Cathrin Kahlweit (65) hat Politikwissenschaft und Russisch u. a. in Oregon und Moskau studiert und war ab 1989 mit kurzer Unterbrechung (als Redaktionsleiterin von Anne Will) bei der „Süddeutschen Zeitung“. Sie ist als Korrespondentin aus Wien soeben in Pension gegangen
1. Nach München, Frankfurt, Berlin: Was war für Sie der größte Unterschied beim Start 2012 in Wien?
Als Deutsche fühlte ich mich – zumindest zu Anfang – nicht willkommen. Das hat sich aber zum Glück gegeben.
2. Deutscher + österreichischer Journalismus: Was funktioniert dort besser/schlechter und was hier?
Wir kämpfen alle um das Überleben -einer Branche und gegen das Zerriebenwerden zwischen sozialen Medien und Desinteresse.
3. Kriege (Donbass, Ukraine), Brexit, Wien: Was hat die Korrespondentin warum am meisten geprägt?
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat meine Sicht auf die Welt grundlegend verändert, weil er die Welt grundlegend verändern wird.
4. In welcher Textsorte fühlen Sie sich warum am wohlsten? Und welche halten Sie für die wichtigste?
Ich liebe Reportagen, weil sie Zwischentöne zulassen. Platte Meinungen gibt es genug.
5. Erst Twitter/X, nun Bluesky: Welche Bedeutung haben diese Plattformen für Sie und Ihre Arbeit?
Ich lese mehr mit, als dass ich poste. Manchmal sind sie informativ, oft banal.
6. Sie haben auch in den USA und der UdSSR studiert: Welche Entwicklung besorgt Sie langfristig mehr?
Putins Versuch, eine Weltordnung wider das Völkerrecht zu installieren, besorgt mich zutiefst. Trump ist ein Staatszer-störer auf Zeit.
7. Vom Pubertäter bis zum Traum von Mann: Bespielen Sie weiter ganz andere Themen als Buchautorin?
Wie jede Journalistin träume ich vom großen Roman. Ich warte nur noch auf die Eingebung.
8. Wie viel Wehmut verursacht der Abgang von der „SZ“? Wie werden wir Sie künftig in Österreich erleben?
Die „SZ“ bleibt Teil meiner DNA. Ich werde aber weiter schreiben, moderieren, meine Meinung sagen.