Ihr neues Buch hat den Titel "Der Traum von der Unsterblichkeit". Es geht darin um unsere biologischen Möglichkeiten, viel, viel länger zu leben. Wollen Sie ewig leben?
Ich schon. Aber ich habe noch niemanden gefunden, der das für eine tolle Idee hält. Die meisten sagen: "Furchtbar. Eine Horrorvision." Ich stelle mir 300 oder 500 Jahre vor, in denen man nicht altert, das ist die Idee. Man würde nicht an Altersschwäche sterben. Aber: Ewig gibt es ja nicht. Ewig ist ein Gedankenexperiment. Zudem würde in vielen, vielen Jahren (10 hoch 80 bis 10 hoch 90) das Universum zu Ende gehen. Die Erde wird schon viel früher so heiß werden, dass kein Leben hier mehr möglich sein wird. Wenn wir noch länger als 500 Millionen Jahre existieren wollen, müssten wir auswandern.
Es geht also bei der Forschung um das Nichtaltern.
Genau. Aber sterben wird man immer: Es gibt Krankheiten, Unfälle, Gewalttaten. Es gibt ein gutes Beispiel in der Tierwelt, die Hydra (ein Süßwasserpolyp, der seine Zellen ständig erneuern kann, Anm.), die altert nicht, aber sie wird aufgefressen, denn sie ist im Nahrungszyklus drin. Als Mensch nicht zu altern -das ist erstaunlicherweise gar nicht so komplex. Es gibt sehr viel Forschung dazu. Der Gedanke ist ja nicht neu. Der Mensch wollte immer schon unsterblich sein. Die Idee eines Lebens nach dem Tod ist ja nichts anderes als die Sehnsucht, nicht zu sterben.
Das Buch "Der Traum von der Unsterblichkeit" von Renée Schroeder beschreibt, wie der Mensch sein Ablaufdatum verändern kann. Erscheinungstermin ist der 10. Oktober.*
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Eine Idee, die die Religionen für sich beanspruchen.
Für die ist das ein super Business. Aber es funktioniert nur beim Menschen. Wenn Sie einem Affen sagen, wenn er seine Banane hergibt, kann er vielleicht in den Himmel kommen, schaut er Sie nur komisch an.
Viele Menschen versuchen, sich ihren Platz "im Himmel", ein ewiges Leben, zu sichern.
Sie können nicht unterscheiden zwischen Realität und Glauben. Das ist ein Problem, das die meisten Menschen haben. Sie kennen den Unterschied zwischen Glauben und Wissen nicht.
Sie als Biochemikerin schreiben im Buch: Nach dem Tod kommt nichts mehr.
Sicher nicht. Unsere Moleküle werden recycelt, klar. Die lösen sich nicht auf, die werden wieder in neue Lebewesen eingebaut. Das kann vielleicht als Wiedergeburt verstanden werden. Die Aminosäuren und Moleküle, die in mir sind, recyceln sich auch während des Lebens. Es gibt nur wenige, die das nicht tun. Aber ich als Individuum bin weg.
Menschen denken eher daran, dass ihr Geist erhalten bleibt.
Fragt sich, was der "Geist" sein soll. Das wäre wohl die einzige Möglichkeit, unsterblich zu sein: sich virtuell oder digital in eine stabilere Materie zu überführen, die keinen Stoffwechsel braucht und durch Hitze nicht abgebaut wird. Denn in 500 Millionen Jahren ist es mit der Erde und dem Leben hier sowieso vorbei. Das ist ohnehin eine lange Zeit, wenn man bedenkt, dass es den Menschen erst seit ungefähr 100.000 Jahren gibt. Der Mensch ist gekränkt, dass er sterben muss. Dazu ist er fähig, weil er die Zukunft denken kann. Wir sind überzeugt, dass wir eine bessere Zukunft gestalten können. Das ist auch die Motivation, für ein besseres Leben zu forschen.
Lebewesen, die nicht abstrakt denken, ist der Tod wahrscheinlich egal.
Wenn man nicht Zukunft denken kann und den Tod nicht versteht, ist er egal. Seit ungefähr 100.000 Jahren ist unser Gehirn in der Lage, Dinge zu denken, die es nicht gibt. Wir haben die Fähigkeit, abstrakt zu denken und unsere Zukunft und die Gegenwart besser zu gestalten. Dabei funktionieren wir als soziales Gefüge, als Menschheit, denn der Einzelne ist, seit wir unsere Umwelt gestalten, weniger fit geworden. Denn wenn ein Mensch und ein Affe auf einer einsamen Insel wären, hat der Affe die besseren Chancen.
Wieso?
Weil der Affe keine Technologie braucht. Wir Menschen sind abhängig geworden von unseren Erfindungen und sind befindlichkeitsfixiert. Unsere gute Laune ist davon abhängig geworden, dass es Strom und Internet gibt, wir brauchen Kleidung und Essen. Wir werden abhängig von allen möglichen Bequemlichkeiten und sind schon ganz irritiert, wenn der Kaffee nicht so ist, wie wir ihn gerne hätten.
Ist die Fähigkeit, abstrakt zu denken, Kunst und Kultur hervorzubringen, es nicht wert, dafür ein paar Jahre kürzer zu leben?
Das ist es sicher. Und wir leben ja ohnehin nicht kürzer, sondern länger dank unserer Kultur. Die Lebenserwartung ist im letzten Jahrhundert stark gestiegen. Es gibt aber immer noch Lebewesen, die länger leben als wir: Elefanten oder Schildkröten zum Beispiel. Es ist noch nicht klar, ob es ein Alterslimit gibt. Aber es ist interessant, dass Sie nur die Kunst und Kultur nennen.
Bei abstraktem Denken?
In Österreich ist die Naturwissenschaft leider kein Teil der Bildung. Das ist ein grundlegendes Problem. Bildung heißt bei uns: Wissen, wer den "Fidelio" komponiert hat, ein Bild gemalt hat oder wann irgendeine Schlacht stattgefunden hat. Aber nicht, dass man weiß, wie die Klospülung funktioniert. In anderen Ländern, etwa Frankreich, Deutschland, USA, haben die Naturwissenschaften einen ganz anderen Stellenwert. Bei uns gehören zwölf Jahre lang zwei Stunden Religion zum Unterricht, aber Naturwissenschaften teilweise gar nicht.
Man lernt, was man glauben darf, ohne Bezug zur Realität. Was das bewirkt, sieht man ja. Menschen sagen: "Ich glaube nicht an das Virus." Das Virus kann man nachweisen. Das ist keine Glaubensfrage. Sag mir zehn Dinge, die du glaubst. Und zehn Dinge, die du weißt. Und was ist der Unterschied? In der Wissenschaft muss man Nachweise und Beweise bringen. Beim Glauben ist es egal, dass es keinen Bezug zur Realität hat.
In den Naturwissenschaften ist die Altersforschung bzw. die Möglichkeit, gesund zu altern, ein wachsender Sektor. Wo stehen wir da? Bis wann wird es möglich sein, das Leben zu verlängern?
Das kann man nicht sagen. Wissenschaft entwickelt sich oft viel schneller, als man plant. Als Anfang der 80er-Jahre James Watson (US-amerikanischer Molekularbiologe und Nobelpreisträger, Anm.) die Idee hatte, das humane Genom zu sequenzieren, war ich auch in diesem Gebiet tätig. Ich habe 14 Tage lang hart gearbeitet, um 50 bis 100 Basenpaare zu bestimmen. Ich habe mir ausgerechnet, wie viele Jahre es dauern würde, den Menschen zu sequenzieren - die Bioinformatik gab es damals noch nicht -, und habe mir gedacht, das ist nicht machbar. Und dann ist es enorm schnell gegangen, weil sich die Technologie weiterentwickelt hat.
Das heißt, man könnte in wenigen Jahren so weit sein, dass man das Leben verlängern kann?
Das passiert ja auch schon, das sieht man an der steigenden Lebenserwartung und daran, dass Krankheiten besser behandelt werden können und viele kein Todesurteil mehr sind. Aber, wenn man den Menschen genetisch verändern will, und das wäre ja das Ziel, dann dauert das länger. Zum einen braucht man Experimente, die derzeit verboten sind. Zum anderen müsste man 150 oder 200 Jahre warten, um zu wissen, ob das wirklich funktioniert hat. Das heißt, es würde Hunderte Jahre dauern, bis man den Menschen reprogrammiert hat. Was man jetzt tun kann, ist, Stammzellen nachzufüllen. Zellen werden immer sterben, das ist Teil des Lebens. Ein Individuum könnte jedoch länger erhalten bleiben, wenn es immer wieder regeneriert wird.
Altern heißt ja, dass unser Körper irgendwann die Fähigkeit verliert, Zellen zu erneuern, und dadurch alte Zellen anhäuft. Es geht also in der Forschung darum, den Körper in die Lage zu versetzen, diese alten Zellen abzustoßen. Korrekt?
Genau. Es geht um die Apoptose. Schon die alten Griechen haben unterschieden zwischen Apoptose, dem kontrollierten Tod, und Nekrose, dem Tod durch Krankheit oder Unfall. Wir müssen unsere alten Zellen in die Apoptose schicken, damit sie entsorgt werden können.
Was würde es für unsere überalterte Gesellschaft, die wachsende Weltbevölkerung und den Planeten bedeuten, wenn wir nicht sterben?
Der Planet hält das nicht aus. Stellen Sie sich vor, es werden alle 200 Jahre alt und älter. Und können so lange auch Kinder bekommen, weil sie ja nicht altern. Für die Erde wären eigentlich gar keine Menschen oder höchstens eine Milliarde Menschen tragbar, schon jetzt sind wir bei bald acht Milliarden, prognostiziert sind elf im Jahr 2100. Aber für die Gesellschaft hieße das, sie wäre nicht überaltert. Wir wären ja dann nicht alt. Es gäbe auch keine Pensionskosten mehr, weil alle arbeiten könnten, und wir wären viel gesünder. Also das Sozialsystem wäre sicherlich schlanker.
Im pensionsaffinen Österreich vielleicht ein echtes Argument gegen das ewige Leben.
Für mich wäre es ein Traumzustand. Ich habe ja schon jetzt ein schlechtes Gewissen, dass ich fürs Nichtstun bezahlt werde. Ich könnte den ganzen Tag auf der Couch liegen, kann ich aber nicht. Viele tun das, aber denen geht es nicht gut. Wer aufhört, etwas zu tun, der altert wirklich.
Gibt es ethische Grenzen in der Forschung für die Verlängerung des Lebens?
In die Keimbahnen einzugreifen (das Erbgut zu verändern, Anm.), ist konsensual verboten.
Das hat bisher nur ein Wissenschaftler in China gemacht, indem er zwei HIV-resistente Babys entstehen hat lassen. Er wurde dafür international geächtet.
Ethik und Moral sind allerdings nicht fixiert. Sie sind einer Evolution unterworfen, wie alles andere auch. Momentan ist ein Keimbahneingriff ein No-Go. Aber ich glaube, es wird nicht lange dauern, bis es doch gemacht wird. Die Technologie besteht bereits. Wie kann ich es jemandem verbieten, das in der Keimbahn machen zu lassen, wenn er es haben will? Bei Tieren macht man das ja schon. Das ist eigentlich recht einfach. Die Chinesen haben Minipigs als Haustiere entwickelt. Dazu haben sie zehn, 15 Gene verändert, damit diese nicht wachsen. In der Forschung wird an Tieren und Pflanzen diesbezüglich schon sehr viel gemacht.
Worauf beruht der Konsens, das am Menschen nicht zu tun?
Auf mangelndem Wissen. Aber das Wissen wird immer größer. Theoretisch könnte man schon jeden Embryo sequenzieren, bevor er eingepflanzt wird.
Die ethischen Grenzen der Naturwissenschaften sind sehr stark von den Kirchen beeinflusst. Finden Sie das richtig?
Ich finde, es gibt nichts Unethischeres als die Kirche. Ich finde es bedenklich, Kindern Lügengeschichten zu erzählen und Gott als gütigen, weisen, alten Mann zu beschreiben. Die Sintflut war Genozid, sonst nichts.
Limitieren falsche Glaubensgrundsätze die Forschung?
Die Forschung hat viel strengere Regeln als die Kirche. Wir können uns "wishful thinking" nicht leisten. Wir müssen sehr hart arbeiten. Die Forschungsrichtlinien sind teilweise zu streng, aber es ist auch wichtig, dass sie so streng sind.
Sie beschreiben in Ihrem Buch Möglichkeiten, in Gene des Menschen so einzugreifen, dass der Alterungsprozess gestoppt wird. Eine wichtige Rolle spielen dabei die FOXO-Gene. Worum geht es dabei?
Konkret geht es um eine Droge - ich nenne es so, weil es kein Medikament und auch keine Nahrungsergänzung ist. Alte Zellen teilen sich nicht mehr. Sie können die DNA nicht reparieren, hängen herum, klumpen, sie entzünden das Gewebe rundherum. Sie können aber auch nicht sterben. Altersforscher haben untersucht, welche Gene in alten Zellen aktiv sind und welche in jungen. Dabei sind sie auf das FOXO4-Gen gestoßen. FOXO-Gene sind Transkriptionsfaktoren. Das heißt, sie sitzen auf der DNA und steuern die Einschaltung von vielen Genen.
FOXO4 gibt es nur in alten Zellen. Es sitzt im Zellkern und hält p53 fest, das ist ein enorm wichtiges Protein, der Wächter des Genoms, der den Zellzyklus, die DNA-Reparatur und den Zelltod kontrolliert. In alten Zellen ist dieses Protein, das alles steuern würde, festgehalten. Die Forscher haben überlegt, wie sie FOXO4 loswerden. Sie haben ein Peptid entwickelt, das FOXO4 bindet, so dass es p53 nicht mehr blockieren kann. Das ist FOXO4- DRI, die Droge. Sie bewirkt, dass p53 losgelassen wird, in die Mitochondrien geht und die Apoptose einschaltet, damit die Zellen sterben. An Ratten wurde das bereits ausprobiert. Sie haben ein schöneres Fell bekommen, sind wieder ins Laufrad geklettert und waren abenteuerlustig. Das ist eine Verjüngungsdroge. Ich würde die sofort testen.
Das wäre der Schlüssel zum Nichtaltern oder sogar zum Jüngerwerden?
Man würde sich wahrscheinlich verjüngen, wenn man alle paar Jahre für 14 Tage diese Droge nimmt. Dann ist man die alten Zellen los, altert aber danach wieder.
Es gab einen Trend, dass sich vermögende Menschen einfrieren lassen, in der Hoffnung, dass sie aufgetaut werden können, wenn der medizinische Fortschritt ewiges Leben ermöglicht. Was halten Sie davon?
Als das begonnen hat, war die Technologie ziemlich schlecht. Ob das funktioniert, hängt davon ab, wie viel Schaden beim Tiefkühlen entstanden ist.
Am Ende Ihres Buches beschreiben Sie, dass man ja schon jetzt mit ganz einfachen Dingen viel für ein langes Leben tun kann. Klingt gut: Rotwein und Espresso trinken, Käse und Bitterschokolade essen, dann und wann muss man aber auch Intervallfasten.
Grüner Tee, Olivenöl, Chili und Kurkuma wirken ebenfalls. Hier geht es um sogenanntes "Sirtfood", Lebensmittel, die unsere Sirtuine (Proteine, die unsere Epigenetik steuern, Anm.)aktivieren.
Sie berichten auch vom chinesischen Kraut Jiaogulan. Das wirkt?
Das züchte ich selbst auf meinem Kräuterhof und nehme es auch. Ich probiere alles aus, habe aber als Einzelindividuum keine wissenschaftliche Kontrolle und Statistik. Für die Wissenschaft müsste man ja Tausende Experimente und Kontrollen machen.
Sie sind als Universitätsprofessorin für Biochemie und Zellbiologie 2018 emeritiert, leben nun auf einem Kräuterhof in Salzburg. Ein Rückzug auf den Alterssitz?
Nein, gar nicht. Ich war 50 Jahre lang an der Uni, ich wollte dort nicht mehr bleiben. Ich habe jetzt eine Firma und mache ein spannendes Projekt mit einer Pharmafirma, bei dem wir Stoffe aus Kräutern isolieren, Extrakte machen und testen. Wir arbeiten zum Beispiel an einer Behandlung für nicht heilende Wunden. Ein anderes tolles Produkt ist Oxymel (saurer Honig, Anm.), das aus drei Teilen Honig und einem Teil Apfelessig besteht. Darin kann man Kräuter extrahieren, Brennnessel zum Beispiel, das ist kräftigend und reinigend.
Was wünschen Sie sich von der Politik für die Wissenschaft?
Da sagt man immer: mehr Geld. Aber - jetzt mache ich mich unbeliebt: Es gibt so viel schlechte Forschung, dass ich mir denke, es ist oft auch zu viel Geld in der Forschung. Was ich mir wünschen würde, ist mehr Geld für die "orphan diseases", das sind jene Krankheiten, die so wenige Menschen haben, dass die Pharmaindustrie nicht daran arbeitet, weil es finanziell nicht machbar ist. Oder: Es gibt keine klinischen Studien mit Kräutern. Das ist viel zu teuer und sie sind ja patentrechtlich nicht geschützt. Für mich ist das angenehm: Ich kann mit Kräutern ein Medikament entwickeln und brauche keine klinischen Studien, weil die ja seit Jahrhunderten zugelassen sind. Man weiß, wie sie wirken und wie man sie anwenden kann. Das ist Open-Source-Medizin. Eigentlich cool.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 40/2022 erschienen.