Ursprünglich und idyllisch – Menorca besticht mit ruhigen Buchten, unberührter Natur und einem tief verwurzelten Sinn für Tradition. Vor allem Feinschmecker, Wanderfreunde und Kulturbegeisterte kommen hier auf ihre Kosten. Und Mallorcas kleine Schwester zeigt, dass weniger oft mehr ist
Fischerdörfer mit Salztradition
So nah und doch so anders: Wer von Menorca zur Schwestern insel Mallorca will, nimmt den Flieger, die Fähre – oder schwimmt. Knapp zehn Stunden brauchte beispielsweise die Deutsche Nathalie Pohl, die vor drei Jahren die 40 Kilometer lange Strecke so absolviert hat. „Es ist zu schaffen“, versichert auch Tourguide Mariona. Aber lohnt sich der Abstecher zur großen Schwester Mallorca mit ihren über 1.000 Meter hohen Bergen in der Tramuntana, den mehr als 300 Stränden, den zehn Michelin Restaurants? Nein, findet Mariona. Denn Menorca bietet all das auch – nur in der beschaulicheren, weit aus kleineren Variante. Und eben mit viel weniger Touristen. Die Antwort kommt routiniert. Denn die Frage, welche der beiden Inseln denn nun die schönere ist, muss Mariona oft beantworten. Doch der Vergleich hinkt und macht obendrein wenig Sinn. Eine Reise wert sind beide Inseln. Der Charme von Menorca liegt in ihrer Ursprünglichkeit. Alles geht ein bisschen ruhiger zu. Auch wird mehr Wert auf traditionelle Handwerkskunst gelegt – und das zeigt man besonders gerne her.
Das „Sal de Menorca“ beispielsweise wird auf einer kleinen Finca im Norden Menorcas nahe dem Fischerdorf Es Fornells aus den Salinen, die sich in unmit telbarer Nähe zum Meer befinden, in aufwendiger Handarbeit gewonnen, verarbeitet und verkauft – etwa als „pikantes“ Salz mit Chilli und schwarzem Pfeffer veredelt. Die Salztradition in dieser Region reicht bis ins Jahr 1853 zurück. Eine Führung inmitten der Salinen mit den Flamingos und der Handvoll Arbeiter, die hier mit einer Art Besen die Salzflocken von der Oberfläche schöpfen, lohnt sich. Sie endet wenig überraschend bei einem kleinen Shop, wo die Produkte erworben werden können. Ein Kilo Salz kostet knapp zehn Euro.
Rau und unverbaut
Wer die raue und unverbaute Nordhälfte der Insel – insgesamt sind zwei Drittel der 700 Quadratkilometer großen Insel Naturschutzgebiet – erkunden will, tut das am besten in einer organisierten Jeepsafari von „Menorca Discovery Jeep-Safaris“. Die Winterstürme, die hier mit bis zu 100 km/h über die Insel fegen, haben ihre Spuren in der Vegetation hinterlassen. Peter, der ein bisschen wie Indiana Jones aussieht und eigentlich aus der Nähe von Barcelona kommt, ist vor 30 Jahren auf der Insel hängengeblieben und fährt seine Gäste zu den schönsten Stopps. Vorbei an kargen Landschaften mit duftenden Kamillenbüschen und einsamen Strandbuchten geht es bis zum nördlichsten Punkt mit dem Leuchtturm Cavalleria auf einer hohen Steilklippe. Atemberaubende Ausblicke auf das Mittelmeer und die Küste sind garantiert.
Aber auch der traditionellen und winzigen Käserei „Sa Cavalleria“ wird ein Besuch abgestattet. Der bekannteste Käse der Insel ist der Mahón mit seiner quadratischen Form und den abgerundeten Ecken. Der Geschmack? Intensiv und durchaus gewöhnungsbedürftig. „Der Wind der Tramuntana ist salzig. Das Gras ist salzig. Aber genau das macht den Geschmack des Käses aus“, erzählt Peter zwischen meterhohen Holzregalen, in denen die Käselaibe reifen.
Ein Traumblick bietet sich auch von der höchsten Erhebung der Insel, dem Monte Toro mit überschaubaren 358 Metern. Auf dem Gipfel befinden sich eine Wallfahrtskirche und ein Kloster. Zu Fuß dauert der Aufstieg ein bisschen. Mit dem Auto ist es eine Sache von ein paar Minuten. Immer das Meer vor Augen haben Wanderer, die wiederum den Camí de Cavalls, den ehemaligen Pferdeweg, entlangwandern. Auf rund 185 Kilometern umrundet er die Insel entlang der Küste. Ein Einstieg ist überall möglich, denn der Rundweg ist in 20 Etappen unterteilt. Je nachdem, wo man einsteigt, sind Leuchttürme, malerische Buchten und Dörfer, aber auch historische Stätten mit talayotischen Monumenten und Wehrtürmen das Wanderziel.
Hauptstadt-Duell
Sightseeing im klassischen Sinne ist auf Menorca natürlich auch möglich. Gleich zwei Hauptstädte stehen zur Auswahl. Mahón ist seit 1722 die offizielle Hauptstadt und bekannt für den großen Naturhafen. Ciutadella, die frühere Hauptstadt, punktet mit einer malerischen Altstadt, speckig glänzendem Kopfstein pflaster, einer beeindruckenden Kathedrale und zahlreichen Stadtpalästen. Der winzige Hafen der Stadt ist vor allem in den Abendstunden einen Abstecher wert, wenn die zahlreichen Restaurants entlang der Hafenmauer den Fischfang des Tages auf die Tische stellen. Nur ein paar Meter weiter in einer kleinen Gasse in der Altstadt befindet sich das „Es Tast de na Sílvia“, das einzige Restaurant auf den Balearen, das mit dem Slow-Food-Siegel ausgezeichnet ist. Das heißt: Alle Zutaten stammen von lokalen Erzeugern. Es gibt Feige mit Sobrasada, einer geräucherten Streichwurst oder Coca, eine Art Pizza, mit Marillen und Ziegenkäse belegt. Gewürzt wird natürlich mit Flor de Sal aus den Salinen von Fornells.
Und Mahón? Überrascht mit einer eigenen Gin-Produktion, dem Vernehmen nach die erste und einzige im Mittelmeerraum. Die Geschichte der Destillerie Xoriguer reicht bis in das Jahr 1736 zurück. Produziert wird in alten Gemäuern und alter Tradition – Holzfeuer und ein 300 Jahre alter Kessel inklusive. Bis unter die Decke stapeln sich die Kisten mit den Wacholderbeeren aus den katalanischen Pyrenäen, die händisch für den Gin sortiert werden. In Summe zehn Tonnen pro Jahr. Pro Tag werden 3.000 Liter Gin produziert. Pomada heißt der auf Menorca beliebte (und empfehlenswerte) Drink, der auf eben diesem Gin basiert und traditionell mit Limonade oder Zitronensaft gemischt wird.
Gourmet-Hotspots
In der Altstadt von Mahón liegt auch das Boutiquehotel Cristine Bedfor, ein typisch menorquinisches Haus aus dem 19. Jahrhundert. Rosamunde-Pilcher lässt hier an jeder Ecke grüßen. Wer kein Hotelgast ist, sollte jedenfalls zum Essen vorbeischauen. Denn hier kocht Pau Sintes Juanico, der beste Nachwuchskoch Europas. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, Rezepte aus dem Buch des Franziskanermönchs Fra Roger aus dem 18. Jahrhundert neu zu interpretieren. „Nirgendwo sind die Lebensmittel besser als auf Menorca“, schwärmt der 23-Jährige, während er hauchdünn geschnittene Gambas mit Knoblauch und Orangenfilets verfeinert. Es folgen Seebarsch mit Haselnusssoße und Lamm mit Heidelbeeren auf Humus.
Ein Verdauungsspaziergang auf der Isla del Rey rundet den Urlaubstag perfekt ab. Die kleine Insel, die von Mahón aus mit dem Shuttleboot erreichbar ist, beeindruckt mit ihrem historischen Charme: Hier errichteten die Briten im 18. Jahrhundert ein Militärhospital, das heute besichtigt werden kann, ebenso wie eine kleine Galerie. Doch die meisten Besucher kommen vor allem wegen der „Cantina“, einem Restaurant inmitten eines traumhaften Gartens.
- Hoteltipp: Maïa Ciutadella
Das Maïa Ciutadella ist ein kleines Boutiquehotel mit 15 Zimmern und Dachterrasse in der Altstadt von Ciutadella.
- Schlafen am Bauernhof: Torralbenc
Torralbenc in Alaior im Süden ist ein wunderschön renovierter, typisch menorquinischer Bauernhof mit 22 Zimmern. Im Restaurant kocht Sternekochs Gorka Txapartegi auf.
- Verspieltes Boutique-Hotel: Cristine Bedfor
Das Hotel Cristine Bedfor ist ein kitschig schönes Boutique-Hotel im Herzen von Mahón. Das Hotelrestaurant allein ist einen Besuch wert.