Wer auf Mauritius die 160 Kilometer langen Sandstrände verlässt, erlebt eine einzigartige Vielfalt an Kulturen, Kulinarik und Naturschönheit. Und Mauritier, die gerne davon erzählen
- Zwischenstopp in der Kolonialzeit
- Mauritius-Spezial-Tipps - erleben und sehen
- Mauritius: Tourismus überholt Zuckerrohr
- Drei Sprachen, Dutzende Kulturen
- Da ein Tempel, dort die Moschee
- Der beste Blick auf Mauritius: von weit oben
- Mauritius - Wissenswertes
- Eine Wanderung mit Geschichte
- Kochen über offenem Feuer
- Eine Lokaltour wie keine andere
Es fällt schwer, sich vom kilometerlangen Sandstrand, dem türkisblauen Wasser und den sanft wogenden Palmen loszureißen. Im ursprünglichen, ruhigen Süden von Mauritius, in Bel Ombre könnte man sich auch bloß vom satten Grün der Tropeninsel und dem ganzjährig warmem Wasser des Indischen Ozeans umfangen lassen. Es wäre allerdings ein großer Fehler, auf der nur 64 Kilometer langen und 55 Kilometer breiten Insel nur deren berühmte Strände zu genießen.
Diese Erkenntnis begleitet jeden, der trotz verführerischen 160 Kilometern Sandstrand zur Erkundungstour aufbricht. In Bel Ombre ist das gemütlich mit dem Fahrrad möglich. Auf den Straßen ist kaum Verkehr und allein die Fahrt durch die farbenprächtige Vegetation ist Balsam für die Seele. Beim Fotostopp erfährt man von Einheimischen, dass rund die Hälfte der hier blühenden Pflanzen nur auf Mauritius zu finden sind. Endemische Naturwunder nennt sie die Biologie.
Zwischenstopp in der Kolonialzeit
Nach einer sanften Steigung kommt das Herrenhaus Château de Bel Ombre ins Blickfeld und man meint, die Zeit sei stehen geblieben. Das 1910, damals im Herzen einer Zuckerplantage angelegte Haus im Kolonialstil ist ein Kunstwerk der mauritischen Bourgeoisie des 20. Jahrhunderts. Umgeben vom pittoresken französischen Garten lädt es zu Verschnaufpause und wohlverdientem Sundowner.
Rund um das Château de Bel Ombre war einst die Zuckerrohrgewinnung Motor des Wirtschaftslebens. Heute gehören die grünen Weiten zu Luxushotels und einem Golfplatz. Auch das Herrenhaus beherbergt ein Restaurant mit Übernachtungsmöglichkeit für extravagante Geschmäcker. Die Geschichte von Bel Ombre ist damit exemplarisch für die wirtschaftliche Entwicklung in Mauritius.
Mauritius-Spezial-Tipps - erleben und sehen
Der berühmte, längst ausgestorbene Vogel Dodo ist das Wahrzeichen der Insel und schmückt Wände und Lokale auf der ganzen Insel (o.).
Kochkurs: Kot Marie-Michelle in den Midlands, kreolische Küche mit anschließendem Essen. www.facebook.com/kotmariemichelle
Streetfood-Tour: Vierstündige geführte Foodtour. tastebuddies.mu
Wandern: mit Yanature mit Yan de Maroussem, etwa durch den Black River Gorges National Park. www.trekkingmauritius.com
Mauritius: Tourismus überholt Zuckerrohr
Vor der Unabhängigkeit im Jahr 1968 nach 150 Jahren britischer Kolonialherrschaft war Mauritius' Wirtschaft fast vollständig vom Zuckerrohranbau abhängig. Inzwischen florieren die Industrie, der Finanzsektor und vor allem die Tourismusbranche.
Wie sehr Mauritius' wechselhafte Vergangenheit die Insel und ihre 1,3 Millionen Einwohner prägt, spürt man bei jeder Begegnung. Jeder hier weiß um seine Vorfahren und erzählt gerne von ihnen. Sie kommen aus Afrika und Madagaskar, aus Indien oder den Ländern der Kolonialmächte, die die unbewohnte Insel ab dem 15. Jahrhundert besiedelten: Portugal, Niederlande, Frankreich und Großbritannien.
Es ist spätabends und das Feuer lodert mächtig, als der Sänger der zehnköpfigen Truppe beim landestypischen Sega Tipik von seinen Ahnen aus Mosambik erzählt. Der traditionelle Abend ist eine Mischung aus Fest des Lebens und Tanzaufführung. Westafrikanische Djembe-Trommeln und kreolische Gesänge sorgen für hypnotische Stimmung. Dazu gehört der Tanz, der Sega, der mit scharrenden Füßen und wiegenden Hüften beeindruckt. Es ist rituelle afrikanische Musik, erzählt der Sänger, die Männer und Frauen gesungen haben, die als Sklaven verkauft worden waren. Heute ist es der Inbegriff mauritischer Lebensfreude.
Drei Sprachen, Dutzende Kulturen
Vielleicht ist diese Verschmelzung vieler Kulturen über Jahrhunderte hinweg ein Grund für die warmherzige Offenheit und ruhige Freundlichkeit, mit der einem Mauritierinnen und Mauritier begegnen. Kaum jemand, der hier nicht lächelt und grüßt.
"Es gibt auch blonde Mauritier mit blauen Augen. Wir sind eine gute Mischung von überall", stellt Kommunikationsmanagerin Clothilde Lefébure fest und lacht. Sie verließ das Land zum Studieren Richtung Frankreich, bis die Sehnsucht nach der Heimat zu groß wurde. Seit der Geburt ihrer 14-jährigen Tochter lebt Lefébure wieder hier. Vermutlich wird die Tochter es ähnlich machen, denn die dreisprachige Erziehung macht das Studieren im Ausland einfach. In mauritischen Schulen werden Englisch, Französisch und Kreolisch unterrichtet und gesprochen, wobei Kreolisch am beliebtesten ist, gefolgt von Französisch.
Nun, da die Sinne für die Vielfalt der Kulturen auf der Insel geschärft sind, offenbart sich bei der Fahrt in den Südwesten mehr, als die Augen zuvor registrieren konnten.
Da ein Tempel, dort die Moschee
Es geht zur geologischen Attraktion nach Chamarel. Dort wartet die weltweit einzigartige Seven Coloured Earth, ein tatsächlich von Hügel zu Hügel von der Natur unterschiedlich gefärbtes Fleckchen Erde. Im Südwesten von Mauritius kommt man angesichts der Siebenfarbigen Erde nicht aus dem Staunen. Das geologische Spektakel entsteht durch die Umwandlung des Bodens aus Basaltlava in Tonminerale
Wenige Hundert Meter daneben ist der atemberaubende Wasserfall einen Abstecher wert. Und ist man schon in der Gegend, sollte man sich in der Destillerie Rhumerie de Chamarel auch die biologische Rumherstellung auf höchstem Niveau zeigen lassen.
Am Weg fährt man an endlos langen Zuckerrohrfeldern entlang und durch beschauliche Dörfer, und plötzlich fallen sie einem auf: die Tempel, die unweit der Moschee liegen, und fast nebendran die Kirche. Oder die Buddhafiguren im rustikalen Restaurant La Table du Currybou am Weg, die dicht an dicht mit christlichen Insignien das Interieur schmücken.
Im Schmelztiegel der Kulturen ist es nur logisch, das Hindus, Christen, Muslime und Buddhisten ein friedliches Miteinander leben. Im Feiertagskalender findet sich Weihnachten wie das chinesische Neujahr und der Feiertag am Ende des Ramadans, Eid al-Fitr, oder das hinduistische Diwali-Fest.
Der beste Blick auf Mauritius: von weit oben
Viele Feste feiern die Mauritierinnen und Mauritier am liebsten gemeinsam, erzählt anderntags Yan de Maroussem bei einer Wanderung durch den Black River Gorges National Park. De Maroussem ist leidenschaftlicher Bergführer und Trailrunner, der neben Wanderungen bis zu 20 Trailrunning-Events im Jahr auf der Insel organisiert.
Für die Wanderung durch den Nationalpark im Herzen des Südens sollte man etwas Kondition mitbringen. Sechs Kilometer in drei Stunden klingen zwar nicht anstrengend, doch das ungewohnte Klima kann manche Wanderer an Grenzen bringen. Der Ausblick bringt dafür auch das Herz weniger Naturbegeisterter zum Leuchten. An den grünen Weiten, kargen Felsen, den Buchten, in die sich das Meer schmiegt, und den rundherum bizarr geformten Gipfeln will man sich gar nicht sattsehen.
Mauritius - Wissenswertes
Klima, Reisezeit, Hotels und Attraktionen
Übernachten kann man auf Mauritius für jedes Budget. Im Süden lockt das Fünf-Sterne- Hotel Heritage Awali nahe einem Golfplatz (ab 1.603 Euro). Die Lagune Anse La Raie im Norden beherbergt das mit Umweltpreisen ausgezeichnete Vier-Sterne-Hotel Lagoon Attitude (ab 645 Euro). Im Südwesten der Insel übernachtet man wunderbar im Drei-Sterne-Hotel Veranda Tamarin (ab 735 Euro). Preise pro Person und Woche im Doppelzimmer.
Anreise
Mit Austrian Airlines gelangt man mehrmals die Woche per Direktflug in etwas über zehn Stunden nach Mauritius. Der Flughafen Sir Seewoosagur Ramgoolam International Airport liegt rund 35 Kilometer von der Hauptstadt Port Louis entfernt.
Reisezeit und Wetter
Aufgrund der Lage auf der Südhalbkugel sind die Jahreszeiten auf Mauritius unseren entgegengesetzt. Von November bis April ist Sommerzeit, von Mai bis Oktober Winterzeit. Als beste Reisezeit gilt April bis Juni sowie von September bis Dezember. Die Temperaturen sind ganzjährig mild und liegen zwischen 17 Grad im August und bis 30 Grad im Jänner. Die Insellage im Indischen Ozean sorgt für tropisch-ozeanisches Klima.
Attraktionen
Informationen zu beschriebenen Sehenswürdigkeiten der Insel finden Sie hier:
Chamarel-Wasserfall und Seven Coloured Earth und die Rumdestillerie Rhumerie de Chamarel.
Eine Wanderung mit Geschichte
Einer davon ist Mauritius' Schicksalsberg, der Le Morne Brabant. Er ist eng mit dem dunklen Kapitel der Sklaverei verwoben, und de Maroussem hat unterwegs genug Luft, dessen Geschichte zu erzählen. Ab dem Jahr 1639 waren Sklaven aus Madagaskar und später aus anderen Teilen Afrikas und aus Indien auf die Insel gebracht worden, um auf den Zuckerrohr-und Tabakplantagen zu arbeiten. Der Le Morne Brabant entwickelte sich zum Zufluchtsort geflüchteter Sklaven, bevor die Sklaverei 1835 unter britischer Herrschaft abgeschafft wurde. Steile Klippen und satte Bewaldung machten Siedlungen auf dem Gipfel und in den Höhlen der Berghänge möglich.
Es ist ganz still, als der drahtige Bergführer vor dem gewaltigen Ausblick erzählt, wie am 1. Februar -bis heute wichtigster Feiertag -die Armee auf den Berg kam, um den Sklaven mitzuteilen, dass diese befreit seien. "Die Sklaven dachten, dass sie zurückgeholt werden, und stürzten sich lieber vom Berg in den Tod, als wieder in Gefangenschaft zu leben. Seitdem ist der Berg unser Symbol für die Freiheit", so Yan de Maroussem.
Im Team seiner Trekkingagentur hat er den Spitznamen "der Weise" und natürlich kennt auch er die Geschichte seiner Vorfahren. Seine Familie kam vor rund 200 Jahren aus Frankreich nach Mauritius. "Ich bin die sechste Generation meiner Familie hier. Wir alle kamen zwar nicht aus denselben Gründen hierher, aber wir haben jahrhundertelang gelernt, aufeinander zu achten, weil sonst hier weit und breit niemand ist, der auf uns schaut. Das schult die Resilienz", sagt er. Es ist seine Erklärung für das friedlich Miteinander auf Mauritius. Er steht neben einem 800 Jahre alten Ebenholzbaum, als er davon spricht, wie wichtig es ist, im Moment zu leben und sich die Einzigartigkeit des Lebens bewusst zu machen. "Dieser Baum hat schon viele Zyklone überlebt, Zyklone, die meine Familie in den 60er-Jahren im einzigen Steinhaus ihrer Gegend überlebt hat. Wir müssen verstehen, dass das schützenswert ist."
Kochen über offenem Feuer
Das Bewahren von Natur und Traditionen vermittelt auch Marie-Michelle Lindor eine halbe Autostunde ins Landesinnere. In den Midlands zwischen Zuckerrohrplantagen und üppiger Vegetation hat sie ihr bescheidenes Zuhause zur ersten Adresse der Insel gemacht, wenn es um typisch kreolische Küche geht. Die Kinder sind aus dem Haus, Brigitte Canotte, die beste Freundin seit 25 Jahren, ist auch im Ruhestand. Also haben die beiden auf dem zentralen Plateau der Insel Kot Marie-Michelle, eröffnet. "Kot" bedeutet "zu Hause", und hier kocht sie mit den Gästen gemeinsam über dem offenen Feuer und zeigt ihnen in ihrem Garten, welche Kräuter man noch sammeln muss, bevor am Ende am großen Tisch alles gemeinsam genossen wird. Dabei werden Rezepte aufgeschrieben und es wird viel gelacht.
"Unsere kreolische Küche ist die der Sklaven, die von den Plantagen geflohen sind", sagt sie und bereitet Schweineragout mit Wein und Gewürzen zu, die sie mit einem Vulkanstein zerstößt. Das Hühnercurry trägt indische Einflüsse. Am Ende steht der Tisch voll von Töpfen und Schüsseln, die herrlichste Düfte verströmen.
Eine Lokaltour wie keine andere
Eine mindestens ebenso unterhaltsame Art, die kreolische Küche zu erkunden, bietet Adrian Celine. Der Mauritier besucht mit Gästen seiner Streetfood-Tour in Grand Baie im Norden der Insel Lokale, die Touristenblicke übersehen würden. Es gibt kreolisches Rougaille und Palmherzensalat oder den typischen geräucherten Fisch Marlin. Familienanschluss ist inklusive.
Wenn der Restaurantbesitzer Celine mit Baby am Arm begrüßt, weil er gerade Vater geworden ist, wird das natürlich mit Rum begossen. Auf Mauritius ist das freilich nicht weiter auffällig, denn wer sich ins Leben abseits der Strände stürzt, hat längst gelernt, dass jede noch so kleine Jause mit einem Rum abgeschlossen wird. Wie gesagt: Es wäre ein Fehler, dieses Leben nicht zu erkunden.
Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 18/2023.