von
Die Erschütterung war für die Bevölkerung in einem breiten Gebiet spürbar, das unter anderem die Hafenstadt Pozzuoli, die Gemeinde Bacoli sowie die neapolitanischen Bezirke Fuorigrotta und Bagnoli umfasst. Das Epizentrum wurde im Meer vor Pozzuoli auf zwei Kilometer Tiefe registriert. Die stärksten Schäden wurden in Bagnoli gemeldet. Vor allem in der Nähe des Epizentrums wurden einige Häuser regelrecht durchgeschüttelt, wie die Feuerwehr berichtete. Trümmer stürzten von den Häusern und fielen auf die Straße und auf geparkte Autos. Risse in Häusern und herabfallende Fassadenteile wurden gemeldet.
Nach dem Einsturz eines Dachbodens wurde eine Frau lebend aus den Trümmern ihrer Wohnung in Bagnoli gerettet. Sie kam mit einigen Verletzungen davon, berichteten Medien. Elf Personen wurden insgesamt ins Spital eingeliefert, einige mit Verletzungen, andere wegen Panikattacken, bilanzierte der Bürgermeister Neapels, Gaetano Manfredi. Er schloss aus, dass es in Neapel wegen des Erdbebens zu schweren strukturellen Schäden gekommen sein könnte.
Viele Personen verließen in Pozzuoli ihre Wohnungen aus den Fenstern, nachdem sich die Türen wegen der Folgen des Erdbebens nicht mehr öffnen ließen. Menschen seien verängstigt auf die Straßen gelaufen. Die Schulen wurden im betroffenen Gebiet vorsichtshalber gesperrt. Am Glockenturm von Bagnoli gab es Schäden. Der Zivilschutz öffnete in Neapel, Pozzuoli und Bacoli einige Hallen zur Aufnahme von Personen, die aus Angst vor weiteren Erschütterungen die Nacht nicht in ihren Wohnungen verbringen wollten. Das Rote Kreuz leistete der Bevölkerung Hilfe.
Die Phlegräischen Felder, ein Gebiet mit hoher vulkanischer Aktivität, werden seit geraumer Zeit von vielen kleinen Erdbeben heimgesucht. Meistens sind es kaum spürbare Erschütterungen, die die Erdkruste in dem Areal schwächen. Seit elf Jahren gilt für das Gebiet die Alarmstufe Gelb, die zur Vorsicht aufruft. In den vergangenen Monaten kam es jedoch auch zu stärkeren Erdstößen. Zuletzt gab es im vergangenen Mai ein Erdbeben der Stärke 4,4, das stärkste seit 40 Jahren. 49 Familien mussten im Raum der Hafenstadt Pozzuoli ihre Wohnungen verlassen, weil die Häuser danach Stabilitätsprobleme aufwiesen.
Die italienische Regierung stellte im Februar 184 Millionen Euro für das Gebiet um den Supervulkan bei Neapel bereit. So sollen 50 Projekte im Areal der Phlegräischen Felder finanziert werden, um die Auswirkungen der ständigen Erdbeben auf Gebäude und Infrastruktur zu verringern. Premierministerin Giorgia Meloni teilte mit, dass sie zusammen mit Zivilschutzminister Nello Musumeci die Lage in Neapel und Umgebung verfolge.
Die Erschütterungen stehen mit dem Supervulkan in Verbindung, der zuletzt vor über 80 Jahren ausbrach. Der bisher letzte Ausbruch begann am 18. März 1944 und dauerte zehn Tage. Trotz der Evakuierung von mehr als 10.000 Menschen gab es damals 26 Tote. Im Jahr 79 nach Christus hatten nach mehreren Ausbrüchen des Vesuvs Asche, Schlamm und Lava die antike Stadt Pompeji unter sich begraben. Die Anlage gehört heute zu den meistbesuchten Sehenswürdigkeiten Italiens. Nach dem schweren Erdbeben am 20. Mai befürchten die Behörden weitere Erschütterungen und haben im Oktober Übungen für eine Massenevakuierung der Bevölkerung organisiert. Im seismischen Gebiet leben circa 800.000 Personen.
Vulkanologen beobachten mit Sorge die Entwicklung der Lage. "Dieses neue Erdbeben hängt mit der schnelleren Hebung des Bodens im Bereich der Phlegräischen Felder zusammen. In letzter Zeit hat sich die Hebung des Bodens verdreifacht und ist von einem auf drei Zentimeter pro Monat gestiegen", erklärte Francesca Bianco, Leiterin der Abteilung Vulkane am Nationalen Institut für Geophysik und Vulkanologie, gegenüber der italienischen Nachrichtenagentur ANSA.
Die Erdbeben in den Phlegräischen Feldern hängen mit der Geschwindigkeit der Bodenerhebung zusammen. Dieses jüngste Beben kam laut Bianco daher nicht unerwartet. "Leider ist es nicht möglich, festzustellen, wann sich ein Erdbeben ereignet und welche Stärke es haben wird. Fest steht, dass sich das Phänomen des Bradyseismus, der Bodenerhebung im Bereich der Phlegräischen Felder, seit 2023 klar verstärkt hat", sagte Bianco.