Nach Schwangerschaft und Geburt sei sie schlichtweg zu erschöpft und habe aktuell einen anderen Fokus im Leben. Das Baby schlafe noch keine Nacht durch, und sie habe keine Unterstützung in der Versorgung des Kindes, sagt Amanda. Und Paul? Er arbeite von früh bis spät, da er das Kind ja nicht stillen könne, so sein Argument, und er sich in der Vaterrolle derzeit noch nicht so gebraucht fühle. Er akzeptiere zwar Amandas sexuelle Unlust, nicht aber die "totale Verweigerung", die er als Achtlosigkeit und Aggression, ja Bestrafung verstehe. In der Paartherapie erklärt er seinen Standpunkt: "Ich muss sonst fremdgehen, wenn sie mir nicht einmal einen Handjob gibt. Dann bin ich ihr als Mann offenbar völlig egal geworden." Und seine Frau? Versteht die Welt nicht mehr. Das Kind war ein Wunschkind, und jetzt schafft Amanda für Paul den Spagat zwischen Mutterschaft und Erotik nicht. Und wissen Sie was? Auch wenn es gar nicht so gemeint ist, Paul drängt seine Frau in eine Objektrolle. Sein inniger Wunsch klingt nach einem Vorwurf: Wenn schon kein "sexueller Hauptgang", dann könne sie ihm wenigstens das Minimum eines Handjobs gnädig gewähren. Was läuft hier schräg? Er scheint etwas einzufordern, dass sie ihm aber nicht schuldet. Und er macht ihr auch noch Druck -und penetriert sie mit Worten, indem er droht, fremdzugehen.
Viele Opfer von solch unreflektiertem, ja eigentlich Psychoterror lassen sich dadurch kleinkriegen, aus Angst, den Partner zu verlieren oder das Betriebsklima der Beziehung drastisch auf unter null abzukühlen. In der Paartherapie tasten wir uns in Einzelgesprächen an die Erwartungen heran, die jeder von beiden hat. Schnell zeigt sich, dass Paul offenbar unter sozialem Erwartungsdruck steht und es gar nicht so sehr um den aufrichtigen Wunsch nach Sex geht. Sondern vielmehr darum, durch sexuelle Aktivitäten gleichsam sich und aller Welt seine Männlichkeit zu beweisen. Und in Wahrheit geht es um Pauls gekränktes Ego. Und damit nicht genug, dreht es dabei offenbar so gar nicht um die Liebe. Vielmehr um das Klischee des ganze Kerls, für den Sex so selbstverständlich wie Zähneputzen ist. Und jetzt wird in der Paartherapie seinem mangelhaften Selbstwertgefühl mal kritisch auf den Zahn gefühlt. Amanda hingegen beschäftigt aktuell ein anderes Thema: Sie stillt und versorgt ihr gemeinsames Wunschkind, besorgt nebenbei noch den Haushalt, macht Homeoffi ce und bekocht ihren Mann. Dass ihr dann die Energie, ja die Ressourcen fehlen, um sexuelle Lust zu entwickeln, erscheint nicht ganz unplausibel.
Und dennoch: Es ihm mit der Hand zu machen, würde sie doch keinen große Aufwand kosten, so Paul, und könne ihr selbst Freude machen, wenn er und infolgedessen sie beide dann entspannter wären. Halt! Setzen Sie Ihre Partnerin oder ihren Partner bitte nicht mit der Moralkeule unter Druck, indem sie ihr oder ihm ein schlechtes Gewissen einreden.
Das Fazit: Paul lernt, seine Frau als ganze Person und die sexuelle Abstinenz als Phase zu akzeptieren. Keine Katerstimmung mit apokalyptischen Drohungen, sondern Entlastung im Haushalt und in der Versorgung des Kindes können viel eher als libidinöse Booster wirken. Und bloß kein Zwang zur Lust! Daher vertrauen Sie lieber in Ihr Liebesleben, statt künstlich Sex zu inszenieren. Und nehmen Sie asexuelle Phasen in einer langfristigen Beziehung als wertvolle Auszeit vor dem nächsten Gipfel der Lust an. Ob Sie wieder dorthin gelangen, liegt schließlich an der Kultur Ihres Umgangs miteinander und ob Sie einander in Ihren aktuellen Bedürfnissen respektieren. Und bedingungslos wertschätzen, anstatt Sex zwanghaft zu konsumieren.