Das Schicksal ereilte den Freiherrn Paul von Waldbott-Bassenheim anno 1955 telegrafisch: "Sie sind Universalerbe von Halbturn. Bitte um sofortigen Besuch." Der vom kinderlos verstorbenen Erbonkel begünstigte Leutnant aus ungarisch-altösterreichischer Familie zögerte erst nicht, doch dann erheblich: Die barocke Immobilie im Burgenland, einst kaiserliche Jagd- und Sommerresidenz, befand sich in verheerendem Zustand. Im Krieg geplündert und abgebrannt bis auf die Außenmauern, bot es einen traurigen Anblick.
Am Anfang stand nur eine Ruine
Drei Jahre später heiratete der neue Herr über Schloss Halbturn Marietheres Reichsgräfin von Wickenburg. Man hatte einander bei der Flüchtlingsarbeit nach dem Ungarn-Aufstand kennengelernt. "Als wir geheiratet haben, war das Schloss eine Vollruine. Aber etwas so Schönes kann man doch nicht verfallen lassen", erinnert sich die verwitwete Baronin. "Es hat 30 Jahre gedauert, bis es wieder so präsentabel war, wie es jetzt ist. Wenn ich das gewusst hätte, als ich geheiratet habe, wäre ich davongelaufen", scherzt die charismatische Dame.
Zwei-Zimmer-Wohnung
Da das Schloss unbewohnbar war, zog das junge Paar in den "Roten Hof": ein Seitengebäude aus der Renaissancezeit, benannt nach seinen untypischen, roten Dachziegeln. Auch dort war der Zustand katastrophal. "Als wir das erste Mal hier hereingefahren sind, habe ich mir gedacht: Du lieber Himmel! Es haben noch Flüchtlinge in den Gebäuden gewohnt. In der Mitte stand eine Blautanne, der man den Wipfel für einen Christbaum abgeschnitten hatte. Auf der einen Seite waren Schweineställe, auf der anderen hing die Wäsche an der Leine."
Der Wohnraum war, aristokratisch nobel formuliert, beschränkt. Von herrschaftlichen Verhältnissen war man weit entfernt. "Unsere erste Wohnung hier hatte zwei Zimmer. Ein Schlafzimmer, eine winzige Küche und ein kleines Speiszimmer. Wir haben es uns ja auch nicht leisten können, Möbel zu kaufen", schildert sie die Zeit der Entbehrungen. "Auf den Meierhöfen war kein Vieh. Es war alles gestohlen, es war alles weg." Der Verwalter war nicht eben vom Glück überwältigt, als die neue Herrschaft Einzug hielt.
Der Wiederaufbau des 1711 von Lucas von Hildebrandt erbauten Barock-Juwels wurde mit Hilfe der burgenländischen Landesregierung in Angriff genommen. Der Baron verkaufte einige Liegenschaften, die zum Schloss gehörten, um das aufwändige Projekt finanzieren zu können. Ein Wunder nennt die Baronin heute die Tatsache, dass der Saal mit dem berühmten Deckenfresko von Franz Anton Maulbertsch vom Feuer verschont geblieben war. Heute ist das bedeutende Werk Zentrum und Seele des Schlosses.
Kunst und Kultur
Marietheres Waldbott ist auch Obfrau des Kulturvereins, der allsommerlich Ausstellungen und Konzerte veranstaltet. "Wenn ich mir das abgebrannte Schloss auf den Bildern vergegenwärtige und es jetzt anschaue mit den Massen von Leuten, die in die Ausstellungen gehen und zu den Konzerten kommen: dann bin ich schon sehr glücklich, dass wir das alles gerettet haben. Mein Mann und ich haben in den ersten Jahren nicht einmal Urlaub gemacht, weil es so schwer war. Aber es ist dafürgestanden. Man kann jetzt aber auch nicht sitzen und sagen: 'So, jetzt ist alles herrlich.' Denn kaum ist man fertig, fängt es wieder von vorne an", sagt die Schlossherrin nachdenklich. "Ich kann jeden nur warnen. Von Lustwandeln als Schlossherrin kann keine Rede sein."
Gesichertes Erbe
Da dem Paar eigene Kinder verwehrt blieben, adoptierte Paul Waldbott im Jahr 2000 seinen Neffen Markus Graf zu Königsegg-Aulendorf. Der führt seit dem Tod des Barons anno 2008 die Geschicke des Anwesens und des Weingutes.
Ob sie auf ihr Lebenswerk stolz ist? Solche Gefühle schätzt die Baronin nicht. "Ich bin sehr glücklich. Ich empfinde keinen Stolz, sondern tiefes Glück. Wenn ich von außen mit dem Auto komme, dann fahre ich immer beim Schloss vorbei. Auch in der Nacht, es ist ja ein bisschen beleuchtet. Dann denke ich mir: Es ist so schön hier. Es ist wirklich dafür gestanden, dass wir uns so geplagt haben."
Ein schönes, erfülltes Leben, das da aus den Ruinen erstanden ist.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 50/2013 erschienen.