Sandra Siegert erforscht am ISTA in Klosterneuburg, wie sich Lichtimpulse mit einer Frequenz von 60 Hertz auf psychische Erkrankungen auswirken
Die Funktion unseres Gehirns ist äußerst komplex. Während die Bedeutung der Nervenzellen schon lange ausgiebig erforscht wird, weiß man über die Immunzellen im Gehirn nach wie vor relativ wenig. Um mehr darüber zu erfahren, erforschen Sandra Siegert und ihr Team die sogenannten Mikroglia im Gehirn. „Lange Zeit nahm man an, dass das nur Makrophagen sind, die im Gehirn sitzen und beispielsweise bei Gehirnverletzungen oder Infektionen aktiviert werden“, erklärt die Forscherin. „Wir haben allerdings in den vergangenen Jahren festgestellt, dass sie noch deutlich mehr Funktionen haben. Sie tasten z. B. konstant Nervenzellen ab und überprüfen ihre Verbindungen.“
Mit 60 Hertz gegen Depressionen
In Experimenten ermittelte die Wissenschaftlerin, wie sich bestimmte Medikamente, allen voran das Anästhetikum Ketamin, auf das Nervensystem auswirken. Dabei entdeckte Siegert, dass beim Aufwachen aus der Anästhesie die Mikroglia aktiviert sind. „Wir stellten fest, dass die aktiv gewordenen Mikroglia nicht das Nervensystem veränderten, sondern die Außenstruktur von Nervenzellen adaptierten und dadurch ermöglichten, neue neuronale Verbindungen aufzubauen“, erklärt die Forscherin. Ein Mechanismus, der bei der Entstehung neurologischer Erkrankungen von Alzheimer bis ADHS eine Rolle spielt.
Mit der Entdeckung kam die Idee, dieses Wissen als Therapieansatz für Erkrankungen wie Depressionen zu verwenden. Da Ketamin jedoch nicht optimal für eine längere Behandlung ist, wurden weitere Untersuchungen durchgeführt. Dabei wurde ein 60-Hertz-Impuls während des Messens der neuronalen Aktivitäten im Gehirn festgestellt.
Brille statt Medikamente
Das Team designt nun eine Brille, die Lichtimpulse mit einer Frequenz von 60 Hertz abgibt. Im Tiermodell konnten bereits positive Ergebnisse erzielt werden. Aktuell läuft Phase zwei der Studie, und Siegert ist zuversichtlich, dass in absehbarer Zeit diese Brille als eine Möglichkeit zur Behandlung von Depressionen zum Einsatz kommen wird.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 45/2024 erschienen.
Die Forscherin
Sandra Siegert
Nach ihrem Studium der Biologie an der Universität Frankfurt am Main wechselte sie für ihre Dissertation nach Basel. Als Post-Doc forschte Siegert am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston. 2015 kam sie schließlich als Assistenzprofessorin ans ISTA in Klosterneuburg. Mittlerweile ist sie Professorin und Mitgründerin der Syntropic Medical GmbH