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Depression: So gehen Sie mit Betroffenen um

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Eine Depression bringt oft nicht nur den Betroffenen selbst, sondern auch Angehörige oder Nahestehende an ihre Grenzen. Wie soll man mit dem Erkrankten umgehen? Wie kann man helfen? Und mit welchen Maßnahmen macht man alles nur noch schlimmer? Die Psychotherapeutin MMag. Nicole Trummer steht Rede und Antwort.

1. Informieren Sie sich

Wer vermutet, dass eine Person aus der Familie oder dem nahen Umfeld an einer Depression leidet, sollte sich in einem ersten Schritt über die Erkrankung, deren Symptome und Ausprägungsformen informieren: "Das ist das Allerwichtigste", betont Trummer. "Denn erst, wenn man über die Krankheit Bescheid weiß, kann man sie auch verstehen." Was wiederum dabei helfe, mit der Belastung, die die Erkrankung eines nahestehenden Menschen mit sich bringt, besser umgehen zu können. Erst durch das Wissen über die Krankheit könne man das Verhalten der Person richtig deuten. Antriebs- und Energielosigkeit würden nicht als Sich-gehen-Lassen missverstanden, sozialer Rückzug und Freudlosigkeit nicht als persönliche Ablehnung.

2. Sprechen Sie offen

Trummer plädiert für einen ehrlichen Umgang mit dem Betroffenen. "Man merkt ja, dass sich die Person verändert. Wenn sie sich zum Beispiel zurückzieht, ihre Leistung nachlässt oder immer wieder davon erzählt, dass sie müde und erschöpft ist." Oft klagt der Erkrankte auch über Schmerzen oder Schlafstörungen. Lust- und, Antriebslosigkeit zeigen sich. "Depression ist die Krankheit der Losigkeiten", erklärt die Expertin, der zufolge man die Vermutung, dass das Gegenüber an einer Depression leidet, offen ansprechen sollte. Und zwar auf motivierende, feinfühlige Art und Weise.

3. Machen Sie keinen Druck

Auf keinen Fall sollte man eine Depression bagatellisieren. "Nehmen Sie die Erkrankung und die Person, die von ihr betroffen ist, ernst. Und machen Sie ihr keinen Druck", mahnt Trummer. Aussagen wie "Jetzt reiß dich einmal zusammen" oder "Du bist ja gar nicht wirklich krank" sind hier fehl am Platz. Wie die Expertin aus ihrer beruflichen Praxis weiß, kommt es dennoch immer wieder vor, dass Betroffene Sätze wie diese von Angehörigen oder Nahestehenden zu hören bekommen. "Das erzeugt bei den Erkrankten einen enormen Druck. Denn sie möchten ja, aber sie können nicht."

Sie möchten ja, aber sie können nicht

Nicole TrummerKlinische Psychologin, Gesundheitspsychologin & Psychotherapeutin

4. Unterstützen Sie

Die Expertin rät: "Seien Sie für den Betroffenen da". Hier gilt es allerdings zu differenzieren. Für den anderen da zu sein bedeutet nicht, ihm die Verantwortung abzunehmen und Entscheidungen für ihn zu treffen. "Dadurch macht man die Person nur noch kleiner und ohnmächtiger, als sie sich ohnehin schon fühlt." Mit einem derartigen Eingriff würde man dem Erkrankten lediglich vermitteln, dass er selbst nicht in der Lage ist, gewisse Handlungen zu setzen und Entscheidungen zu treffen. Was wiederum die Hilfsbedürftigkeit des Betroffenen fördere. Vielmehr ginge es darum, ihm jene Unterstützung zukommen zu lassen, die er tatsächlich benötigt - und um die er fragt. Dem anderen seine Hilfe aufzuzwingen ist dagegen keine gute Idee.

5. Motivieren Sie

Übernimmt der Betroffene im Alltag anfallende Aufgaben, sollte man ihm dafür Anerkennung zollen. Zudem empfiehlt es sich, ihn zu kleineren Unternehmungen, beispielsweise zu einem Spaziergang, zu motivieren. Besonders profitiert der Betroffene von jenen Tätigkeiten, die ihm eine Richtung geben, ihm dabei helfen, seinen Tagesablauf zu strukturieren. Motivierend einwirken kann man auf den Erkrankten auch dann, wenn es um Arztbesuche oder die Umsetzung einer Psychotherapie geht. Wobei aber auf jeden Fall zwischen Motivieren und Drängen unterschieden werden müsse. Während Ersteres konstruktiv wirkt, geht der Schuss bei Zweiterem oft nach hinten los. Formulierungen wie "Meinst Du nicht, das täte Dir gut" sind solchen wie "Du solltest" vorzuziehen.

6. Haben Sie keine Erwartungen

Wer helfen will, macht Angebote. Wer allerdings erwartet, dass die Angebote auch tatsächlich angenommen werden, "hat schon verloren", so Trummer. "Man opfert sich für den anderen auf, müht sich ab und ist schließlich frustriert", weiß die Expertin aus ihrem beruflichen Alltag. Weil die gewünschten Erfolge ausbleiben, der Betroffene den Rat nicht befolgt - oft auch deshalb, weil er es schlicht und einfach nicht kann. Man könne eine Stütze sein, nicht mehr und nicht weniger. "Als Angehöriger ist man nicht der Therapeut. Das muss man sich klarmachen."

Als Angehöriger ist man nicht der Therapeut. Das muss man sich klarmachen

Nicole TrummerKlinische Psychologin, Gesundheitspsychologin & Psychotherapeutin

7. Verantwortung übernehmen, wenn nötig

So viel zu Personen, die an einer leichten Form der Depression leiden. Doch wie steht es um jene, die von einer schweren Form betroffen sind, an starker Antriebslosigkeit leiden und möglicherweise gar nicht mehr in der Lage sind, ihren Alltag selbst zu meistern? Bloßes Motivieren reicht in diesem Fall nicht mehr aus. Hier muss der Angehörige tätig werden. Dazu Trummer: "Bei einer schweren Depression ist es üblich, dass man für den Betroffenen viel übernimmt." So zum Beispiel die Organisation von Arztterminen. Schon kleine Aufgaben können den Erkrankten überfordern. Ihn zu deren Umsetzung anzuhalten, würde ihn bloß zusätzlich belasten.

8. Machen Sie keine Vorwürfe

Je schwerer die Depression, desto größer auch die Belastung für Nahestehende oder Angehörige. Nicht selten werden Letztere von Gefühlen der Hilflosigkeit, Ohnmacht und Verzweiflung geplagt. Dabei kann es vorkommen, dass sie - aus der eigenen Überforderung heraus - den Erkrankten für ihre negativen Gefühle verantwortlich machen, was jedoch gerade im Umgang mit depressiven Menschen ein No-Go ist. "Lassen Sie die eigenen Emotionen bei sich. Machen Sie dem Erkrankten keine Vorwürfe! Dadurch erzeugen Sie bloß Schuldgefühle. Und die haben depressive Menschen für gewöhnlich ohnehin schon", mahnt die Expertin.

9. Lassen Sie Ihre Gefühle zu

Was aber nicht bedeutet, dass man die eigenen Emotionen negieren soll. Im Gegenteil: Lassen Sie Ihre Gefühle zu. "Als Angehöriger darf man sich hilflos oder überfordert fühlen. Man darf wütend oder verärgert sein. Das ist okay", beruhigt Trummer. Immerhin bringt die Pflege eines an einer Depression erkrankten Menschen eine gewisse Mehrbelastung mit sich. Bloß eines solle man nicht: Sich aufgrund der eigenen negativen Gefühle schuldig fühlen.

Verlieren Sie Ihre eigenen Grenzen, Wünsche und Ziele nicht aus den Augen

Nicole TrummerKlinische Psychologin, Gesundheitspsychologin & Psychotherapeutin

10. Sorgen Sie für sich

Menschen, die sich um eine depressive Person kümmern, laufen Gefahr, aufgrund der dadurch entstehenden Belastung auszubrennen oder selbst an einer Depression zu erkranken. Die Psychotherapeutin rät daher: "Sorgen Sie gut für sich! Verlieren Sie Ihre eigenen Grenzen, Wünsche und Ziele nicht aus den Augen. Gehen Sie Ihren Hobbys nach und treffen Sie sich mit Freunden." Und: "Nur weil der Erkrankte die meiste Zeit zuhause verbringt - was ja ein Symptom der Depression ist -, heißt das noch lange nicht, dass Sie das ebenso tun müssen." Im Gegenteil: Es gilt Sozialkontakte zu pflegen und über die eigene Situation zu sprechen.

11. Holen Sie sich Hilfe

Wer seine Freunde nicht mit den eigenen Sorgen belasten will, tut gut daran, sich professionelle Hilfe zu suchen. Trummer empfiehlt den Besuch einer Selbsthilfegruppe für Angehörige von psychisch Erkrankten. Auf jeden Fall therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen sollte man auch dann, wenn man das Gefühl hat, in ein Burnout zu schlittern. Der Betroffene müsse lernen, die eigenen Grenzen so zu setzen, dass die Erkrankung des Angehörigen nicht über kurz oder lang dazu führt, selbst zu erkranken.

12. Umgeben Sie sich mit gesunden Menschen

Zudem rät die Psychotherapeutin, sich mit gesunden Menschen zu umgeben. Wer ständig mit jemanden zusammen ist, der sich in einer Negativspirale befindet, läuft Gefahr, früher oder später selbst in diese hineingezogen zu werden. "Finden Sie eine gute Balance. Tun Sie Dinge, die Ihnen Freude bereiten. Um zu merken: Es geht auch anders", empfiehlt Trummer. "Das ist wichtig für die Psychohygiene."

13. Handeln Sie

Liegt eine schwere Depression vor, ist der Betroffene möglicherweise nicht mehr in der Lage, alleine außer Haus, geschweige denn zum Arzt zu gehen. Um Arzttermine wahrzunehmen, braucht er jemanden, der ihn begleitet. Für den Angehörigen bedeutet das mitunter einen enormen Zeitaufwand. Lässt sich dieser nicht mehr mit dem eigenen Alltag vereinbaren, sollte ein stationärer Klinikaufenthalt angedacht werden. Oft kann der Betroffene eine derartige Entscheidung nicht mehr selbst treffen. Möglicherweise fehlt ihm auch die Krankheitseinsicht. Dann muss der Angehörige handeln. "Eine Zwangseinweisung ist in Österreich nicht möglich. Außer es besteht Selbst- oder Fremdgefährdung", erklärt Trummer und empfiehlt, einen Arzt die Lage vor Ort einschätzen zu lassen. Dabei sollte man aber niemals hinter dem Rücken des Erkrankten handeln. Die Expertin rät, den Betroffenen in einem offenen Gespräch über die geplanten Schritte zu informieren. "Das hat etwas mit Wertschätzung zu tun - gerade einer kranken Person gegenüber."

Buchtipp für Betroffene

Wenn ein nahestehender Mensch an einer Depression erkrankt, ist dieser Prozess für andere oft schwer zu verstehen. Das soziale Netz, Freunde und Familie sind für den Betroffenen aber sehr wichtig. Das Buch "Depression. Helfen und sich nicht verlieren: Ein Ratgeber für Freunde und Familie" zeigt, wie man Erkrankte unterstützen kann, ohne sich dabei selbst zu verlieren. Hier geht es zum Ratgeber "Depression. Helfen und sich nicht verlieren"*

Wenn Sie Suizidgedanken haben oder sich um jemanden sorgen, kontaktieren Sie bitte die Psychiatrische Soforthilfe unter 01/31330. Sie bietet rund um die Uhr Rat und Unterstützung im Krisenfall. Die österreichweite Telefonseelsorge ist unter 142 ebenfalls jederzeit gratis zu erreichen.

Steckbrief

MMag. Nicole Trummer

Beruf
Klinische Psychologin, Gesundheitspsychologin & Psychotherapeutin

MMag. Nicole Trummer ist Psychotherapeutin, Klinische Psychologin, Gesundheitspsychologin und Arbeitspsychologin mit Schwerpunkt unter anderem auf Stress, Burnout, Depression, Ängsten, Zwängen und Phobien. Hier geht es zu ihrer Homepage.

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