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Die Brustkrebstherapie wird immer stärker Individualisiert

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Vermeidung von Chemotherapie als Diskussionsthema bei Konferenz in Wien
©APA/APA (dpa)/Hannibal Hanschke
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Fortschritte in Diagnose, Therapie und Nachsorge bei Brustkrebs werden ab Mittwoch bei der Internationalen St. Gallen Brustkrebskonferenz in Wien für Diskussionen sorgen. Wichtigster Trend ist die stärkere Individualisierung der Patientenversorgung: mit möglichst reduzierter Chirurgie, kürzerer Strahlenbehandlung und - so möglich - Vermeidung der Chemotherapie in der medikamentösen Behandlung.

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Die alle zwei Jahre stattfindende Konferenz (12. bis 15. März) der internationalen Spitzenexperten in Sachen Mammakarzinom dürfte auf einen Erfolg zulaufen, betonte der österreichische Organisator des Meetings, der Wiener Chirurg und Brustkrebsspezialist Michael Gnant, kurz vor dem Beginn gegenüber der APA: "Wir haben bereits um 20 Prozent mehr Anmeldungen als vor zwei Jahren. Es werden wahrscheinlich rund 4.000 Teilnehmer direkt in Wien sein, mit unserer Online-Plattform werden wir wohl auf rund 5.000 kommen."

Bei derzeit weltweit pro Jahr 2,3 Millionen Brustkrebs-Neudiagnosen und rund 670.000 Todesfällen betrifft jede Veränderung in der Patientenversorgung naturgemäß eine große Zahl von Betroffenen. Die Fortschritte der Medizin sollen einerseits direkt zu besseren Behandlungsergebnissen führen, andererseits die Lebensqualität der Betroffenen steigern.

Gnant: "In Ländern wie Österreich können wir derzeit rund 80 Prozent der Brustkrebspatientinnen heilen. In China sind es derzeit beispielsweise rund 60 Prozent. Eine Frage ist, wie wir bei uns möglichst auf 90 Prozent kommen. Eine zweite Frage liegt darin, ob wirklich jede Patientin mit den intensivsten Therapien versorgt werden muss." Möglichst langes Überleben ohne Rückfall bei möglichst hoher Lebensqualität auch unter Therapie ist das Ziel.

Ein Beispiel ist das chirurgische Vorgehen bei einem Mammakarzinom. In Österreich werden bereits 80 Prozent der Patientinnen brusterhaltend operiert. Früher hat man immer auch die Lymphknoten in der Achsel entfernt. Dann ging man dazu über, nur noch ein oder zwei "Wächterlymphknoten" zu entnehmen.

"Jetzt haben wir das Thema, ob man bei einer definierten Gruppe von Betroffenen das überhaupt noch tun muss. Das könnten zum Beispiel Patientinnen über 50 Jahre mit einem Tumor von weniger als zwei Zentimetern Größe und ohne aggressive Charakteristika des Karzinoms sein. Rund zwei Drittel der Patientinnen haben ja keinen Lymphknotenbefall", sagte der Chirurg. Damit könnte man den Betroffenen Komplikationen, zum Beispiel Bewegungseinschränkungen und Lymphstaus, ersparen.

Ähnliches spielt sich rund um die Strahlentherapie ab. Der Wiener Experte: "Viele Jahre lang war die Strahlentherapie nach brusterhaltender Operation der Standard. Das bedeutete sechs Wochen lang täglich eine Bestrahlung. Dann hat man begonnen, die Länge der Strahlentherapie auf zwei Wochen zu reduzieren. Wir gehen in Österreich in Richtung einer Reduktion auf fünf Tage."

Die verabreichte Einzel-Strahlendosis ist dabei höher, die Gesamt-Strahlendosis etwas geringer. Doch neue Verfahren helfen. "Mit Künstlicher Intelligenz etc. lässt sich die Strahlentherapie noch genauer planen und durchführen", erklärte Gnant. Ein ganz wichtiger Punkt für die Betroffenen: Für viele von ihnen entfallen bei einer kürzeren Strahlentherapie zu einem Großteil belastende Fahrten zum Behandlungszentrum und retour.

Und schließlich versuchen die Spezialisten zunehmend, die belastende und mit Nebenwirkungen und Komplikationen verbundene Chemotherapie möglichst zu vermeiden. Der Chirurg: "In der medikamentösen Behandlung von hormonabhängigem Brustkrebs, das sind rund zwei Drittel der Erkrankungen, gibt es hier jetzt zusätzlich zur antihormonellen Therapie auch noch spezielle Medikamente wie die sogenannten CDK4/CDK6-Inhibitoren."

Auch hier geht es darum, zu bestimmen, welche Patientinnen damit am besten und am sichersten behandelt werden können, ohne dass auf eine Chemotherapie zurückgegriffen werden muss. Ganz ähnlich sei das auch bei der Dauer einer Immuntherapie (Immuncheckpoint-Inhibitoren), die man eventuell ebenfalls "maßschneidern" könne.

Bei der Internationalen St. Gallen Brustkrebskonferenz - sie findet in einem Zwei-Jahres-Rhythmus statt - werden die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse auf dem Gebiet der Mammakarzinome gesichtet, eingeordnet und diskutiert. Schließlich soll ein Konsens für die auf diesem Gebiet tätigen Ärzte und die Betroffenen erzielt werden. Das soll weltweit die Umsetzung der aktuellsten Erkenntnisse bei größtmöglicher Sicherheit garantieren.

ARCHIV - 25.02.2022, Berlin: Medizinisches Personal untersucht mit einer Mammografie die Brust einer Frau auf Brustkrebs. (zu dpa: «Studie: Brustkrebs bei Männern seltener, aber tödlicher») Foto: Hannibal Hanschke/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

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