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Ein Wochenende in Warschau

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Warschau ist eine überraschend moderne und grüne Hauptstadt, ideales Ziel für einen etwas anderen Wochenendtrip. Sie bietet eine historische Altstadt, zahlreiche Schlösser – und alte Industrieanlagen, die in schicke Shopping- und Gastro-Areale umgewandelt wurden

Schritt eins: die Vorurteile aus dem Kopf bekommen. Warschau ist grau, trist, der Inbegriff von Ostblock-Klischees? Weit gefehlt. Schritt zwei: ein Flug- oder Zug­ticket buchen. Austrian Airlines fliegt mehrmals täglich Polens Hauptstadt an. Schritt drei: ankommen und alle Sinne öffnen für eine überraschend moderne und grüne europäische Metropole.

Das erst kürzlich eröffnete Hotel Barceló Warsaw Powiśle bietet eine gute Ausgangsbasis, um sie zu entdecken. Nicht nur, weil es von dort nur ein kurzer ­Spaziergang entlang der Weichsel – polnisch: Wisła – und ihrer Ufer-Cafés ist, um in das historische Stadtzentrum zu kommen. Sondern auch, weil das Areal, in dem es sich befindet, eine spezielle und sehr aussagekräftige Geschichte aufweist: Bis vor 20 Jahren war Powiśle (wörtlich: nahe der Weichsel) ein heruntergekommener Bezirk rund um ein ­altes Kohlekraftwerk.

Dann schwappte ausländisches Geld herein. Ein amerikanischer Immobilienentwickler kaufte das Gelände auf und machte aus der bröckelnden Industrieruine – die von den giftigen Dämpfen zerstörten Ziegel ließen sich an einigen Stellen mit bloßen Händen aus der Wand graben – ein gehobenes Einkaufszen­trum mit anschließenden Wohngebäuden, in denen sich die heute teuersten Mietwohnungen Warschaus befinden. Das Barceló Warsaw Powiśle, obwohl neu gebaut, liegt gleich daneben und fügt sich nahtlos in die Backsteinoptik des historischen Areals. Unnötig hinzuzufügen, dass Powiśle heute nicht mehr ärmlich, sondern eine der angesagten Gegenden in Polens Hauptstadt ist.

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Warschau hat ein sehr modernes und ein traditionelleres Gesicht. Die alte mittelalterliche Innenstadt wurde 1944 von den Nazis fast kom­plett zerstört. Nach Skizzen, die u. a. der Architekt Jan ­Zachwatowicz sowie Studenten der Kunstakademie angefertigt hatten, wurde sie rekonstruiert und ist heute eine unbedingte Sehenswürdigkeit. Auch das Königsschloss wurde wieder aufgebaut, dafür wurden Gemälde des Malers Canaletto herangezogen.

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Modernität um jeden Preis

Es ist nicht der einzige Ort in ­Warschau, an dem Alt und Neu auf anspruchsvolle und Kapitalinteressen förderliche Weise zusammentreffen. In der früheren Metallfabrik Norblin befinden sich heute Büros und jede Menge Lokale und Restaurants, die an Wochenend­abenden mit gut gelaunten, aufgebrezelten Warschauerinnen und Warschauern, die feiern wollen, gefüllt sind.

Es geht bergauf. Dieser Geist durchzieht die ganze Stadt, auch wenn nicht alle bei dem Tempo und den hohen ­Preisen mithalten können. Hinter dem ebenso umstrittenen wie ikonischen Kulturpalast – einem „Geschenk“ Stalins an die Bewohner Warschaus – strecken sich Hochhäuser gen Himmel, dazwischen stehen noch einzelne alte, dem Verfall preisgegebene Wohngebäude.

Das ist die eine Seite Warschaus: ­Modernität um jeden Preis. Aber es gibt auch eine andere. Beim Rundgang durch die Stadt fällt auf, dass sie großzügig gebaut ist, überraschend viele Parks laden zum Rasten und Verweilen ein. Und so findet sich, wenige Meter entfernt vom alten Königsschloss, mitten im historischen Zentrum eine grüne, mit alten Obstbäumen bewachsene Böschung – wie aus der Zeit gefallen. Ob sie dem entschlossenen Fortschrittswillen, der sie umtobt, standhalten kann?

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Grüner als erwartet

Parks gibt es in Warschau zahlreiche. Zum Beispiel den Łazienki-Park, in dem sich die monumentale Chopin-Statue von Wacław Szymanowski befindet, aber auch ein Schloss aus dem 17. Jahrhundert. Sehenswert ist auch das Schloss Wilanów samt angeschlossenem Park. Es wurde im Auftrag Jan Sobieskis, des Retters Wiens während der Türken­belagerung, ab 1677 erbaut.

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Jede Menge Geschichte

Warschau, das ist immer und an jeder Ecke auch Geschichte. Das mittelalterliche Stadtzentrum zum Beispiel wurde von den Nazis fast komplett zerstört. Die Warschauerinnen und Warschauer bauten es nach alten Zeichnungen ori­ginalgetreu wieder auf, heute ist es ­UNESCO-Weltkulturerbe. Wie groß die Gefühle sind, die damit zusammenhängen, beweist ein junger Tourguide, der durch die Altstadt führt. Seine Groß­eltern, berichtet er mit leuchtenden Augen, fuhren jeden Tag nach der Arbeit in die zertrümmerte Stadt, schleppten einen Sack Schutt nach Hause, und halfen so mit, den Wiederaufbau zu befördern.

Eng verbunden mit dem polnische Nationalgefühl ist auch der polnisch-französische Komponist Frédéric Chopin, dessen Herz in Warschau bestattet ist. ­Seine Schwester schmuggelte es nach Polen, wo es zunächst – in Alkohol eingelegt – in einem Keller verstaubte, bevor es in eine Säule der Heilig-Kreuz-Kirche an der pompösen Flaniermeile Krakowskie Przedmieście (wörtlich: Krakauer Vorstadt) eingemauert wurde. Bis heute ein stark frequentierter Andachtsort für Klassik-Fans.

Chopin, dessen Musik die Tiefe und Melancholie der polnischen Seele so unvergleichlich wiedergibt, wie Patrioten finden, ist auch ein Museum in dem wunderschönen Ostrogski-Palast gewidmet. Und von Mai bis September finden im Łazienki-Park jeden Sonntag kostenlose Chopin-Klavierkonzerte statt.

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Eine Basis für Stadtentdecker

Das Hotel Barceló Warsaw Powiśle ist Teil des alten Kraftwerksareals und nimmt dessen industriellen Charme in seiner Architektur auf. Das Vier-Sterne-Hotel verfügt über eine Sky-Bar, einen Outdoorpool auf der Dachterrasse und einen Fitnessraum.

 © Sergio Padura
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 © Juliusz Sokolowski

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 45/2024 erschienen.

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