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Für den "Un_Safe Spaces Report" wurden im Auftrag des Kosmetikunternehmens cosnova 1.501 Frauen zwischen 18 und 35 Jahren durch das Meinungsforschungsinstitut Forsa befragt.
Die Zahlen: 92 Prozent der Frauen zwischen 18 und 35 Jahren haben bereits Belästigung oder Übergriffe erlebt, fast zwei Drittel von ihnen fühlten sich durch diese Vorfälle einmal oder mehrmals ernsthaft bedroht. 55 Prozent wurden gegen ihren Willen berührt, betatscht oder geküsst. 40 Prozent wurden ungefragt mit Nacktbildern oder pornografischen Inhalten konfrontiert. Jede Dritte wurde verfolgt, sexuell bedrängt oder bedroht. 10 Prozent der Befragten vermuten, dass ihnen schon einmal K.-o.-Tropfen verabreicht wurden.
Laut der Studie haben 61 Prozent der betroffenen Frauen zumindest einige der Übergriffe ignoriert - aus Unsicherheit über eine angemessene Reaktion oder auch, weil sie glaubten, dass eine Reaktion nichts bringt, oder das Geschehene nicht schwerwiegend genug war.
Nur knapp ein Viertel der betroffenen Frauen hat sich in einer oder mehreren Situationen getraut, den Täter direkt zu konfrontieren. Nur 8 Prozent stellten Strafanzeige, von rechtlichen Konsequenzen für den Täter berichteten nur 2 Prozent.
82 Prozent der Frauen gaben an, dass sie ihr Verhalten im öffentlichen Raum aus Angst vor Übergriffen anpassen: Sie meiden bestimmte Orte, ändern ihre Kleidung oder unternehmen bestimmte Aktivitäten nur noch in Begleitung.
Rund drei Viertel der jungen Frauen (74 Prozent) finden, dass Gewalt gegen Frauen in Deutschland nicht ernst genommen wird, 28 Prozent fühlen sich nicht ausreichend über Gewalt gegen Frauen informiert und aufgeklärt.
Auch wenn es nicht allein ihre Verantwortung sein sollte – Frauen müssen sich oft selbst schützen, so Ulrich Warncke. Der Präventionsexperte empfiehlt: Gefahren früh erkennen und vermeiden: Ein sicheres Auftreten, das Beachten des Bauchgefühls und die Wahl sicherer Wege können das Risiko von Übergriffen reduzieren.
Aktiver Selbstschutz: Selbstverteidigungskurse und Kampfsportarten können Frauen und Mädchen zum einen darin unterstützen, selbstbewusst und sicher aufzutreten, und zum anderen befähigen sie sie dazu, sich besser selbst zu schützen
Aufmerksam machen: Wer sich bedrängt fühlt oder einem Gewaltrisiko ausgesetzt ist, sollte andere Passanten lautstark auf die Situation aufmerksam machen und Blickkontakt zu Umstehenden aufnehmen. Auch ein "Schrill-Alarm" kann helfen - gemeint sind Taschenalarmgeräte.
Gesundes Misstrauen gegenüber Fremden, insbesondere bei Internetbekanntschaften: Zunächst an einem neutralen Ort treffen, jemanden mitnehmen. Aber auch in der Gruppe bleiben: "Mit Freundinnen ausgehen, heißt auch, gemeinsam wieder nach Hause fahren", so Warncke.
Zu viel Alkohol vermeiden: Er erhöht die Risikobereitschaft und macht wehrlos und Vorsicht vor K.-o.-Tropfen: Keine Getränke von Fremden annehmen. Selbst bestellte Getränke sogleich austrinken, und sie nicht zwischendurch abstellen, um zu tanzen oder auf die Toilette zu gehen. Warncke warnt: Oft werden K.-o.-Tropfen auch nicht von Fremden verabreicht, sondern "vom Partner, der auf diese Weise sexuelle Bedürfnisse durchsetzen möchte".
Unbedingt aktiv werden, so Warncke: Bei Straftaten oder auch beim Verdacht auf Straftaten Anzeige bei der Polizei erstatten. Und: "Wer Opfer akuter oder langfristiger Gewalttatsituationen ist – auch im häuslichen Bereich – sollte sich an Beratungsstellen, Notrufzentralen und Frauenhäuser wenden." Alle Menschen sollten mehr über rechtliche Rahmenbedingungen wissen, so Warncke. Etwa über das Recht auf Schutzmaßnahmen wie Kontaktverbote oder den Straftatbestand öffentlicher Übergriffe. Auch Catcalling sei strafbar - also sexuell anzügliche Rufe, Pfiffe oder Gesten.
Gewalt gegen Frauen ist kein "Frauenthema", im Gegenteil. Daher sei es wichtig, über Gewalt gegen Frauen zu sprechen und jeglicher Form der Übergriffe und Grenzüberschreitungen gezielt entgegenzutreten, so Warncke. Dass Frauen sich sicherer fühlen und sicher sind, dafür sollten alle Verantwortung übernehmen, also auch Männer. Der Fachmann plädiert dafür, schon bei den Denkmustern anzusetzen: "Gewalt gegen Frauen ist kein Zeichen von Männlichkeit, sondern ein Zeichen von Schwäche. Starke Männer schützen Frauen." Etwa, wenn sie erleben, wie andere übergriffig oder gewalttätig gegen Frauen werden.
Laut Warncke ist digitale Gewalt genauso ernst zu nehmen wie physische Übergriffe. Er empfiehlt Kommentare zu hinterlassen: "Wer in Social Media sieht, dass Frauen beleidigt oder belästigt werden, sollte sich solidarisch zeigen. Einfache Kommentare wie "Das geht gar nicht!" oder "Lass sie in Ruhe!" setzen ein Zeichen." Außerdem auch eine Meldung: Plattformen wie Instagram, TikTok & Co. haben Meldefunktionen für digitale Gewalt. "Wer so etwas sieht, sollte es melden, damit der Account des Täters gesperrt wird." Und man sollte Bescheid sagen: "Wenn intime Bilder ohne Zustimmung verbreitet werden, sollte man nicht nur die Plattform informieren, sondern auch die Betroffene - oft wissen Frauen gar nicht, dass sie Opfer digitaler Gewalt geworden sind."
ILLUSTRATION - Eine neue Untersuchung zeigt, dass fast jede junge Frau in der Öffentlichkeit bereits Belästigung oder Übergriffe erlebt hat. (zu dpa: «Alltägliche Gewalt: Wie werden junge Frauen sicherer?») Foto: Jens Kalaene/dpa-tmn - Honorarfrei nur für Bezieher des dpa-Themendienstes +++ dpa-Themendienst +++