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Legasthenie: Die Lese-/Rechtschreibstörung (LRS), die keine Krankheit ist

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10 min
Ein Kind macht zuhause Hausaufgaben.

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Legasthenie ist auch bekannt als Lese-/Rechtschreibstörung (LRS) und bezeichnet eine besondere Problematik beim Erlernen der Schriftsprache. Legasthenie ist keine Krankheit. Ob es dennoch heilbar ist und wie man helfen kann, erklärt Legasthenietrainerin Astrid Dif für News.at.

Was ist Legasthenie?

Unter Legasthenie oder anders gesagt Lese-/Rechtschreibstörung (LRS) versteht man eine besondere Problematik beim Erlernen der Schriftsprache, die nicht auf eine allgemeine geistige Beeinträchtigung oder ungünstige Entwicklungs- oder Unterrichtsbedingungen zurückzuführen ist. Betroffene verfügen somit über einen durchschnittlichen bis überdurchschnittlichen IQ. In den übrigen Schulfächern zeigen sie unauffällige Leistungen. Betroffen ist entweder das Lesen oder das Schreiben, sehr oft allerdings beides.

In der pädagogischen Definition spricht man außerdem bewusst von Lese-/Rechtschreibschwäche, Dieser Begriff schließt zusätzlich alle Menschen mit ein, die immer wieder an bestimmten Lese-Rechtschreibphänomenen scheitern und ist somit weiter gefasst als der Begriff Legasthenie. Im Gegensatz zur Legasthenie tritt eine Lese-/Rechtschreibschwäche auch bei Menschen ohne Wahrnehmungsdefizite auf.

Wie erkennt man Legasthenie – bei welchen Symptomen sollte man aufmerksam werden?

Symptome können bereits im Vorschulalter auftreten: geringer Wortschatz, verspäteter Sprachbeginn und Schwierigkeiten bei der Lautunterscheidung und Reimbildung. Auch wenn zum Beispiel das „Silbenklatschen“ schwerfällt, könnte das ein Anzeichen für eine Legasthenie sein.

Anzeichen beim Lesen sind beispielsweise eine sehr niedrige Lesegeschwindigkeit oder ein stockendes Lesen. Oft werden Wortteile, Silben oder Buchstaben ausgelassen, vertauscht oder verwechselt. Der Text kann dann auch nur unzureichend wiedergegeben werden. Typisch ist auch, dass dann auf Fragen zum Text mit allgemein bekanntem Wissen geantwortet wird, anstatt mit der relevanten Information aus dem Text.

Beim Schreiben werden ebenfalls Buchstaben vertauscht, vergessen oder verwechselt. Das Abschreiben fällt schwer. Wörter werden im gleichen Text unterschiedlich falsch geschrieben. Auch die Grammatik und die Zeichensetzung weist eine hohe Fehleranzahl auf. Es gibt Schwierigkeiten beim Erinnern von Reihenfolgen und so weiter.

Natürlich machen sich diese Schwierigkeiten auch in allen anderen Fächern bemerkbar, in der das Lesen und Schreiben eine Rolle spielt, zum Beispiel bei Textaufgaben in der Mathematik.

Ab welchem Alter kann man Legasthenie feststellen?

Die Diagnostik findet üblicherweise ab Beginn der zweiten Schulstufe oder später statt. Eine Vortestung ist allerdings schon im Vorschulalter möglich.

Formen bzw. Ausprägungen der Legasthenie

Prinzipiell hat jedes betroffene Kind individuelle Schwierigkeiten, und die Ausprägungen sind auch sehr unterschiedlich.

In der Theorie unterscheidet man noch die Primärlegasthenie von der Sekundärlegasthenie. Beide sind genetisch bedingt. Von einer Primärlegasthenie spricht man, wenn folgende drei Punkte auftreten:

  • Zeitweise Unaufmerksamkeit beim Lesen und Schreiben

  • Differente Sinneswahrnehmungen

  • Individuelle Fehlersymptomatik

Die Sekundärlegasthenie tritt dann auf, wenn die Primärlegasthenie durch bestimmte ungünstige Faktoren verstärkt wird. Zum Beispiel durch ein ungünstiges Lernumfeld oder psychisch herausfordernde Ereignisse.

Menschen mit Legasthenie sind nicht krank

Ist Legasthenie überhaupt eine Krankheit?

Nein, Menschen mit Legasthenie sind nicht krank. Mit entsprechender fachlicher Unterstützung können ihre Schwierigkeiten weitgehend überwunden oder ausgeglichen werden. Allerdings ist das ein Weg, der sich sehr oft über die gesamte Schullaufbahn hinzieht und viel Geduld und Verständnis von allen Beteiligten fordert.

Welchen Arzt sucht man auf, wenn man vermutet, legasthen zu sein?

Bei gravierenden Schwierigkeiten im Lesen oder Schreiben empfehle ich den Weg zu einer/m klinischen Psychologin/en, der auf diese Art von Lernschwierigkeiten spezialisiert ist. Dort kann eine differenzierte Diagnose gestellt werden unter Einbeziehung verschiedener Parameter wie zum Beispiel des IQ.

Wie wird getestet, ob Legasthenie vorliegt?

Es gibt hierfür verschiedene wissenschaftlich standardisierte Testverfahren.

Welche Ursachen hat Legasthenie?

Legasthenie ist genetisch bedingt und kommt oft familiär gehäuft vor, oft verbunden mit visuellen oder auditiven Wahrnehmungsstörungen und einer Schwierigkeit, die gehörte Sprache in ihre Teile zu segmentieren. Man nennt das mangelnde phonologische Bewusstheit.

Das heißt, man kann Legasthenie nicht erst im Erwachsenenalter „bekommen“?

Nein, man hat die Anlage dazu von Geburt an. Sie kann aber verstärkt werden durch ungünstige Faktoren oder Ereignisse, bzw. können ihre Symptome im besseren Fall durch gezielte Unterstützung überwunden oder ausgeglichen werden.

Hängt Legasthenie mit ADHS, zusammen?

Ja, Genforscher nehmen an, dass Legasthenie zum Beispiel oft mit ADHS oder Autoimmunerkrankungen einhergehen kann, da die Anlagen dazu genetisch gesehen sehr eng beieinanderliegen.

Die Erkenntnis, dass es sich um eine Legasthenie handelt, kann für die Eltern und das Kind eine große Erleichterung sein.

Wie kann man einem Kind mit Legasthenie helfen, wie können Eltern unterstützen?

Die Erkenntnis, dass es sich um eine Legasthenie handelt, kann für beide - die Eltern und das Kind – schon mal eine große Erleichterung sein. Auch die Information, dass Legasthenie nichts mit mangelnder Intelligenz zu tun hat, entlastet ungemein.

Davor haben beide meist schon einen längeren Leidensweg hinter sich mit vielen frustrierenden Lernsituationen. Oft wird sehr intensiv geübt, dennoch ist kein Erfolg in Sicht. Das ist sowohl für die Eltern als auch das Kind zutiefst frustrierend und dann macht sich große Hilflosigkeit breit. Die Kinder merken selbst, dass es bei den Klassenkameraden besser läuft, was dann ziemlich am Selbstwert nagt. Auch die Eltern-Kind-Beziehung leidet darunter.

Deshalb ist es wichtig, sich in dieser Situation fachliche Hilfe zu holen. Damit kann Druck aus der Situation genommen werden, Eltern können etwas Verantwortung abgeben und somit bessert sich auch die Beziehung zum Kind wieder. Zudem kann eine fachlich ausgebildete Person als Vermittler zwischen Eltern, Kind und Schule fungieren.

Eltern können ihren Kindern in erster Linie mit Verständnis und Geduld helfen. Wichtig für Kinder mit LRS ist, dass sie wieder Erfolgserlebnisse haben. Spielerische Lernangebote ohne Bewertungsdruck sind motivierend und lassen das Kind auch wieder Freude am Lernen erleben.

Wann sollte man sich Hilfe holen?

Oft werden Eltern gezielt von LehrerInnen angesprochen. Wenn das nicht der Fall ist, sollte spätestens dann Hilfe geholt werden, wenn Eltern merken, dass immer und immer geübt wird, aber kein Erfolg erzielt werden kann. Wenn zum Beispiel die Hausübungssituation als sehr belastend empfunden wird, das Kind unangemessen lange braucht, um seine Übungen zu erledigen oder wenn andere Symptome auftreten, die oben beschrieben sind.

Legasthenie verschwindet nicht.

Ist Legasthenie „heilbar“ oder kann man nur lernen, damit umzugehen?

Legasthenie verschwindet nicht. Mit einer angemessenen Förderung und dem nötigen Verständnis aller Parteien – Eltern, Schule, Kind - kann man sehr gut lernen, damit umzugehen und auch in der Schule erfolgreich zu sein.

Wie wird Legasthenie behandelt?

Mit einem gezielten Training, das sowohl an der Wahrnehmung, an der Aufmerksamkeit als auch an den jeweiligen Symptomen ansetzt.

Kommen bei der Therapie auch Medikamente zum Einsatz?

Nein.

Wie viele Menschen sind von Legasthenie betroffen?

Von Legasthenie sind circa zwei bis fünf Prozent der Bevölkerung betroffen, von einer Lese-Rechtschreibschwäche etwa 20 Prozent.

Sind mehr Mädchen oder Buben betroffen?

Es werden mehr Buben als Mädchen als legasthen diagnostiziert. Unklar ist allerdings, ob das daran liegt, dass Buben einfach öfter getestet werden (zum Beispiel weil ein Zusammenhang mit ADHS besteht).

Wie geht man in Bezug auf die Schule damit um?

Ein offenes Gespräch mit den LehrerInnen ist auf jeden Fall hilfreich. Oft macht es Sinn, wenn ein/e LegasthenietrainerIn Kontakt mit der Schule aufnimmt, um gemeinsam Lösungen zu finden. Auch wenn die Eltern-Lehrer-Kind Beziehung bereits belastet ist, ist es oft hilfreich, wenn durch eine Fachperson vermittelt wird.

Gibt es spezielle Klassen/Schulformen, die besser geeignet sind für Kinder mit Legasthenie?

Ja, es gibt Schulen, die eine spezifische LRS-Förderung anbieten und gegebenenfalls auch die Legasthenie bei der Notengebung berücksichtigen. Leider nicht flächendeckend.

Was würden Sie Erwachsenen mit Legasthenie empfehlen?

Auch im Erwachsenenalter kann eine Förderung noch sinnvoll sein. Sei es, weil man beruflich profitieren würde oder auch persönlich an einer Besserung arbeiten möchte.

Geht Legasthenie oft mit Dyskalkulie einher?

Das kommt eher selten vor. Diagnostisch sollte das wiederum nur von klinischen PsychologInnen abgeklärt werden.

In der Öffentlichkeit ist wohl eher das Thema Legasthenie vorherrschend, wobei der Dyskalkulie zunehmend Aufmerksamkeit zuteilwird. Circa drei bis sieben Prozent der Bevölkerung sind von Dyskalkulie betroffen.

Zur Person

© Astrid Dif

Steckbrief

Astrid Dif

Zur Person: Astrid Dif ist diplomierter Lerncoach, Legasthenie- und Dyskalkulie-Trainerin sowie diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester. Die Mutter von drei Kindern arbeitet selbständig in ihrer eigenen Praxis, der Lernwerkstatt Pippi Lotta in Wien-Stammersdorf.

Weitere Information: Frau Dr. Astrid Kopp-Duller, Präsidentin des Ersten Österreichischen Dachverbandes Legasthenie, hat mit ihren Forschungsarbeiten in Österreich, in der Schweiz und in den USA einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung von pädagogisch-didaktischen Methoden geleistet, die es legasthenen und dyskalkulen Menschen ermöglichen, das Schreiben, Lesen und Rechnen ausreichend zu erlernen. Auch hat Dr. Astrid Kopp-Duller das Wort "legasthen" geprägt.Hier geht es zum Blog von Astrid Kopp-Duller.

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Psychische Gesundheit

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