Kindheitsnostalgie und Angst vor Fernreisen verhelfen der Oberen Adria zu einem rauschenden Comeback: Eine Million Österreicher tauchen heuer an den nördlichen Küstenabschnitten von Italien und Kroatien ab. Wir zeigen, wo "unser Meer" am schönsten ist.
Vor der Globalisierung gab es aus österreichischer Sicht nur zwei Wege ins Paradies: entweder über den Brenner nach Italien mit seinen endlosen, feinkörnigen Sandstränden - oder über den Trojanepass nach Jugoslawien mit seinen wildromantisch zerklüfteten Felsküsten. Pizza oder Pljeskavica, Tricolore oder Tito? Die Billigfluglinien waren noch nicht erfunden, die Autos noch nicht klimatisiert, die Kinder auf der Rückbank noch nicht angeschnallt - und alleine schon die Anreisestrapazen rechtfertigten den nachfolgenden Adria-Urlaub.
Später gingen wir dann kollektiv in die Luft, flogen überall hin, wo die Charterbomber uns absetzten, und verliefen uns irgendwo zwischen Antalya, Kykladen und Costa del Sol. Hauptsache, möglichst schnell, möglichst billig möglichst weit weg - die Erinnerungen an den Urlaub von früher verblassten, die Polaroids in den Familienalben vergilbten. Doch nun feiern die Obere Adria und insbesondere deren nördlicher Abschnitt ein rauschendes Comeback: Die Buchten, Strände und Inseln des etwa 400 Kilometer langen Küstenstreifens zwischen Jesolo auf der italienischen und der Kvarner-Bucht auf der - mittlerweile - kroatischen Seite firmieren zu Recht wieder als die "Badewanne der Österreicher".
"Knapp eine Million Österreicher werden in den Sommermonaten zumindest ein paar Tage im Norden der Oberen Adria verbringen", prognostiziert Peter Zellmann, Chef des Instituts für Freizeit- und Tourismusforschung. Italien, so Zellmann, werde seinen Status als beliebteste Urlaubsdestination der Österreicher heuer nur knapp halten, Kroatien, das die Zahl seiner österreichischen Gäste im vergangenen Jahrzehnt verdoppelte, liegt fast gleichauf. "Die unsichere Lage in Teilen des Mittelmeerraums begünstigt diese beiden Reiseziele immer stärker", sagt Zellmann. Zudem mache sich bei den österreichischen Urlaubern eine Art Nostalgie breit. "Dieser Trend ist eine Antwort auf die Nullerjahre, als man gerne weit weg flog. Nun hat man die Welt gesehen und entsinnt sich wieder der Urlaubserlebnisse aus der eigenen Kindheit."
Beide Autoren führte die Liebe an die Obere Adria: Der Gourmet-Journalist Georges Desrues zog seiner Freundin zuliebe nach Triest, wo er seit zwei Jahren lebt. News-Redakteur David Pesendorfer lernte seine aus Pula stammende Frau vor 20 Jahren im Kroatien-Urlaub kennen.
Die Badewanne der Österreicher
Von Friaul-Julisch Venetien über Slowenien und Istrien bis hinüber zur Inselwelt der Kvarner-Bucht: die Highlights unserer Lieblingsküste.
1. Jesolo
Der Sandstrand erstreckt sich auf 15 Kilometer, die Megadiscos sind legendär - und auch der Österreichbezug hat Hand und Fuß. Vor allem Fuß: Hans Krankl hat hier seinen Zweitwohnsitz.
2. Caorle
Eine sehenswerte historische Altstadt, dazu noch ein intakter Fischerhafen: Caorle bewahrte sich trotz seines breitgefächerten touristischen Angebots einen Gutteil seiner Ursprünglichkeit.
3. Lignano
Auch wenn Trinktouristen aus Österreich die Familiendestination am liebsten zum Italo-Ballermann machen würden - Lignano leistet respektablen Widerstand.
4. Grado
Gehörte zur Habsburgischen Riviera, ist also maritimer Teil unserer Geschichte. Zudem ist Grado das Solarium der Adria: Nur hier sind alle Strände südseitig ausgerichtet - und werden so ganztägig besonnt.
5. Triest
In der Monarchie war Triest unser Tor zur Welt, noch heute lebt der altösterreichische Lifestyle in der Triestiner Küche fort. Doch diese Stadt kann auch Badeurlaub!
6. Piran
Sloweniens Anteil an der Adriaküste ist gerade 46 Kilometer lang. Vergessen Sie den Haupthafen, Koper, Highlight ist das Städtchen Piran mit seiner venezianischen Architektur.
7. Rovinj
Zentrum der Altstadt ist ein sanfter Hügel, auf dem die Barockkirche Santa Eufemia thront. In Gehdistanz zur Stadt finden sich zahlreiche Strände und ein weitläufiger Naturpark. Toprestaurants!
8. Lovran
Die kleine, weitaus günstigere Schwester von Opatija; auch hier prägen Villen aus der k. u. k. Zeit das Stadtbild - und bilden so den sanften Kontrast zu realsozialistischen Bettenburgen aus der Tito-Ära.
9. Opatija
Urlaub wie zu Kaisers Zeiten: In manchen Hotels wird hier tatsächlich noch Donauwalzer getanzt, das alte Österreich ist allgegenwärtig, auch in Gestalt von Wiener Pensionisten. Aber: für die Region zu teuer.
10. Inseln Cres, Lošinj
Neben Krk die beiden Hauptinseln der Kvarner-Bucht - aber landschaftlich und architektonisch weitaus reizvoller. Imposante Meeresfauna, hier gibt es sogar noch Delfine.