Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) kritisiert den "schweigenden Antisemitismus", der sich im politischen Umgang mit Israel zeigt. Und erneuert seine Kritik an den Wiener Festwochen: "Antisemiten eine Bühne zu geben, ist für mich einfach untragbar".
Anmerkung der Redaktion: Das Interview wurde geführt, bevor Wolfgang Sobotka seinen Rückzug aus der Politik verkündete.
Sie sind wahrscheinlich einer der umstrittensten Politiker Österreichs, aber beim Thema Antisemitismus sprechen Ihnen sogar die größten Gegner Glaubwürdigkeit und Kompetenz zu. Warum ist Ihnen dieses Thema so wichtig?
Einerseits weil ich Historiker bin und in meiner Ausbildung am Dokumentationsarchiv gearbeitet habe, und andererseits weil mir dieses Thema ein Herzensanliegen ist. Es ist natürlich auch meinem familiären Hintergrund geschuldet. Mein Großvater war aktiver Nationalsozialist. Obwohl er schon 1943 an Krebs verstorben ist, habe ich mich immer gefragt, warum er sich so entschieden hat. Außerdem sehen wir in der Forschung, dass Antisemitismus antidemokratisch ist. Wenn man also für das Parlament und für die Stärkung der Demokratie im Allgemeinen mitverantwortlich ist, liegt es nahe, sich damit auseinanderzusetzen. Und schlussendlich ist es, glaube ich, wichtig, eine durch Jahrhunderte gehende negative kulturelle Haltung anzusprechen, diesen Antijudaismus, der sich immer in neuen Facetten zeigt. Seit dem 7. Oktober ist es massiv geworden.
Bleiben wir kurz bei Ihrer Familiengeschichte. Wie sind Sie dazu gekommen, sich kritisch mit der Vergangenheit Ihres Großvaters auseinanderzusetzen?
Ich habe mich selbst dafür entschieden. Ich war 13 oder 14 Jahre alt, als ich einmal als Nazi-Bub bezeichnet wurde. Das hat mir zu denken gegeben. Damals wusste ich mit dem Begriff in seiner vollen Tiefe noch nicht viel anzufangen. Aber das Thema hat mich seitdem begleitet. Ich habe zuerst in der Familie nachgefragt, was das bedeutet.
Wie waren die Reaktionen?
Mein Vater wurde im Krieg schwer verwundet. Er war als 18-Jähriger eingezogen worden und landete nach nur zwei Monaten für ein Jahr im Lazarett. Er hat später in einem umfangreichen Reflexionsprozess aufgearbeitet, dass ihm die Jugend so zerstört wurde. Er war ein überzeugter Demokrat, der mit Schülerinnen und Schülern sehr viel über dieses Thema geredet hat. Zu Hause weniger. Er hat es nicht weggeschwiegen, aber auch keine erschöpfenden Antworten gegeben. Erst ganz am Ende seiner Lebenstage hat er ein bisschen mehr preisgegeben.
Konnte er Ihnen helfen, zu verstehen?
Mein Vater war 1925 geboren und fast zu jung, um die Zwischenkriegszeit bewusst zu erleben. Bei ihm herrschte Trauer über die verlorene Jugend vor, Wut auf dieses Regime einerseits, ein Akzeptieren der Umstände andererseits. Es hat ihn auch umgetrieben, dass er sich nicht erklären konnte, warum der Großvater so ein politisch aktiver Nationalsozialist gewesen war, der den Ideen Adolf Hitlers nachhing und angeblich aus der Partei ausgetreten ist, weil ihm viele Dinge nicht gepasst haben – aber eher in dem Sinne, dass er mit Entscheidungen nicht einverstanden war und manche Funktionäre korrupt fand. Für mich war es immer total verwunderlich, wer Goethe liest und dann ein Nationalsozialist ist. Aber das ist eine persönliche Situation und hat mit meinem Engagement heute nichts zu tun.
Dann reden wir über heute. Man hat den Eindruck, Antisemitismus wird wieder salonfähig. Gerät gerade etwas ins Rutschen?
Alle, die gemeint haben, der Antisemitismus ist Geschichte, sind jetzt eines Besseren belehrt worden. Es gibt einen starken Antisemitismus in der migrantischen Szene, das zeigen auch internationale Untersuchungen. In Ländern wie der Türkei oder Syrien sind antisemitische Haltungen sehr weit verbreitet, es ist dort quasi Staatsräson, gegen Israel zu sein. Wenn die Leute aus diesen Ländern nach Österreich kommen, nehmen sie diese Haltungen natürlich mit – das bestätigt auch die Antisemitismus-Studie des Parlaments. Ich bin, als ich vor einigen Jahren darauf hingewiesen habe, in einzelnen Medien als Rechter und als Populist dargestellt worden. Das hat mich nicht irritiert, aber ich finde es traurig, dass dieses Thema bis heute eine politische Konnotation bekommt und dass die Linken immer wieder versuchen, nach dieser Gleichung zu leben, ein Antifaschist könne kein Antisemit sein. Das Postulat ist natürlich falsch. Und der Verweis auf Antisemitismus in der migrantischen Szene ist auch keine Schuldzuweisung, sondern ein Arbeitsauftrag, uns damit auseinanderzusetzen. Aber auf Ihre Frage, ob Antisemitismus zugenommen hat: nein. Betrachten Sie es wie Pulver in einem Wasserglas. Es bedeckt den Boden, und wenn Wasser hineingeschüttet wird, schäumt es auf. Und auf einmal ist das ganze Gefäß voll.
Antisemitismus gibt es nicht nur unter eingewanderten Muslimen, sondern auch unter Österreichern. Die Reaktionen auf die Terrorattacke vom 7. Oktober waren teils erschreckend empathielos. Israel sei selber schuld, hörte man oft. Ist es zu wenig gelungen, die historische Verantwortung Österreichs zu vermitteln?
Das ist ja nicht nur die Verantwortung Österreichs alleine. Das ist immer die gleiche stereotype Beurteilung von Juden. Sie leiten die Weltverschwörung. Sie vernichten Völker. Sie sind an ihrem Schicksal selbst schuld. Und was ihnen geschieht, wird immer als Übertreibung dargestellt. So wie man früher die KZ verharmlost hat, so verharmlost man heute diese barbarischen Angriffe vom 7. Oktober. Ich habe Videos davon gesehen. Es ist unglaublich, dass so etwas passieren kann und dann verharmlost wird. Aber die Verharmlosung findet überall statt, nicht nur in Österreich.
Dennoch, in Österreich sollte man besonders sensibel sein. Haben wir ein Bildungsproblem?
Wenn es so leicht wäre, das mit Bildung zu beseitigen, wäre es schön. Wir haben in der Bildung wirklich viel getan. Und es ist auch der einzig richtige Ansatz. Nur so ist dieses fest eingravierte Verhalten herauszubringen, mit Reflexion, Bildung und ständigen Diskussionen. Den rechten Antisemitismus verteufeln alle. Der linke Antisemitismus wird immer relativiert. Dann gibt es einen Antisemitismus, der sich wissenschaftlich verbrämt. Eine der gefährlichsten Entwicklungen ist der Postmodernismus in unserer historischen Darstellung, dass heute ein Faktum gar nicht mehr als Faktum begriffen wird, sondern als Möglichkeit der Darstellung. Das führt zu einer totalen Beliebigkeit und Subjektivität. Es gibt vielleicht arabischstämmige Menschen in Israel, die sich nicht so gut behandelt gefühlt haben wie jüdischstämmige Menschen. Aber daraus abzuleiten, dass Israel ein Apartheid-Staat ist, dafür fehlt jede Grundlage.
Die Frage, um die sich aktuellen Debatten im Kern drehen, ist ja: Wo verläuft die Grenze zwischen legitimer Israel-Kritik und Antisemitismus. Wie lautet Ihre Antwort?
Ganz klar: Wo Kritik alte Stereotypen bedient, ist sie antisemitisch. Es ist nicht antisemitisch, Netanjahu zu kritisieren oder seine rechtsradikalen Partner in der Regierung. Es ist nicht antisemitisch, die Siedlungspolitik in dieser Frage zu kritisieren. Und es ist auch nicht antisemitisch, die Gewalttätigkeit so mancher Siedler zu kritisieren. Alles das ist legitim und wird von den unterschiedlichsten Seiten unterschiedlich beurteilt. Aber wenn es heißt, Israel sei ein Apartheid-Staat oder Israel behandle die Palästinenser so wie die Nazis die Juden, dann ist die Sache eindeutig. Die Grenzziehung ist keine wackelige Sache, sondern liegt klar auf der Hand, wie es auch die international anerkannte IHRA-Definition des Antisemitismus zeigt. Das ist es, was uns die Linken gerade einreden wollen: Man müsse es anders sehen und anders "framen". Man möchte eine Scheinwissenschaftlichkeit dahinterlegen. Die gibt es dort aber nicht.
Festwochen-Intendant Milo Rau unterstellt Ihnen in einem Interview mit der "Zeit", dass Sie die "Antisemitismus-Keule" absichtlich schwingen, um politisches Kleingeld zu schlagen. Und dass die Rechte den Begriff Antisemitismus bewusst inflationär verwende, um ihn damit zu zerstören. Was sagen Sie zu dieser Kritik?
Das ist die typische Form der linken Agitation. Reden Sie mit Antisemitismus-Forschern, mit Deborah Lipstadt oder Monika Schwarz-Friesel, die können Ihnen das in einer Minute erklären. Ich lasse mich von jemandem beurteilen, der Kenntnis hat, aber nicht von jemandem, der einfach ein Inszeneur ist. Ich verstehe das, zeitgenössische Kunst muss auffallen und provozieren. Aber nicht so.
Rau sagt auch über Sie, Sie seien "berühmt für Ihre Kooperationen mit der FPÖ", und leitet daraus ab, dass Sie in dieser Frage unglaubwürdig sind.
Das ist absurd. Ich war der Erste, der sämtliche Vorfälle, egal ob in meiner Partei oder in anderen Parteien, immer wieder öffentlich gemacht hat und reagiert hat. Ich war es, der den Kunschak-Preis umbenannt hat. Ich habe mich klar dazu geäußert, dass wir in unserer Partei Personen hatten, die antisemitisch oder Nazis waren. Was soll ich sagen? Es ist ein typisches linkes, antisemitisches, geframtes Urteil. Auch die Zusammenarbeit der SPÖ mit der FPÖ ist vielfach dokumentiert. Ich habe nie einer FPÖ-Regierung angehört. Als Präsident des Nationalrates habe ich auch mit dieser Regierung professionell zusammengearbeitet. Aber ich war jemand, der permanent die Finger in die Wunden gelegt hat.
Zur Person
Der studierte Historiker und Musiker war Leiter der Musikschule in seinem Heimatort Waidhofen an der Ybbs. Seine politische Karriere begann ebenfalls dort: zunächst als Gemeinderat, später als Bürgermeister. 1998 wurde Sobotka erstmals Landesrat in Niederösterreich, von 2016 bis 2017 war er Innenminister. Seitdem bekleidet er das Amt des Ersten Nationalratspräsidenten.
In unserer Gesellschaft herrscht Meinungsfreiheit. Warum Boehm seine Rede nicht einfach halten lassen?
Ich habe die Rede nicht im Detail untersucht. Ich glaube nur, dass es zu diesem Zeitpunkt an diesem Ort unpassend gewesen ist. Wenn er verlangt hätte, dass die Geiseln freigelassen werden und dass die Hamas entwaffnet wird, wäre es ein Beitrag gewesen, Frieden zu schaffen. So war es nur eine Provokation.
Provokationen sollte man ertragen können.
Die Provokation kann man schon ertragen. Ich habe es auch nicht als antisemitisch empfunden, sondern nur als Provokation. Da kann man unterschiedlicher Meinung sein. Für mich ist es in dem Fall nicht sauber. Ich war in Israel, habe mit den Menschen vor Ort gesprochen und Angehörige von Geiseln getroffen. Wenn man das im Kopf hat, ist es unangebracht. Und ich lasse es mir von niemandem verbieten, das auch klar zu sagen. Das muss auch Herr Boehm aushalten. Wo Herr Rau irrt, und darum kritisiere ich ihn und die Festwochen so stark: Sie verwischen die Kultur. Nicht so schlimm wie bei der Documenta in Kassel im Vorjahr, wo israelische Soldaten in SS-Uniform mit Wolfsköpfen gezeigt wurden. Aber bei den Festwochen macht man Personen zu "Räten der Republik", die Israel das Existenzrecht aberkennen. Antisemiten eine Bühne zu geben ist für mich einfach untragbar. Das ist übrigens auch die klare Position der IKG und deren Präsident Oskar Deutsch.
Vor einigen Wochen wurde ein Protestcamp auf einem Gelände der Uni Wien aufgelöst. Auch hier: Muss man divergierende Meinungen in einer Demokratie nicht aushalten?
Antisemitismus kann man nicht aushalten. Das geht auch mit unserer Geschichte nicht. Intoleranz kann man als Toleranter nicht akzeptieren. Das geht nicht. Ich frage mich: Warum hat es kein Problem gegeben, eine europäische Koalition gegen den IS zustande zu bringen? Das war selbstverständlich. Ich halte es für wirklich höchst bedenklich, wenn europäische Länder anfangen, Palästina anzuerkennen ohne einen Friedensprozess. Ich weiß nicht einmal, was sie genau anerkennen. Das ist eine urantisemitische Haltung bei vielen. Wir wissen, dass (der EU-Außenbeauftragte, Anm.) Borrell auch immer wieder antisemitische Tendenzen an den Tag legt. Und das wird einfach achselzuckend zur Kenntnis genommen.
Was bedeutet diese Entwicklung für Europa?
Sehr viel, weil Jüdinnen und Juden Koffer packen, nicht einmal wissen, wo sie hinsollen, und das Erlebnis der Shoah wieder in ihr Leben tritt. Und wenn es ein Bekenntnis des "Nie wieder" gibt, ich möchte es von diesen Leuten nie wieder hören. Ein Milo Rau und ein Josep Borrell sollen damit nie wieder kommen.
Trotzdem gibt es offensichtlich schwere menschenrechtliche Probleme im Gazastreifen …
Und warum gibt es die? Weil die Kämpfer der Hamas Frauen und Kinder als Schutzschild missbrauchen. Es gibt sie deshalb, weil sie völkerrechts- und kriegsrechtswidrig Waffen unter Krankenhäusern und unter Schulen positionieren, weil sie völkerrechtswidrig ihre Position als kämpfende Einheit mit der Zivilbevölkerung vermischen. Darum gibt es jetzt den sogenannten Kollateralschaden. Jetzt kann man diskutieren: Ist das noch kriegsrechtlich vertretbar oder nicht? Wenn man weiß, dass jeder israelische Angriff von einem Juristen begleitet wird, dann weiß man, Israel tut zumindest sehr viel, um das zu verhindern. Kriegsverbrechen werden Sie in keinem Krieg verhindern können. Den sauberen Krieg gibt es nicht. Nur, im gleichen Atemzug wird Israel jeden Tag von der Hisbollah im Norden und an einzelnen Tagen von der Hamas im Süden beschossen. Gar nicht zu reden vom Angriff des Irans.
Man kann der Meinung sein, dass die Attacke vom 7. Oktober grauenhaft war, und trotzdem Mitleid haben mit den zivilen Opfern im Gazastreifen.
Das ist etwas ganz anderes. Jedes Kind, das stirbt, egal auf welcher Seite, ist eines zu viel. Jede Frau, auch jeder Soldat letztendlich, der ums Leben kommt, ist einer zu viel. Mitleid habe ich mit jedem dort genauso. Aber sehen Sie sich die Bilder an, die man wieder erzeugt. Vergleichen Sie einmal ganz seriös und sauber, wie die Bildsprache ist. Sie sehen auf der einen Seite die zerstörten Häuser, die Angriffe, und auf der anderen Seite sehen Sie Väter mit toten oder verwundeten Kindern. Immer das Bild des Herodes, der Jude als Kindermörder. Es ist ja immer ein Abstraktum, das da mittransportiert wird. Und das ist das Schreckliche.
Wenn wir festhalten, Krieg ist entsetzlich, müsste sich Österreich dann nicht mehr einsetzen, um eine friedliche Lösung zu erreichen?
Friede wäre ganz einfach zu erreichen: Geiseln freilassen, Hamas entwaffnen. Mit dem Terror kann man nicht verhandeln. Haben Sie gesehen, dass wir nach dem Anschlag auf "Charlie Hebdo" oder nach der Zugattacke in einer Regionalbahn in Deutschland 2014 verhandelt haben? Das Gewaltmonopol eines Staates kann sich nicht mit Anarchie und Terror auf Verhandlungen einlassen. Das geht nicht. Entweder gibt es einen Rechtsstaat oder nicht.
Ist es im öffentlichen Diskurs in Österreich möglich, auch israelkritische Positionen zu beziehen?
Sicher. Warum nicht? Ich habe selber eine kritische Position zu Netanjahu. Ich halte es für nicht gerechtfertigt, mit Leuten wie Smotrich und Ben-Gvir zu koalieren.
Wir bekommen Leserbriefe von Menschen, die den Eindruck haben, es werde zu wenig über die palästinensische Seite geredet und berichtet.
Das ist ein Narrativ, das überhaupt nicht stimmt. Werfen Sie einen Blick ins Internet. Israel hat den Krieg vor allem im Internet verloren. Was Sie da behaupten, ist genau das Gegenteil. Wo ist Israel in einer bevorzugten Position? Es wird permanent attackiert. Den Hamas-Führer und Netanjahu gleichzeitig anzuklagen, das geht nicht! Es ist Irrsinn, was sich da abspielt. Diese Haltung des schweigenden Antisemitismus, diese Täter-Opfer-Umkehr, dieses Meinungsdiktat, das ist alles eine Gefahr für die demokratische Verfasstheit.
Es kommt in Europa vermehrt zu Angriffen auf Politiker. Dazu der steigende Antisemitismus. Würden Sie Parallelen zu den 30er-Jahren des letzten Jahrhundert ziehen?
Geschichte wiederholt sich nicht. Wir haben heute, wie ich glaube, doch eine durchgängige demokratische Lebensstruktur. Es beginnt in der Familie, geht über Schulen, die Betriebe und Vereine bis zur Politik. Trotzdem sehe ich natürlich, dass die extremen Lager anwachsen. Egal ob rechts oder links. Es wiederholen sich gewisse Grundstrukturen, aber nicht Geschichte an sich.
Die Zuspitzung, die vor allem in den letzten Jahren erfolgt ist, ist besorgniserregend und erinnert an dunkle Abschnitte unserer Vergangenheit.
Wir erleben eine Zuspitzung und eine Polarisierung, aber in einer anderen Art, oft anonymisiert, nicht in Form der direkten Konfrontation. Der Hass im Netz ist überbordend. Ich werde als Demokrat nicht müde werden, all das, was zum Auseinanderdividieren der Gesellschaft beiträgt, zu verhindern. Man muss mit den Menschen reden. Sie haben nichts gewonnen, wenn Sie Antisemiten in ein Eck stellen. Sie müssen sie in einen Dialog bringen und versuchen, ihre Reflexionskräfte zu stärken. Ich weiß, das ist oft schwierig. Aber wir sehen letzten Endes, dass junge Menschen, die gut ausgebildet sind, weniger antisemitisch sind. Wir sehen, dass wir Antisemitismus mit Bildung bekämpfen können. Das ist meine Hoffnung.
Die Festwochen-Debatte
Die Antisemitismusdebatte rund um die Wiener Festwochen hat im März begonnen: Nationalratspräsident Sobotka kritisierte, dass die französische Schriftstellerin Annie Ernaux und der griechische Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis eingeladen wurden. Ihnen wird ein problematisches Verhältnis zu Israel bzw. zur Terrorattacke vom 7. Oktober vorgeworfen. Umstritten war auch die "Rede an Europa" des deutsch-israelischen Philosophen Omri Boehm, die auf dem Wiener Judenplatz stattfand. Ariel Muzicant, ehemals Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG), sprach von "einer falschen Rede am falschen Ort". Wäre er jünger, wäre er hingegangen und hätte Eier geworfen, sagte er gegenüber dem "Kurier".
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 22/2024 erschienen.