Ohne Jenna Ortega wäre die Netflix-Serie "Wednesday" nur eine weitere Mystery-Serie. Regisseur Tim Burton sorgt im Ableger der Addams-Family-Geschichte für die Geburt eines Hollywood-Sterns und einer Heldin der jungen Generation.
Die "Addams Family"
Die Familiengeschichte reicht in die 1930er-Jahre zurück. Inmitten der rezessiongebeutelten USA- Jahre platzierte Zeichner Charles Addams einst die nach ihm benannte "Addams Family". Die schwarz gekleidete Sippe, die ihr finsteres Haus liebt, den Butler Lurch mit dem Aussehen von Frankenstein und ihr helfendes Händchen, das ohne zugehörigen Körper agiert. Die Addams, die sich an allem erfreuen, das andere fürchten.
Es war eine satirische Umkehrung aller Stereotype der US-amerikanischen Idealfamilie, die der Cartoonist schuf. Nur logisch, dass darin Mutter Morticia und Vater Gomez gegen alle Klischees nach langjähriger Ehe noch immer verrückt nacheinander sind. Und dass sie stolz Tochter Wednesday loben, wenn sie wiederholt versucht, ihren Bruder zu töten. Als Cartoon-Serie wurde die Addams-Familie ab 1938 im Magazin "New Yorker" bejubelt. Eine TV-Serie (1964), drei Kinofilme (1991,1993,2019), ein Broadway-Musical u. a. machten sie danach zum popkulturellen Gut.
Wednesday - die Netflix-Serie
Mit der jüngsten TV-Inszenierung aus den Händen von Hollywoods fröhlichstem Horror-Regisseur, Tim Burton, wächst der Erfolg der schrägen Antifamilie neuerdings in lichte Höhen. Im Mittelpunkt steht Addams-Tochter Wednesday (Jenna Ortega) - so auch der Serien-Titel -, die von den Eltern (Catherine Zeta-Jones und Luis Guzmán) nach einer Verfehlung auf ein Internat für Außenseiter geschickt wird und dort Mordfälle löst.
Rekorde
In der ersten Woche wurde die Netflix-Serie in mehr als 50 Millionen Haushalten satte 341 Millionen Stunden gestreamt und belegte in 83 Ländern Platz eins der Netflix-Charts. Insgesamt liegt die achtteilige Serie "Wednesday" seit ihrem Debüt Ende November bei weit über einer Milliarde Streamingstunden und ist die dritterfolgreichste Serie des Medienriesen. Hauptdarstellerin Jenna Ortega gewann dadurch 26 Millionen Follower auf Instagram und könnte nun 110.000 Euro pro Posting einstreifen.
Wednesday-Trends: Der Tanz, der Lipliner
Der Nightmoth-Lipliner der Firma MAC, der Farbton, der auf Ortegas Lippen verwendet wurde, ist längst ausverkauft. Wer als Lehrer gerade cool sein möchte, studiert mit seinen Schülern Wednesdays Tanzszene aus der Serie samt aller grotesker Verrenkungen ein. Diese Woche kündigte Netflix eine zweite Staffel des Düster-Spaßes an und sicherte dem Hype so weiteres Wachstum.
Wednesday Addams, die Antiheldin
Ganz zufällig kommt der Erfolg nicht. Mystery-Serien wie "Stranger Things" oder "Riverdale" und geliebte Außenseiterfiguren wie Harry Potter ebneten den Weg für den Erfolg von Antiheldin "Wednesday". Genau die verkörpert die Titelheldin in neuer Definition.
Die Schöpfer der Serie, Alfred Gough und Miles Millar ("Smallville"), sind selbst Väter von Teenagertöchtern und wissen, was sie umtreibt. Dem bekannten Narrativ des schüchternen Mädchens, das erstarkt, schworen sie deshalb ab. Sie schufen eine selbstsichere Teenagerfigur mit Ecken und Kanten, in der sich selbst Erwachsene wiederzufinden vermögen. "Wednesday beginnt stark und bleibt es auch", beschreibt Millar seine Protagonistin in der "New York Times" und charakterisiert sie als "unerschrocken, furchtlos, klug, schräg". Mit dem Regisseur und Golden-Globe- Preisträger Tim Burton ("Batman","Beetlejuice"), der der Fernsehregie eigentlich in den 80ern abgeschworen hatte, gewannen Gough und Miles einen Verbündeten wie einen Lottosechser. Es ist Burtons detailverliebte Handschrift, die "Wednesday" auszeichnet. Als das Trio aus Hunderten Bewerberinnen Jenna Ortega als Wednesday auswählte, war es wie ein Abonnement auf die sechs Richtigen.
Jenna Ortega brilliert als Wednesday Addams
Die 20-Jährige bringt die Rolle des Freaks unter den Freaks im Internat nicht nur glaubhaft auf den Bildschirm, sondern füllt sie mit Leben. "Sie ist wie eine Stummfilmschauspielerin. Sie kommuniziert mit ihren Augen und hat exzellente Instinkte", beschreibt Burton seine Hauptdarstellerin in der "New York Times". Dass sie nie blinzeln dürfe, war einer von Burtons Ratschlägen, der Ortegas mystische Ausstrahlung verstärkte. Auch der Tipp, zu agieren, als habe sie einen Bücherstapel auf dem Kopf, half. Ortegas Wednesday gestaltete sich dadurch noch skurriler.
Jenna Ortega und Tim Burton
Die Feinabstimmung der gefeierten Figur, die laut "Zeit""noch durchs popkulturelle Gedächtnis geistern wird, wenn wir alle in den Gräbern ruhen", besorgte Jenna Ortega höchstpersönlich. "Sie ließ sich von Tim nicht einschüchtern. Er ist ein großartiger Regisseur, aber sie stellte ihn in Frage. Am Ende folgte er in vielem ihrer Vision", erzählt Catherine Zeta-Jones beeindruckt von Ortegas Durchsetzungsvermögen. Dass eine 20-jährige derart krisengestählt und selbstbewusst agiert, zählt zum Talentekoffer der Schauspielerin, ohne die "Wednesday" nur eine weitere Mystery-Serie wäre.
Jenna Ortega: Familie und Karriere-Anfänge
Jenna Ortega steht seit ihrem zehnten Lebensjahr vor der Kamera. Ihr Vater ist mexikanischer Abstammung, ihre Mutter stammt aus Mexiko und Puerto Rico. Sie wuchs als viertes von sechs Kindern im kalifornischen La Quinta im Coachella Valley auf. Als sie den Eltern schwor, die puertoricanische Dakota Fanning zu werden (nachdem sie "Man on Fire" gesehen hatte), dauerte es noch drei Jahre, bis die Mutter dem Drängen nachgab. Schließlich schenkte die Krankenschwester der ambitionierten Tochter ein Buch voll berühmter Monologe. Ein Video der Tochter teilte sie später auf Facebook. Das sollte genügen.
Erste Hauptrolle bei Disney
Binnen eines Jahres hatte Jenna ihre erste Rolle ("Rob" mit Rob Schneider )und machte rasant Karriere. Als sie zwölf Jahre alt war, bekam sie eine Hauptrolle als Harley Diaz in der Disney-Channel-Sitcom "Stuck in the Middle" (2016-2018) und zählte fortan zum Disney-Kosmos. Die Kehrseite der Disney-Karriere zu entdecken, wurde zu einer ihrer größten Lehren.
Disney als Stigma
"Es ist ein großes Stigma, ein Disney-Talent zu sein", sagte sie. "Die Leute gehen davon aus, dass das alles ist, was man kann", sagt Jenna Ortega heute. Sie zwang sich im Alter von 15 Jahren, ihr Handwerkszeug neu zu sortieren. Teile des Prozesses teilte sie später im Buch "It's All Love: Reflections for Your Heart & Soul". Ihre Erfahrung im Kampf mit Depressionen, ihrem Umgang mit Verlust und das Aufwachsen als Latina in Hollywood beschreibt sie darin vielschichtig.
Dann kamen neue Chancen und in "The Fallout" (2021) - über die Traumbewältigung einer Schülerin nach einer Highschool-Schießerei -die erste Kino-Hauptrolle samt Kritikerlob. Als sie die Rolle der Wednesday annahm, waren Jenna Ortega die Fallstricke des Genres, in dem man gern als Horrorqueen abgestempelt wird, wohl bewusst. Ihre Liebe zu Horrorfilmen war größer. Und die entscheidet letztlich jede ihrer Fragen, wie sie in ihrem Motivationsbuch erklärt: "Die Art und Weise, wie ich mit der Welt interagiere, meine Arbeit, der Umgang mit Menschen, die Entscheidungsfindung, kommt immer von einem Ort der Liebe. Alles, was ich tue, wird von Liebe angetrieben."