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Sechs Fehlannahmen über Sex

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Aktualisiert
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6 min
Dr. Monika Wogrolly
©Bild: Matt Observe/News
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Carina mag es gern heiß. Sie ist bekennend "devot" und lebt mit ihrem "Herrn" lustvolle Fantasien aus, die an die Geschichte der O erinnern.

"Ja, unser Liebesleben ist sicher speziell und grenzwertig", eröffnet die 40-jährige Frau ihre erste sexualtherapeutische Sitzung. "Mein Partner versteht nicht, warum ich mir tagsüber nichts gefallen lasse. Und beim Sex lasse ich mich von ihm absolut dominieren.""Also irgendwas stimmt da nicht ganz", sagt Klaus. "Wie kann jemand einmal nichts mehr herbeisehnen, als von mir unterworfen und beherrscht zu werden. Aber dann, kaum ist unsere Session vorbei, kommt es bei uns regelrecht zum Rollentausch, hat sie das Kommando." Dann sei ihr nichts gut genug und stoße sie sich an seinen Formulierungen, bezeichne ihn mithin als taktlos, frauenfeindlich und zu grob. Und Klaus beklagt Inkohärenz, da Carina so aus Widersprüchen bestehe. Tut sie nicht! Oder? Hier häufige Fehlannahmen über Sexualität, Liebe und Beziehung:

1. Wer beim Sex devot ist, ist es auch im Alltag.
Voll daneben: Carina ist das lebende Beispiel einer selbstbewussten Frau, die in der Sexualität eine ganz andere Seite ihrer Persönlichkeit bewusst auslebt. Die Verantwortung an ihren dominanten Partner abzugeben, erlebt sie als befreiend. Und bekennt sich auch ganz klar zu "bizarren Spielarten", sagt Carina; besonders möge sie es, von Klaus gefesselt und mit einer Gerte auf den Po geschlagen zu werden. Im "realen Leben" ist sie gegen jedwede Art von Gewalt.

2. Wenn Paare beim Sex harmonieren, passt auch sonst alles.
Dafür gibt es keine Garantie -auch wenn ein reges Sexleben sicher einen Faktor der partnerschaftlichen Zufriedenheit bildet. Und jedenfalls als Stressventil, Glückshormonquelle und somit Ressource wirken kann.

3. Große erotische Anziehung schließt eine vernünftige Beziehung aus und endet meist als Strohfeuer.
Auch das muss nicht stimmen. Kann es aber, denn manche Menschen schaffen nicht den Sprung vom sexuellen Höhenflug zum alltäglichen Miteinander. Ist der Sexzauber verglüht, ist dann meist auch die Verliebtheit erloschen. Ebenso kann eine große Leidenschaft aber erst recht den Boden für die beständige Liebe schaffen.

4. Sexuelle Anziehung hat ein Ablaufdatum.
Kann sein, muss aber nicht. Erfreulicherweise können Paare mit etwas Beziehungsarbeit die sogenannte Verliebtheits-oder Schmetterlingsphase ausdehnen beziehungsweise immer wieder "erneuern" und zurückholen. In aller Regel überdauern die Schmetterlinge im Bauch nicht die ersten sechs Monate, bei manchen liegen auch schon nach rund sechs Wochen die Flügel lahm.

5. Bloß nichts ändern, dann herrscht Orgasmus und Glücksgarantie.
Weit verfehlt: Frischer Wind für die Liebe! Alles leiert sich sonst aus, auch das Liebesleben. Darum neue Ideen einbringen, erotische Fantasien austauschen, das Setting ändern (nicht nur im Schlafzimmer), Händchenhalten, küssen, lächeln (den Humor spielen lassen, gemeinsam zu lachen, wirkt entspannend und bringt die Leichtigkeit zurück), sinnliche Überraschungen bereiten.

6. Partnerschaftliche Liebe ohne Sex ist Utopie und grausam.
Was für ein Unsinn! Erstens, kommt es auf das Verständnis von Sex und Erotik an, wo Sinnlichkeit individuell anfängt und wo sie aufhört. Und überdies dürfen Paare auch "nur zärtlich" sein, ohne sofort Sex und Orgasmus-Druck haben zu müssen. Auch das kann sexy sein, phasenweise abstinent zu leben. Von asexuellen Paaren gar nicht erst zu sprechen, die nichtsdestotrotz ein auf ihre Art erfüllendes Liebesleben haben.

Und Klaus und Carina? Ihnen muss klarwerden, dass jeder Mensch unterschiedlichste Persönlichkeitsmerkmale in sich vereinen kann. Und dass das Liebesleben keinen logischen Gesetzen folgen oder wie eine mathematische Formel aufgehen muss.

So wie Klaus träumen viele von einer dauerhaft wollüstig unterworfenen Frau und deuten fälschlich als Betrug, Machtkampf oder gar Liebesentzug, wenn sie dann im Alltag auf einmal die Einkaufsliste für ihn schreibt und auf eine achtsame Wortwahl pocht - wogegen sie beim Dirty Talk im Liebesspiel alle möglichen sonst abwertenden Ausdrücke "heiß machen". Und sie der O aus dem SM-Klassiker gleicht. Jetzt bitte merken: So wie man Suppe und Dessert nicht mixt, bedarf es im Liebesleben einer Art "Fachsprache", die anders sein kann als im Alltag. Denn auch die innere Haltung ist grundverschieden. Männer wie Klaus sollten sich hier nicht zu Unrecht dominiert oder gar beschnitten fühlen. Sondern sich in der Kunst des "Switchings" üben -des gesunden Umschaltens -und nicht an der Aufrichtigkeit in der Partnerschaft zweifeln. Nur ein schlechtes Selbstwertgefühl fordert ständige Beweisführung, dass man alles -und vor allem die Partnerin oder den Partner - unter Kontrolle hat.

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