierte Menge sukzessive erhöhen.

  3. Kontrollverlust. Der Betroffene ist nicht mehr in der Lage, den Konsum des Suchtmittels, Menge und Dauer betreffend, zu regulieren.

  4. Körperliche Entzugsbeschwerden. Hierzu zählen unter anderem Schweißausbrüche, Schlafstörungen, depressive Verstimmungen, Unruhe und Angst.

  5. Interessensverlust. Der Betroffene gibt ursprüngliche Interessen und Aktivitäten auf. Stattdessen wird das Suchtmittel zu seinem Lebensmittelpunkt.

  6. Fortdauernder Konsum. Ungeachtet möglicher negativer sozialer und gesundheitlicher Folgen wird das Suchtmittel weiter konsumiert.

Eine Abhängigkeit ist der WHO zufolge dann gegeben, wenn mindestens drei der sechs Symptome gleichzeitig vorliegen.

Trinken, um zu funktionieren

Kunze zufolge beträgt der Anteil alkoholkranker Menschen am Arbeitsplatz, "die Alkohol brauchen, um normal funktionieren zu können", grob geschätzt drei bis vier Prozent. Dieses Phänomen würde sich quer über sämtliche Berufsgruppen erstrecken, vom Lehrer bis zum Chirurgen. Stichwort Spiegeltrinker. "Er ist sozial unauffällig, arbeitet und spricht mit mir, ist unter Umständen nicht einmal betrunken." Braucht aber eine gewisse Menge Alkohol, um seinen täglichen Pflichten nachkommen zu können. Anders als jene, die sich zwar nur hin und wieder betrinken, dann aber "bis zur Bewusstlosigkeit".

Viele warten lange und gehen erst zu einem Spezialisten, wenn etwas passiert ist

Michael KunzeFacharzt für Hygiene und Mikrobiologie und Sozialmedizin

Nicht zu verwechseln mit einem gelegentlichen Umtrunk aus sozialem Anlass. Dabei sollten wir dem Experten zufolge immer überlegen: War die Menge, die ich getrunken habe, angemessen? Wie oft trinke ich? Konsumiere ich Alkohol wie ein Medikament? Möglicherweise um mich besser zu fühlen? Um Stress, Spannung oder Ängste zu bekämpfen? Und das regelmäßig? Ist das der Fall, empfiehlt es sich, professionelle Hilfe aufzusuchen. "Viele warten lange und gehen erst zu einem Spezialisten, wenn etwas passiert ist." Ein Autounfall etwa. Oder ein einschneidender Zwischenfall in der Arbeit. Gleichzeitig muss der Leidensdruck hoch genug sein. "Der Alkoholkranke muss zum Arzt gehen und sagen: 'Bitte helfen Sie mir. Ich kann nicht mehr weiter." Nur dann ist er auch wirklich bereit, Hilfe anzunehmen.

Wie kann ich helfen?

Apropos Hilfe: Was kann ich tun, wenn ich sehe, dass jemand in meinem Umfeld ein Alkoholproblem hat? Wie kann ich helfen? "Das ist schwierig. In den Lehrbüchern steht geschrieben: Sprechen Sie das Problem direkt an." Das sagt sich allerdings leichter, als es ist. Daher rät Kunze, sich vorsichtig an das Thema heranzutasten. Mit Fragen wie "Hast Du Sorgen?" oder "Stehst Du gerade sehr unter Druck?". Denn Alkoholismus gründet dem Experten zufolge so gut wie immer auf einer psychischen Erkrankung. Beispielsweise einer Depression, die der Betroffene mit Alkohol zu behandeln versucht. "Und es scheint ja zu funktionieren. Er spürt ja die Erleichterung." Wenn auch nur eine kurzzeitige. Ein einmaliges Gespräch wird im Übrigen nicht den gewünschten Erfolg bringen. Vielmehr müsse man das Thema über einen längeren Zeitraum hinweg immer wieder aufs Tapet bringen.

So viel zum Einzelnen. Und wie steht es um unsere Gesellschaft im Allgemeinen? Wie ernst ist die Lage in Sachen Alkohol in Österreich? Dazu der Sozialmediziner: "Wir liegen im schlechten Mittelfeld. Das Alkoholproblem ist gegeben. Doch es wird nicht größer. Es ist stabil bis leicht fallend." Und es könnte noch weiter fallen. Mithilfe einer angemessenen Preispolitik. Denn, wie bereits erläutert, je höher die Preise, desto niedriger der Konsum. Aber das ist wohl eine andere Geschichte.

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