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Betreut werden die Frauen dafür von mindestens einer Hebamme. Sie befindet sich in Rufbereitschaft und begleitet die werdende Mutter ab Geburtsbeginn bis in die ersten Lebensstunden des Kindes hinein. "Ein großer Vorteil der Hausgeburt ist diese vertrauensvolle Betreuung", sagt Hebamme Ursula Jahn-Zöhrens.
Mit dieser engen Beziehung und dem ungezwungenen Aufenthalt im eigenen Zuhause gingen Frauen häufig selbstbewusster und mutiger an die Geburt heran als in einer Klinik. So habe Jahn-Zöhrens es bei Hausgeburten erlebt.
Das Gebären im eigenen Zuhause ist allerdings an Voraussetzungen geknüpft. Gynäkologe Prof. Lars Hellmeyer, zählt einige auf. Die Hausgeburt kommt demnach nur dann infrage, wenn die Mutter keine chronischen Erkrankungen hat, das Kind im Bauch gesund ist, es sich nicht um eine Mehrlingsschwangerschaft handelt, die Mutter nicht im höheren Alter gebärt, das ungeborene Baby weder in Beckenendlage noch in Querlage liegt, die Mutter vorab nicht bereits Kinder per Kaiserschnitt zur Welt gebracht hat.
Eine Hebamme, eine gebärende Frau: "Auch ich empfinde eine Ein-zu-Eins-Betreuung als eine ideale Voraussetzung", sagt Hellmeyer. "Wir wissen, dass dies zu besseren Geburtsverläufen und zu weniger Kaiserschnitten führen kann." Dennoch rät er zur Entbindung in einer Geburtsklinik. "Ich sehe die Risiken: Selbst bei den gesündesten Frauen und Babys kann man den Geburtsverlauf nicht vorhersagen, es kann immer zu Komplikationen und akuten Notfallsituationen kommen", so der Gynäkologe.
Lebensbedrohlich werde es beispielsweise, wenn sich der Mutterkuchen vorzeitig ablöse. Dann sei sofortiges ärztliches Handeln erforderlich. Genau dies sei bei Hausgeburten aber nicht möglich. Tritt während der Hausgeburt ein solches Ereignis ein, rufen Hebammen sofort einen Rettungsdienst und begleiten die Frauen im Rettungswagen ins Krankenhaus, so Hebamme Jahn-Zöhrens. Sie empfiehlt, vor der Hausgeburt die Entfernung zur nächsten Geburtsklinik zu überprüfen, dies mit der Hebamme zu besprechen und diese Entfernung auch mit dem eigenen Sicherheitsbedürfnis abzugleichen.
Zudem sei es wichtig, sich regulär in der nächstgelegenen Geburtsklinik anzumelden. So sei sichergestellt, dass die Schwangere im Falle eines Falles dort bereits bekannt sei.
Den Weg ins Krankenhaus und die dadurch verstreichende Zeit empfindet Gynäkologe Hellmeyer allerdings als vermeidbare Sicherheitslücke einer Hausgeburt und als Gefahr für Mutter und Kind. "Kommt es beispielsweise während oder direkt nach der Geburt zu einem Sauerstoffmangel beim Kind, reichen schon wenige Minuten, um eine lebenslange Gehirnschädigung zu verursachen", sagt Lars Hellmeyer.
Doch bei wie vielen Geburten, die zu Hause oder im Geburtshaus beginnen, ist im Verlauf eine Überleitung in die Klinik notwendig? Der "Qualitätsbericht "Außerklinische Geburtshilfe in Deutschland" gibt darüber Aufschluss: Im Jahr 2023 war das bei 17,3 Prozent dieser Geburten (insgesamt 16.477) der Fall, also in 2.849 Fällen.
Die meisten dieser Überleitungen waren keine Notfälle. Sie erfolgten laut Bericht ohne Stress. Ein häufiger Grund sei ein Geburtsstillstand gewesen. Aber auch schlechte Herztöne des Babys, ein vorzeitiger Blasensprung oder der Wunsch der Mutter nach Schmerzmedikamenten seien Gründe für eine sogenannte "Verlegung in Ruhe", so Hebamme Ursula Jahn-Zöhrens.
Und die Babys? Im Jahr 2023 mussten nach einer Hausgeburt oder einer Geburt in einem Geburtshaus 2,9 Prozent der Babys (3 von 100) in eine Klinik gebracht werden. Hier war der häufigste Grund eine Atemnot.
Aber wie läuft sie eigentlich ab, die Hausgeburt? Braucht man sehr viel Platz? "Eine Geburt spielt sich nur auf wenigen Quadratmetern ab", sagt Hebamme Jahn-Zöhrens. Lediglich enge Wendeltreppen oder extrem verwinkelte Flure könnten ein Hindernis darstellen, wenn doch ein Krankenwagen gerufen und die Frau beispielsweise im Liegen transportiert werden muss. Solche Fragen kläre aber die Hebamme rechtzeitig vor der Geburt mit den Eltern.
Apropos Hebamme: Hier rät Jahn-Zöhrens, sich frühzeitig zu kümmern. Denn Hebammen, die die Begleitung einer Hausgeburt anbieten, seien eher rar gesät.
Beim Kennenlernen sollten werdende Eltern unbedingt auf ihr Bauchgefühl achten. Stimmt die Chemie? "Nur so kann sich ein gesundes Vertrauensverhältnis entwickeln", sagt Jahn-Zöhrens. Zudem ermutigt sie Eltern, die potenzielle Hebamme nach ihren Erfahrungen, der Anzahl der von ihr begleiteten Hausgeburten und auch nach Komplikationen zu befragen, die bei diesen Geburten eventuell aufgetreten sind.
Ist die Entscheidung für eine Hebamme gefallen, fragen sich viele Eltern auch: Was müssen wir alles besorgen? "Das ist sehr übersichtlich", sagt Ursula Jahn-Zöhrens. Im Grunde müssten vor allem diese Utensilien vor Ort sein: eine Malerfolie, ein großes Leintuch, fünf bis zehn Unterlagen und Wochenbett-Binden für die Frau nach der Geburt.
Was darüber hinaus benötigt wird, finden die Eltern in einer Checkliste, die ihre Hebamme ihnen rechtzeitig überreicht. Was je nach Wohnsituation und Hellhörigkeit des Hauses nicht schaden kann: den Nachbarn mitteilen, dass eine Hausgeburt geplant ist.
Und nach der Geburt - müssen Eltern dann mit einem großen Putzaufwand rechnen? "Das hält sich absolut im Rahmen", sagt Jahn-Zöhrens. Mit einer Ladung Wäsche für die Waschmaschine sei es in der Regel in etwa getan.
Hausgeburt – ja oder nein? Wofür sich Eltern am Ende entscheiden, liegt ganz bei ihnen. "Diese Wahlfreiheit ist das höchste Gut, dahinter haben wir als Fachleute zurückzustehen", sagt Hebamme Jahn-Zöhrens. Dennoch rät sie dazu, sich vorab genau mit dem Thema auseinanderzusetzen und die Entscheidung durchaus im Verlauf der Schwangerschaft immer wieder zu prüfen.
Gynäkologe Hellmeyer hat noch einen Tipp für werdende Eltern: Wer sich medizinische Versorgung in unmittelbarer Nähe wünscht, aber eben auch einen intimen Rahmen, könne sich über sogenannte hebammengeführte Kreißsäle informieren. Die bieten einige Geburtskliniken in Deutschland an. Die Besonderheit: Sie werden ausschließlich von Hebammen geleitet – aber im Notfall sind Ärztinnen und Ärzte sofort zur Stelle.
SIEVERSDORF - DEUTSCHLAND: FOTO: APA/APA/dpa/Symbolbild/Patrick Pleul