Das Wiener Volkstheater ist eines der größten Theaterhäuser im deutschsprachigen Raum. Dem Grundgedanken folgend, ein breites Publikum quer durch alle Gesellschaftsschichten zu erreichen, boten die Schauspieler bereits Mitte des 20. ihre Vorstellungen auch in Wiens Außenbezirken dar. Heute stellt sich Direktor Kay Voges der Herausforderung, den Spagat zwischen altbewährt-klassischem Theaterbetrieb und digitaler Moderne zu meistern.
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Volkstheater Eckdaten
Eröffnet am 14. September 1889
Architekten: Ferdinand Fellner, Hermann Helmer
Baustil: Historismus
Direktor: Kay Voges
Adresse: Arthur-Schnitzler-Platz 1, 1070 Wien
Saison: September bis Juni
Plätze: 832 Sitzplätze, 10 Stehplätze, je 8 Rollstuhl- und Begleitplätze (Voranmeldung notwendig)
Praktische Links:
Die Geschichte des Volkstheaters
Als bürgerliches Gegenstück zum kaiserlichen Hofburgtheater im Jahr 1889 eröffnet, wollte man das sogenannte Deutsche Volkstheater einer breiten Bevölkerungsschicht zugänglich machen. Dementsprechend groß war der Zuschauerraum angelegt. Logenplätze wurden - dem Grundprinzip der Gleichheit folgend - nur wenige errichtet. Das Volkstheater war es das erste Theater Österreichs, das ausschließlich elektrisch beleuchtet wurde. Den insgeheimen Plänen der Hofintendanz zum Trotz, die nicht an den Erfolg des neuen Theaters glaubte und nur auf den richtigen Moment wartete, es sich zu eigen zu machen, feierte das Haus einen Erfolg nach dem anderen.
Schon 1890 wurde die erste Vergrößerung des Bühnenhauses vorgenommen, weitere folgten. Mit dem "Anschluss Österreichs" wurde das Volkstheater in das NS-Freizeitprogramm "Kraft durch Freude" integriert und aufwändig renoviert. Gold, Stuck und Statuen wurden, ebenso wie sämtliche Verzierungen im Inneren des Gebäudes, abgetragen, die Deckengemälde übermalt. Die 500 Stehplätze wurden entfernt und die Sitzreihen verbreitert. Dadurch schrumpfte die Anzahl an Plätzen von ursprünglich 1.901 auf 1.538. Bei einem US-amerikanischen Bombenangriff im Jahr 1944 wurden das Foyer und die Dachkuppel schwer beschädigt.
Nach Kriegsende setzte man alles daran, das Volkstheater so schnell als möglich wiederherzustellen. Lediglich die Kuppel wurde erst im Zuge der Generalsanierung 1980/1981, bei der man sich an den Originalplänen des Hauses orientierte, rekonstruiert. Auch dieses Mal mussten Sitzplätze weichen, um den Komfort zu vergrößern und die Sicht auf die Bühne zu verbessern. Und es war nicht das letzte Mal. Nichtsdestotrotz ist das Volkstheater heute mit 832 Sitzplätzen das drittgrößte Theaterhaus im deutschsprachigen Raum.
Die letzte Sanierung fand 2019/2020 statt. Ihr ist unter anderem die Errichtung eines zusätzlichen Cafés, des Café Liebling im Volkstheater, zu verdanken. Bauliche Maßnahmen wurden auch zugunsten der Barrierefreiheit unternommen. Im Mai 2021 wurde das Volkstheater als modernstes Theater Österreichs wiedereröffnet.
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Wer ist der Direktor des Volkstheaters?
Der Erste in der Riege der Volkstheaterdirektoren war Emerich von Bukovics. Ganze 16 Jahre führte er das Haus. Für Aufregung sorgte Direktor Karl Wallner, als er einer Schauspielerin riet, mit mehreren Männern gleichzeitig ein Verhältnis einzugehen, um so ihre Attraktivität auf der Bühne zu steigern. Während seine Zeitgenossen in künstlerischer Hinsicht keine großen Stücke auf Wallner hielten, wusste Direktor Rudolf Beer, dem der Ruf des Revolutionärs vorauseilte, das Niveau des Volkstheaters zu steigern. 1938 von Nazi-Schlägern aus seiner Loge geholt und schwer misshandelt, nahm sich Beer im Mai desselben Jahres das Leben.
In vorauseilendem Gehorsam entließ sein Nachfolger Rolf Jahn, der, um die Zahl der Besucher:innen zu steigern, vorrangig auf leichte Unterhaltung setzte, nach dem "Anschluss Österreichs" 1938 sämtliche jüdischen Schauspieler. Seine Bereitwilligkeit, Personal wie Spielplan dem nationalsozialistischen Gedankengut anzupassen, bewahrte ihn letztlich aber nicht vor seiner Absetzung. An seiner statt wurde der Deutsche Walter Bruno Iltz installiert, der trotz seines wiederholten Aufbegehrens gegen den Nationalsozialismus von deren Vertretern als einer der führenden Theatermänner im Reich geschätzt wurde.
Mit Emmy Werner stand die erste Frau an der Spitze des Volkstheaters. Während sie den Zuschauerraum auf 970 Plätze reduzierte, schuf sie mit "Am Plafond, "U3" und der "Spielbar" kleine experimentelle Spielstätten. Ihr Nachfolger Michael Schottenberg geriet mit dem Bundesdenkmalamt in Konflikt, als er das für einen geplanten Besuch Hitlers gebaute "Führerzimmer" entfernen wollte. Der Seit 2020 amtierende Direktor Kay Voges hatte aufgrund des eingeschränkten Spielbetriebs während der Corona-Pandemie keinen leichten Start. Als "digitaler Zauberlehrling" bekannt, will der Düsseldorfer den Spagat zwischen altbewährt-klassischem Theaterbetrieb und digitaler Moderne meistern.
Direktoren und Direktorinnen des Volkstheaters | |
---|---|
Emerich von Bukovics | 1889 – 1905 |
Adolf Weisse | 1905 – 1916 |
Karl Wallner | 1916 – 1918 |
Alfred Bernau | 1918 – 1924 |
Rudolf Beer | 1924 – 1932 |
Rolf Jahn | 1932 – 1938 |
Walter Bruno Ilz | 1938 – 1944 |
Rolf Jahn | 1945 |
Günther Haenel | 1945 – 1948 |
Paul Barnay | 1948 – 1952 |
Leon Epp | 1952 – 1968 |
Gustav Manker | 1969 – 1979 |
Paul Blaha | 1979 – 1987 |
Emmy Werner | 1988 – 2005 |
Michael Schottenberg | 2005 – 2015 |
Anna Badora | 2015 – 2020 |
Kay Voges | seit 2020 |
Ensemble des Wiener Volkstheaters
Das derzeit 22-köpfige Ensemble des Wiener Volkstheaters setzt sich aus folgenden Schauspielern und Schauspielerinnen zusammen:
Andreas Beck
Elias Eilinghoff
Claudio Gatzke
Frank Genser
Irem Gökcen
Evi Kehrstephan
Bettina Lieder
Hasti Molavian
Lavinia Nowak
Nick Romeo Reimann
Gitte Reppin
Anna Rieser
Uwe Rohbeck
Claudia Sabitzer
Uwe Schmieder
Christoph Schüchner
Magdalena Simmel
Samouil Stoyanov
Stefan Suske
Friederike Tiefenbacher
Günther Wiederschinger
Anne Zillich
Wo sitzt man im Volkstheater am besten?
Ein hausinterner Geheimtipp lautet: Balkon Mitte, erste drei Reihen. Allerdings ist der Platz auch immer Geschmackssache. Während die einen gerne so nah wie möglich am Geschehen dran sind, bevorzugen die anderen ein bisschen mehr Distanz oder den Blick von oben. Abgesehen davon verspricht die 2015 erbaute Zuschauertribüne mehr Komfort, bessere Sicht sowie bessere Akustik.
Gibt es fürs Volkstheater einen Dresscode?
Nachdem man mit dem Volkstheater seit jeher ein breit gefächertes Publikum erreichen will, gibt es für den Besuch der Schauspielstätte keine speziellen Kleidervorschriften. Wer sich schick machen will, kann dies gerne tun, legere Kleidung ist aber ebenso in Ordnung.
Öffnungszeiten der Abendkasse
Während die Abendkasse im Haupthaus sowie im Volkstheater in den Bezirken jeweils eine Stunde vor Vorstellungsbeginn öffnet, kann man Karten für die Dunkelkammer, die Rote Bar, den Weißen Salon und Volx jeweils eine halbe Stunde vor dem Start der Vorstellung erwerben.
Weitere Spielstätten des Volkstheaters
Als Theater fürs Volk wurden bereits Mitte des 20. Jahrhunderts Stätten außerhalb des eigentlichen Gebäudes, genauer gesagt in den Außenbezirken Wiens, bespielt. Hinzu kommt eine Reihe kleinerer hausinterner Bühnen.
Rote Bar
1938 unter der Bezeichnung "Führerzimmer" für einen geplanten, jedoch nie realisierten Besuch Adolf Hitlers erbaut, zählt die Rote Bar wohl zu den geschichtsträchtigsten Teilen des Volkstheaters. Für Aufsehen sorgte Michael Schottenberg, als er den Raum während seiner Zeit als Volkstheater-Direktor aus ethischen Gründen umgestalten wollte. Die Denkmalschutzbehörde schritt ein und alles blieb, wie es war. Heute fungiert die Rote Bar als Spielstätte, die ihre Tore auch für subkulturelle Strömungen öffnet, als Veranstaltungsort für Konzerte, DJ-Abende, Lesungen und Diskussionsrunden.
Weißer Salon
Der Weiße Salon dient als Ausstellungsraum. Präsentiert werden hier Malerei und Skulpturen ebenso wie Video- und Fotokunst.
Dunkelkammer
Emmy Werner, von 1988 bis 2005 Direktorin des Volkstheaters, schuf unter dem Dach des Volkstheaters eine kleine experimentelle Spielstätte namens "Am Plafond". Unter der Ära Schottenberg als "Schwarzer Salon" bespielt, finden in der heutigen "Dunkelkammer" vor allem Inszenierungen und Uraufführungen junger Künstler und Künstlerinnen statt.
Volx
Eine externe Spielstätte des Volkstheaters befindet sich in der Margarethenstraße 166 im 5. Wiener Gemeindebezirk. Dort ist das sogenannte Volx angesiedelt, das heute auch als Probebühne fungiert.
Bezirke
1954 zogen die Schauspieler des Volkstheaters erstmals aus, um die Außenbezirke Wiens zu bespielen. Unter der Bezeichnung "Volkstheater/Bezirke" finden heute an insgesamt 17 externen Spielstätten - darunter Veranstaltungszentren und Volkshochschulen ebenso wie die Urania und das Theater Akzent - Inszenierungen statt.