Die nordpolnische Hafenstadt Danzig hat nicht nur als ehemalige mittelalterliche Handelsdrehscheibe mit entsprechender Architektur viel zu bieten, sie ist auch zeitgeschichtlich höchst interessant. Vor allem ist sie aber eine lebendige Großstadt mit einer attraktiven Umgebung und abwechslungsreichen Freizeitaktivitäten.
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Danzig - für ausländische Besucher ist die ehemalige Hansestadt mit ihren pittoresken mittelalterlichen Bürgerhäusern und ihrer Lage am Meer eine Perle an der Ostsee, für die Polen ist sie aber vor allem eines - die Stadt der Freiheit. Immerhin hat dort am 14. August 1980 mit einem Streik in der Danziger Werft und der Gründung der unabhängigen Gewerkschaft Solidarność der Aufbruch in ein neues Zeitalter - und in der Folge das Bröckeln des Warschauer Pakts sowie letztlich der Zerfall des ehemaligen Ostblocks - begonnen.
Weg zu Selbstbestimmung
Der Solidarność und dem Kampf der Polen um Demokratie und Freiheit ist heute ein eigenes Museum gewidmet, das nicht nur wegen seiner Architektur und seines interaktiven Aufbaus beeindruckend ist. In vielen Details, und gestützt von zeitgeschichtlichen Dokumenten und Videos, werden Mut und Entschlossenheit der streikenden Werftarbeiter rund um den späteren Staatspräsidenten Lech Wałęsa dokumentiert und auch mit welchen repressiven Methoden das kommunistische Regime dagegen vorging - und wie langwierig und mühsam die Zeit des Kriegsrechts unter General Jaruzelski der Weg bis zu den ersten freien Wahlen im Juni 1989 war. Eine Bewegung, die bis in die Gegenwart wirkt, wie zigtausende Unterstützungsbotschaften an einer riesigen, im Solidarność-Design gestalteten, Wand im Museum zeigen.
Zahlreiche Museen
Danzig hat aber noch zahlreiche weitere interessante Museen zu bieten, die Geschichte und Kultur der 500.000-Einwohner-Stadt aufleben lassen: vom Krantor - einem einzigartigen historischen Kran und wohl bekanntesten lokalen Wahrzeichen - und dem nationalen Heeresmuseum über das archäologische Bildungszentrum im einem seltenen Speicher aus dem 17. Jahrhundert, der Großen Mühle, einem Meisterwerk mittelalterlicher Technik, dem Bernstein-Museum mit seinen vielfältigen, aus dem "Gold der Ostsee" gefertigten Artefakten bis zum Museum des zweiten Weltkriegs.
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Sehenswürdigkeiten im Stadtzentrum
Wobei das gesamte Zentrum der Stadt mit seinen an den alten Wohlstand erinnernden Gebäuden wie Uphagenhaus, Artushof und Neptunbrunnen, Goldenen und Grünen Tor - um nur einige wenige zu nennen - Kirchen in nordischer Backsteingotik, dem imposanten Rathaus der als Rechtstadt bezeichneten Altstadt oder Markthalle inklusive opulenter Marktstände davor selbst wie ein Museum anmutet.
So unvergleichlich das Stadtbild freilich aussieht, muss man wissen, dass die meisten Gebäude nach dem zweiten Weltkrieg fast zur Gänze wiederaufgebaut werden mussten. Denn die Stadt war damals eine deutsche Stadt, in der bis Kriegsbeginn lediglich elf Prozent der Einwohner Polen waren und von Hitler im Herbst 1944 zur Festung erklärt, die bis zum letzten Blutstropfen verteidigt werden musste. Im März 1945 wurde sie von den vorrückenden russischen Truppen mit schwerem Artilleriefeuer überzogen und so lange beschossen und in Brand gesetzt, bis sie zu 90 Prozent zerstört war. Danach fielen die Russen ein und setzten die Zerstörung fort - drei Wochen lang. "Die wohl schlimmste Zeit, die Danzig in seiner langen Geschichte erlebte", sagt Fremdenführer Darko Naduk, der die Zerstörungen und den jahrzehntelangen Wiederaufbau Danzigs anhand alter Fotografien und Postkarten eindrücklich vor Augen führt.
Moderne Metropole Danzig
Heute ist Danzig eine moderne Großstadt mit ganz eigenem Flair und ein lebendiges Zentrum für Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Unterhaltung: In der Lange Gasse im Zentrum bringt das "Theater im Fenster" den vorbeiflanierenden Besuchern die darstellende Kunst auf direkte Art ebenso näher wie das nach dem Londoner Globe entworfene Shakespeare-Theater. In der Danziger Werft wurde ein Ausgehviertel mit angesagten Lokalen errichtet und auch sonst kommt das Freizeitvergnügen - es gibt 600 Kilometer Radwege - und kulinarische Vergnügen nicht zu kurz: Von Clubs und Diskotheken für die Jugend, der Flaniermeile entlang der Speicherinsel bis zu unterschiedlichsten Restaurants und Bars mit regionaler und internationaler Küche auf beachtlichem Niveau. Und was hierzulande nicht so bekannt ist: Die Polen sind passionierte Biertrinker und das Angebot einheimischen Gerstensafts ist in der Tat beeindruckend.
Ausflugsziele rund um Danzig
Unmittelbar an Danzig grenzt die Kurstadt Sopot - ein klassisches Ostseebad mit zahlreichen Hotels, Pensionen, Bars, Konditoreien und Restaurants -in der der Urlaub am Meer samt entsprechendem Freizeitvergnügen die Hauptrolle spielt, und die mit öffentlichen Verkehrsmitteln leicht erreichbar ist. Die Attraktion des quirligen Orts ist zweifellos die 511,5 Meter lange Holzmole - die größte Europa.
Wer die Meereslandschaft noch intensiver erleben will, der unternimmt einen Abstecher in den von Danzig rund zwei Stunden entfernten kleinen Hafenort Łeba und den angrenzende Slowinzischen Nationalpark. Diese 327 Quadratkilometer große Küstenlandschaft ist seit 1977 UNESCO-Biosphärenreservat und wartet mit den größten Wanderdünen Mitteleuropas auf. Dort barfuß durch den weißen Quarzsand zu stapfen, die frische Ostseeluft zu inhalieren und danach vielleicht einen Sprung in die Fluten zu wagen, machen das Reiseerlebnis dann wirklich perfekt.
Tipp: Dem Streik in der Danziger Werft, der Gründung der unabhängigen Gewerkschaft Solidarność und dem Weg der Polen in die Freiheit, ist ein Museum - das Solidarność Zentrum -gewidmet, dessen Besuch zu jedem Danzig-Aufenthalt gehören sollte. Danzig ist von Wien aus mit Ryanair zwei Mal wöchentlich direkt erreichbar.
Infos: www.gdansk.pl, www.poland.travel
Der Beitrag erschien ursprünglich im News 39/2022.