Wie erkläre ich meinem Kind den Tod? Und soll ich es, wenn ein lieber Verwandter gestorben ist, zum Begräbnis mitnehmen? Fragen, mit denen sich Eltern früher oder später auseinandersetzen müssen. Eine Expertin und ein Experte klären auf.
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Plötzlich ist er nicht mehr da. Ein geliebter Mensch. Der Tod hat ihn überrumpelt - und damit auch jene, die ihm nahestanden. Und als wäre die Situation nicht schon schwierig genug, sieht man sich als Elternteil nun auch noch mit der Frage konfrontiert: Soll ich mein Kind zum Begräbnis mitnehmen? Abgesehen davon: Wie erklärt man einem Kind, was es mit dem Tod auf sich hat? Welcher Zeitpunkt ist der richtige, um dieses Thema aufzugreifen? Und was genau soll man dann sagen?
Wie erkläre ich einem Kind den Tod?
"Immer bei der Wahrheit bleiben", betont Psychologin und Psychotherapeutin Dr. Sabine Völkl-Kernstock. "Kein Märchen aus dem Tod machen, nichts beschönigen." Die Wahrheit hat - altersgerecht aufbereitet - der Kinder- und Jugendpsychologin zufolge oberste Priorität. Altersgerecht aufbereitet, das heißt, dem Kind den Sachverhalt auf eine Art und Weise näher bringen, dass es ihn auch verstehen kann. So könne man einem Kind, dessen Großvater verstorben ist, zum Beispiel sagen, dass der Opa schon alt, vielleicht auch krank war, und sein Herz zu schlagen aufgehört hat. Rein gar nichts brächte es dagegen, dem Kind zu sagen: "Opa sitzt jetzt auf einer Wolke im Himmel."
Gerade kleinere Kinder würden, so der auf Kinder, Jugendliche und Familien spezialisierte Psychologe Dr. Christian Gutschi, darauf warten, dass der Verstorbene früher oder später von seiner Wolke herunterkommt, um wieder unter seinen Lieben zu weilen. Umso größer die Enttäuschung, wenn das Kind schließlich begreift, dass das nicht der Fall sein wird. Und als wäre dies noch nicht genug, fühlt es sich vom Überbringer besagter Botschaft vermutlich auch noch betrogen. Nach dem Motto: "Mama hat mich angelogen. Der Opa kommt gar nicht mehr zurück."
Vor allem für Menschen in unserem Kulturkreis ist das Thema Tod ein sehr schwieriges. Oft ist es die Angst vor dem eigenen Nicht-mehr-Sein, die uns dazu veranlasst, dieses Thema, so gut es geht, auszusparen. Am liebsten würden wir auch unser Kind vor dieser Bedingung des Lebens bewahren. Um es zu beschützen. Das sei, so Gutschi, aber ein Fehler. Denn: "Der Tod gehört zum Leben dazu. Das gilt für Pflanzen und Tiere, ebenso wie für den Menschen." Anstatt ihn auszuklammern, gilt es, die Traurigkeit des Kindes auszuhalten. "Davor haben Eltern oft am meisten Angst", weiß Vökl-Kernstock.
Wann ist der richtige Zeitpunkt?
Den Tod nicht ausklammern heißt auch, ihn zu thematisieren. Wann aber ist der richtige Zeitpunkt dafür? "Man muss nicht ununterbrochen über den Tod reden", sagt die Psychologin, der zufolge man das Thema anlassbezogen aufs Tapet bringen sollte. Manche Kinder haben ein Haustier. "Wenn der kleine Hamster stirbt, ist man schon mitten im Thema drin." Und auch im Alltag begegnet man dem Tod immer wieder. Zum Beispiel in Form eines Vogels, der reglos am Straßenrand liegt, oder eines Blatts, das zu Boden fällt.
Man sollte das Thema nicht breittreten, sondern dem Kind erklären, was es wissen will, und ihm vermitteln, dass es jederzeit Fragen stellen darf. Oft flechten Kinder den Tod auch ins Spiel ein: Zwei Figuren kämpfen miteinander. Eine fällt um, ist tot. "Der Tod ist also durchaus präsent. Mit dem einzigen Unterschied, dass die Figuren im Spiel - anders als im echten Leben - relativ schnell wieder lebendig werden", so Gutschi. Tatsächlich können sich Kinder im Vorschulalter noch nicht vorstellen, dass das Leben eines Tages endet.
"Beim Eintritt ins Schulalter verstehen sie erstmals, dass es ein Ende gibt", sagt die Psychologin. Für manche sei das eine traurige Erkenntnis. "Aber sie gehört zur Entwicklung dazu." Genauso, wie es in unserer Kultur dazugehört, Menschen nach ihrem Tod zu beerdigen. Womit wir auch schon bei der nächsten Frage wären: Darf ich mein Kind zum Begräbnis mitnehmen? Manche Eltern haben Angst, es dadurch zu traumatisieren. Das Kind vor diesem Erlebnis bewahren zu wollen, sei aber ein Fehler, mahnt Gutschi.
Soll ich mein Kind zum Begräbnis mitnehmen?
"Kinder können damit sehr gut umgehen", weiß der Psychologe. Dagegen könne es ihnen zum Nachteil gereichen, wenn man sie von der Trauerfeier fernhält. Weil man ihnen damit die Möglichkeit nimmt, sich vom Verstorbenen zu verabschieden. Nicht selten rufe das beim Kind zu einem späteren Zeitpunkt eine große Traurigkeit hervor. "Die Realität ist jedem Kind zumutbar", sagt Völkl-Kernstock, der zufolge man sich in diesem Zusammenhang fragen sollte, inwieweit es hier überhaupt noch ums Kind gehe und wovor man selbst Angst habe.
"Viele Eltern sagen im Nachhinein, dass es die richtige Entscheidung war, das Kind mitzunehmen", so die Psychologin. Das Verlusterlebnis lässt die Hinterbliebenen wieder ein Stück weiter zusammenrücken. Sie spüren die Nähe. Und das tut gut. Abgesehen davon lernt das Kind am Beispiel der Eltern, wie man mit dem Tod eines geliebten Menschen und den Gefühlen, die der Verlust mit sich bringt, umgeht. Dass man traurig sein, weinen darf. Die Trauer aber nicht alles überschatten muss und man danach auch wieder fröhlich sein darf. "Besser, man lernt das von den Eltern und in einem geschützten Raum."
Vor der Trauerfeier empfiehlt es sich, sich zu überlegen, wie man das Kind einbinden kann. "Für manche Kinder ist es ganz wichtig, dem Verstorbenen tröstend etwas ins Grab mitzugeben", erklärt Völkl-Kernstock. Eine Zeichnung, einen Brief oder ein selbst gebasteltes Engerl. Bei Bedarf kann man dem Kind auch ein paar Vorschläge unterbreiten, sollte diesbezüglich aber nichts erzwingen. Ebenso wenig sollte man das Kind fragen, ob es zum Begräbnis mitkommen möchte. "Die Entscheidung muss von den Eltern getroffen werden", betont Gutschi.
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So bereitet man das Kind gut vor
Darüber hinaus sollte man dem Kind beschreiben, wie die Zeremonie abläuft. Welche Rituale es gibt, wer anwesend sein wird und warum alle schwarz tragen werden. Älteren Kindern könne man erklären, wie man vor den Sarg tritt und dem Verstorbenen die letzte Ehre erweist. "Hier herrscht auch bei Erwachsenen oft große Unsicherheit", weiß die Psychologin. Um das Kind mit dem Ort vertraut zu machen, könne man mit ihm den Friedhof bereits vor der Beerdigung besuchen. "Diese Auseinandersetzung", so Gutschi, "zeigt dem Kind, dass man es ernst nimmt." Zudem schafft sie Nähe.
Während der Trauerfeier sollte das Kind eine vertraute Person an seiner Seite haben. Jemand, der ihm Halt geben, Fragen beantworten und mit ihm, wenn notwendig, den Ort des Geschehens auch verlassen kann. Ob die Eltern diese Aufgabe übernehmen, hängt davon ab, wie sehr sie von ihrer eigenen Trauer betroffen sind. Idealerweise sollte die Person, die das Kind begleitet, nicht allzu sehr emotional involviert sein. Zuhause könne man dann gemeinsam Fotos anschauen oder eine Kerze anzünden. Dazu Gutschi: "Es gibt viele Möglichkeiten, eine gewisse Zeitlang Trauerrituale durchzuführen."
"Wenn sich das Kind verabschieden konnte, ist es leichter", weiß der Psychologe. Manche Kinder gehen auch ganz natürlich mit dem Tod um. Sind zwar traurig, aber nehmen den Tod als gegeben hin. Sofern man sie lässt. "Statt den Tod zu verdrängen, ihn auszugrenzen, sollte man ihn von klein auf als Teil des Lebens begreifen. Wenn die Eltern diese Haltung vertreten, dann kann auch das Kind sie annehmen. Dann wird der Tod gleich gar nicht erst zu so einem schwierigen Thema."
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Sabine Völkl-Kernstock
Dr. Sabine Völkl-Kernstock ist Klinische Psychologin und Gesundheitspsychologin, Psychotherapeutin sowie allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige für das Fachgebiet Familien-, Kinder- und Jugendpsychologie.
Steckbrief
Christian Gutschi
Dr. Christian Gutschi ist Klinischer Psychologe und Gesundheitspsychologe. Sein beruflicher Schwerpunkt liegt auf der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen, Familien und Paaren. Darüber hinaus ist er als Lektor an der FH Kärnten für Gesundheitsmanagement tätig. Hier geht es zu seiner Homepage.
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