Die Marke Porsche steht seit jeher für hochperformante Sportlichkeit im Automobilbau. Ein Nimbus, den sie nun geschickt ins Zeitalter der Elektromobilität transformiert. Aber gehen bei dieser Entwicklung auch die Kunden mit?
1.034 PS Leistung, 1.340 Nm Drehmoment, eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 2,2 Sekunden, spätestens 4,2 Sekunden später freut sich auf Österreichs Autobahnen die Exekutive, weil man da die 200er-Marke überschritten hat und sie theoretisch ein Fahrzeug mit einem Neupreis von 243.981,95 Euro zwecks Versteigerung einziehen kann. Vorausgesetzt, sie fängt es ein: die Spitze dieses Supersportautos liegt nämlich bei 305 km/h.
Liest man die Leistungsdaten des Porsche Taycan Turbo GT Weissach Edition, sprüht es nur so vor Superlativen. Tatsächlich ist das viertürige Coupé mit dem massiven Heckflügel aus Karbon von den Kennzahlen her das mit Abstand stärkste und puncto Beschleunigung auch schnellste Straßenauto, das Porsche je gebaut hat. Der nächste straßenzugelassene Konkurrent aus eigenem Haus, der Porsche 911 Turbo, leistet gerade mal 650 PS und beschleunigt in 2,7 Sekunden auf 100. Bloß in der Spitze legt er dem Taycan 25 km/h drauf.
Und trotzdem zwickt eher der Letztere waschechten Porschefans eine Träne der Begeisterung ab als der Super-Taycan. Der Grund: dieser ist ein rein batterieelektrisch betriebener Supersportwagen. Also ein E-Auto.
Tolle Technik, schwacher Ruf
Pragmatisch betrachtet ist das eine gute Sache. Das Auto im slicken Karbon-Look – der sich durch das rund 70 Kilogramm Leergewicht einsparende Zusatzpaket Weissach Edition konsequent im Innenraum fortpflanzt, etwa in Form einer massiven Karbon-Abdeckung ebendort, wo Autos mit vier Türen sonst Rücksitze haben – ist sauschnell, durch und durch rennstreckentauglich ausgelegt und hat folgerichtig auch schon einige Streckenrekorde auf dem Kerbholz. Etwa in Laguna Seca (USA), in Shanghai (China) oder auch auf der altehrwürdigen Nürburgring-Nordschleife.
Seine Tiefflüge veranstaltet das Teil völlig geräusch- und auch lokal emissionsfrei, sieht man vom nicht unbeträchtlichen Abrieb der Bremsen und Reifen unter Vollast ab. Das riecht alles fein nach Zukunft. Aber der in der Wolle gefärbte Automobil-Adorant, spätestens seit Roland Düringers Erfolgsprogramm gerne und nicht grundlos als „Benzinbruder“ tituliert, hat es doch lieber, wenn Supersportautos bei der Arbeit grummeln, tosen, fauchen und brüllen. Selbst wenn derlei in Zeiten des Klimawandels solide ewiggestrig klingt.
Helmut Eggert, Geschäftsleiter Porsche in Österreich, will diese Art von Kundenfeedback so nicht bestätigen, obwohl er einräumt, selbst einer Generation anzugehören, die auch noch ganz gerne etwas hört, riecht und spürt, wenn man ein Sportauto bewegt. „Aber was ich gerne habe, hat relativ wenig Relevanz für die Zukunft. Mein 22-jähriger Sohn etwa, der durchaus meine Autobegeisterung geerbt hat, ist vom Taycan Turbo GT und von dessen Leistungsfähigkeit restlos begeistert. Da fehlt ihm nichts, gar nichts.“
Auch wäre die Wahrnehmung in manch nordeuropäischem Land, wo E-Antriebe längst das Gros der Individualmobilität vorantreiben, ziemlich anders: „Wenn sich der dänische Porsche-Club zur Ausfahrt trifft, fällt eher der vorbeiröhrende Benziner ungut auf.“


Rekord: Karbon wohin das Auge blickt: Die Weissach Edition reduziert das Fahrzeuggewicht um 70 Kilogramm, macht den Taycan Turbo GT noch rennstreckentauglicher. Was er bereits durch mehrere Rundenrekorde bewies, etwa wie hier auf der Rennstrecke von Laguna Seca in Kalifornien
© Porsche

Erfolgreich: Helmut Eggert ist seit 1999 Geschäftsleiter Porsche in Österreich
Extremes Leistungspotenzial
Sitzt man selbst im Überdrüber-Taycan und lässt ihn die Muskeln anspannen, hat man nur wenig Zeit, sich auf Geräuschkulisse oder Rauchentwicklung zu konzentrieren. Da ist das volle, fahrerische Geschick gefragt. Ein Schicksal, das der Laie mit Menschen teilt, deren Hauptberuf es ist, schnell Auto zu fahren. Bei ersten Renn-Tests mit der Taycan Weissach-Edition erkundete etwa Timo Bernhard, zweifacher FIA-Langstrecken-Weltmeister und mehrfacher LeMans-Starter für Porsche, ernsthaften Gewöhnungsbedarf: „Das extreme Leistungspotenzial dieses Fahrzeuges stellt selbst gestandene Renn- und Testpiloten vor Herausforderungen.“ Was auch am differenten Wesen von E-Fahrzeugen liegt.
Sound und Getriebeverhalten etwa sind wichtige Orientierungshilfen für Rennfahrer. Das Zusammenspiel aus Fliehkräften, Motorkinetik und Motorgeräusch liefert wichtige Informationen über tatsächliche Geschwindigkeit, Bremspunkte, Fahrverhalten. So muss sich auch der Profi im vollelektrischen Porsche ein neues Inertialsystem zurechtzimmern, bevor er auf echte Rundenzeiten losgeht. Und sich dann in der Regel recht schnell anfreundet mit typischen E-Autoeigenschaften wie ruckfreier Beschleunigung von Null bis Spitze oder dem vollen Drehmoment ab dem ersten Tritt aufs Strompedal.
Klingt alles nach einer Verbesserung gegenüber dem guten, alten Verbrenner: Mehr Leistung, besseres Fahrverhalten und durch ausgereiftes Thermo-Management auch ungefähr die gleiche Reichweite unter Rennbedingungen. Und trotzdem sieht es nicht danach aus, dass der Taycan Turbo GT auf den Trackdays und Rennstreckentreffen der hiesigen Porsche-Cracks bald die Verbrenner ersetzen wird. Ist die zwar technisch gelungene, aber charakterlich schwierige Transformation des Supersportwagens in die Elektrowelt für eine Marke wie Porsche ein Dilemma?
Performance als Messlatte
Helmut Eggert sieht darin alles andere als ein Problem für die Marke: „Porsche hat sich vom ersten Tag an über Performance definiert und nicht über die Form des Antriebs. Es geht um das bestmögliche Fahrverhalten unserer Fahrzeuge im Rennbetrieb und im Grenzbereich. Das hat viel mit Leichtbau zu tun, mit Straßenlage und auch mit Bremsen.“ Im Gegenteil kommt die E-Technologie der Weiterentwicklung im Spitzenbereich sogar zugute: „Die Grenzen der Performance im absoluten Top-Sportwagensegment sind heute ja schon so weit ausgereizt, so weit hinausgeschoben, dass wirkliche Steigerungen mit reinem Verbrenner-Antrieb gar nicht mehr erreicht werden können. Wichtig ist, dass das genuine Porsche-Fahrerlebnis bereitgestellt wird. Mit welchem Antrieb das geschieht, ist zweitrangig.“
Tatsächlich fühlt sich der Taycan Turbo GT wie ein echter Porsche an. Was beim Cockpit-Feeling und der direkten Lenkung beginnt und über Haptik, Verarbeitung und Bedienbarkeit bei den Fahrleistungen bestätigt wird. Lässt man alle 1.043 Pferde im Launch-Control-Modus auf die vier Antriebsräder los (und im sogennanten „Overboost“-Modus traben auf Knopfdruck und für maximal zwei Sekunden sogar insgesamt 1.108 Rösser munter an), wirkt das vom Startvorgang eines Flugzeuges bekannte Fliehkraft-Gefühl dagegen wie das Anfahren der U6 zur Stoßzeit. Ausgeklügelte Aerodynamik in Verbindung mit einem perfekt austarierten Fahrzeugschwerpunkt kleben das Auto regelrecht auf die Straße. Einzig vom Boden der Legalität hebt man auf öffentlichen Straßen schneller ab, bevor man beim zweiten W von „Wow!“ angelangt ist. Aber darauf weisen einen dann schon längst zahlreiche energisch blinkende und piepsende Assistenzsysteme hin. Womit wir bei einem wichtigen Vorzug des stärksten Porsche aller Zeiten angelangt sind.


Kurze Ladezeit: Dank 800 Volt Spannungsniveau hält der Porsche Taycan auch in der Weissach-Edition die Ladezeiten kurz
© PorscheSupersport im Alltag
Was der Porsche Taycan, selbst als Turbo GT, seinen Sprit verbrennenden Supersport-Kollegen nämlich voraushat ist seine Alltagstauglichkeit. Selbst bei sehr sportlichem Fahrbetrieb kommt man mit der vollen Batterieladung gut 400 Kilometer weit, da halten viele zivilisierter auftretende E-Mitbewerber nicht mit. Dank 800 Volt-Technologie ist das Aufladen bei entsprechender Infrastruktur eine schnelle Sache, die maximale Ladeleistung liegt bei 270 Kilowatt Gleichstrom, wenn die Säule liefert. Und dass man für längere Ausfahrten rein körperlich in die engen Renn-Schalensitze (bei der Weissach-Edition serienmäßig) passen sollte, geht als Nebenwirkung durch, für die das Auto nichts kann. Hochzivilisiert im Alltagsverkehr mitzuschwimmen fällt dem Taycan jedenfalls weitaus leichter, als jedem vergleichbar leistungsstarken Fahrzeug mit Benzinantrieb.
Dass der Taycan im Modellprogramm von Porsche nicht der einzige Vollelektriker bleibt, führt Helmut Eggert nicht nur, aber schon auch auf die stetig nachgeschärften CO2-Höchstgrenzen von EU und Konsorten zurück. Jüngst wurde mit dem Macan der erfolgreiche Kompakt-SUV der Marke neu und nun vollelektrisch aufgelegt. Was die Kundschaft laut Eggert gut aufnimmt, auch aufgrund der bis vor Kurzem noch sehr E-Auto-freundlichen Förderungslage in Österreich. „Trotz hoher Nachfrage beim Auslauf des Vorgängermodells können wir schon jetzt einen 35-prozentigen Absatzanstieg im Vergleich zum Vorjahr verzeichnen.“
Und auch die Ikone, der Neunhundertelf, wurde jüngst teilweise elektrifiziert, was wie immer, wenn sich Porsche Neuerungen an diesem Sportwagen-Monolith erlaubt, zu einem Aufjaulen der Fangemeinde führte. Im
911 GTS wird der legendäre Boxermotor nun durch zwei Elektromotoren in Turbolader und Getriebe bei der Arbeit unterstützt. Kumuliert erweitert das die schon gewaltige Verbrennerleistung von 485 PS auf 541 PS Systemleistung. Wesentlich wichtiger ist aber, dass die Hybrid-Technik auch den Verbrauch und somit den CO2-Ausstoß erheblich reduzieren. Jedwede Hysterie um diesen „Stilbruch“ relativiert Eggert freilich schnell: „Mit einem Hybrid, der rein elektrisch durch die Stadt surrt, hat das nichts zu tun. Das System im Porsche 911 GTS kann man eher mit jener Art von Hybrid-Technik vergleichen, die in der Formel 1 zum Einsatz kommt.“
Vollelektrische Porsche-Zukunft
Zum allgemein lauter werdenden Unmut der Autoindustrie über zu strenge Abgas-Obergrenzen oder ein zu frühes Verbrenner-Aus, dessen bereits festgelegter Zeitpunkt 2035 nun im Herbst von der EU-Komission neu evaluiert wird, kamen jüngst Gerüchte über eine Kehrtwende bei Porsche in Stuttgart auf. Man erwäge wegen rückläufiger Verkaufszahlen und fehlendem Kundeninteresse eine „Rückkehr zum Verbrennermotor“. Ein Term, mit dem Eggert aus rein faktischen Gründen wenig anfängt: „Porsche hat derzeit sechs Baureihen im Programm. Genau zwei davon sind rein elektrisch. Ich verstehe nicht ganz, wo da eine Rückkehr stattfinden müsste.“
Und auch im SUV-Programm gibt es keinen Kurswechsel: „Die Zukunft des Macan ist rein elektrisch, das steht fest,“ stellt der Porsche-Geschäftsleiter klar. Dass parallel dazu eine weitere B-SUV Baureihe entwickelt werden könnte, die dann wieder auf beide Antriebssysteme zurückgreift, sickert dennoch immer wieder auch bei Stuttgart-nahen Kreisen durch. Von einem Marktstart ist hier aber, wenn überhaupt, erst gegen Ende des Jahrzehntes auszugehen. Vorerst bleibt also alles bloß besser.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 15/2025 erschienen.