Check-in, Passkontrolle, Boardingpass? Bald überflüssig. Die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) will Reisen völlig neu denken – mit Gesichtserkennung, digitalem Ausweis und einem „Journey Pass“, der alles ersetzt. Was die Pläne bedeuten, warum sie umstritten sind – und welche Flughäfen schon vorpreschen.
Einsteigen per Gesicht: Flugreisen sollen einfacher – und digitaler – werden
Was klingt wie Science-Fiction, könnte schon in wenigen Jahren Realität sein: Laut einem Bericht der britischen Times plant die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO), ein UN-Gremium, das Regelwerk für Flugreisen grundlegend zu modernisieren. Der Schlüssel dazu: der „Journey Pass“, eine digitale Reiseidentität, die klassische Bordkarten und Check-ins ersetzt – mit Hilfe biometrischer Gesichtserkennung.
Eine App ersetzt Pass, Ticket und Check-in
Das neue System basiert auf den sogenannten Digital Travel Credentials (DTC), einer virtuellen Identität, die Passdaten, Reisedaten und biometrische Merkmale auf dem Smartphone zusammenführt. Bereits beim Buchen des Flugs erhalten Passagiere ihren Journey Pass, der bei Änderungen automatisch aktualisiert wird. Beim Eintreffen am Flughafen genügt dann ein kurzer Blick in eine Kamera – das Gesicht ersetzt den Pass.
Airlines sollen künftig automatisch benachrichtigt werden, sobald ein Passagier das Terminal betritt. Ein aktives Einchecken ist nicht mehr nötig, der gesamte Prozess – vom Gepäckabgabe bis zum Boarding – wird automatisiert. Für Verspätungen oder verpasste Anschlussflüge sollen Reisende umgehend neue Informationen aufs Handy erhalten – samt aktualisiertem Journey Pass.
„Es ist die größte Veränderung im Luftverkehr seit 50 Jahren“, zitiert die Times Valérie Viale von Amadeus, einem Anbieter für Reiselösungen. „So etwas gab es zuletzt mit der Einführung des E-Tickets in den 2000er-Jahren.“
Biometrie auf dem Vormarsch
Schon heute setzen Flughäfen weltweit auf Gesichtserkennung: In Singapur sollen laut dem Ink-Artikel „Biometrics in airports: A faster, more secure journey“ bis 2026 schon 95 % der Einreisekontrollen vollautomatisch ablaufen. In Dubai, Doha und Miami sind biometrische e-Gates längst Alltag. Auch Lufthansa testet seit Jahren Gesichtserkennung beim Boarding in Frankfurt und München.
Der Vorteil liegt auf der Hand: Weniger Wartezeit, mehr Sicherheit. Laut IATA nutzten bereits 46 % der Fluggäste im Jahr 2023 biometrische Systeme – 74 % würden lieber ihr Gesicht als einen Pass verwenden.
Aber was ist mit dem Datenschutz?
So futuristisch die Pläne auch klingen – sie werfen auch heikle Fragen auf. Biometrische Daten gelten als besonders sensibel. Laut ICAO soll das neue System auf Prinzipien wie Datenminimierung, dezentraler Speicherung und vollständiger Nutzerkontrolle beruhen. Die EU will mit ihrer Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) strenge Regeln zur Datennutzung durchsetzen. In den USA gilt Ähnliches für Programme wie Global Entry oder TSA PreCheck.
Kritiker bemängeln jedoch, dass noch unklar ist, wie lange biometrische Daten gespeichert und mit wem sie geteilt werden. Auch die global einheitliche Umsetzung – vom kleinen Regionalflughafen bis zum internationalen Drehkreuz – wird eine Herausforderung.
Reise der Zukunft – oder Albtraum in der Warteschlange?
Fest steht: Biometrie ist längst mehr als ein Trend. Der globale Markt soll laut aktuellen Prognosen von 13,5 Milliarden Dollar (2022) auf 45 Milliarden Dollar (2030) wachsen. Auch in Europa soll sich das Volumen bis 2033 mehr als verdreifachen.
Obwohl ein genauer Startzeitpunkt für den Journey Pass noch aussteht, ist klar: Die ICAO will in den kommenden Jahren Pilotprojekte starten. Länder wie die Niederlande, Singapur oder die Vereinigten Arabischen Emirate könnten zu Vorreitern der neuen Reiselogik werden – einer, in der Papierdokumente ausgedient haben und dein Gesicht der Schlüssel zu einer neuen Reiseerfahrung ist.
Die nächste Flugreise könnte also ganz anders aussehen als gewohnt. Wer künftig in den Urlaub fliegt, wird sich vielleicht fragen: Warum jemals in der Schlange gestanden?