Sie ist ihr ans Herz gewachsen, diese Waltraud "Wally" Steinberg. Fast sieben Jahre lang ließ Maria Köstlinger das Paradeweib unter den Vorstadtweibern schamlos lügen, verzweifelt leiden und selbstbewusst verführen. Aber auch unverblümt ihre Meinung äußern und sich mit positivem Lebensmut jeder Krise stellen. In bisher vier Staffeln des ORF-Serienhits "Vorstadtweiber" wurde Wally zur Witwe. Bekam ein Kind vom minderjährigen Sohn ihrer besten Freundin. Wurde mittellos. Wurde angeschossen. Lag im Koma. Arrangierte sich schließlich in einer Notbeziehung mit dem gefallenen Banker-Ex der anderen besten Freundin.
"Die Abgründe, aber auch das Wachstum der Waltraud Steinberg zu zeigen, macht mir bis heute großen Spaß", sagt Köstlinger zum Start der vorletzten, fünften Staffel (ab 11.1., 20.15 Uhr, ORF 1)."Natürlich ist sie eine korrupte Person, aber es zeichnet sie aus, dass sie immer sagt, was sie sich denkt, und dass sie nicht aufgibt und kämpfen will mit all ihrem Sarkasmus. 'Hinfallen, Krone richten, weitermachen' ist ihr Motto", beschreibt Köstlinger die Rolle. Natürlich sei die Serie eine Satire und die Entwicklung der Figuren durch das Genre begrenzt, so die 48-jährige Schauspielerin. Dass es doch gelungen ist, Wally als Alleinerzieherin, die letztlich Verantwortung übernimmt, zu porträtieren, freut sie umso mehr.
Es wird ein tränenreicher Abschied, wenn bei den Dreharbeiten zur sechsten und letzten Staffel im Frühling die letzte Klappe fällt. Seit 2014 wurde aus einem zusammengewürfelten Team von Schauspielern ein Ensemble, das zusammenwachsen konnte und auch viel Spaß hatte, erzählt Köstlinger. Gemeinsam ertrug man die anfänglichen Diskussionen um die Serie ("Klischeehaft!","Presse") ebenso wie das Lob ("Herrlich wahrhaftig!","Focus") und den Erfolg von bis zu 30 Prozent Marktanteil für die besten Folgen. "Vom Bäcker bis zum Firmenchef haben alle darüber diskutiert. Dieser anfängliche Aufruhr hat uns in großem Maß überrascht. Das war aufregend", erinnert sie sich. Gemeinsam überwand das Team auch eine Zeitspanne, in der das Leben Maria Köstlinger die vermutlich intensivste Zeit mit dem gottlob schönsten "Happy End" ins private Drehbuch schrieb.
Disziplin und Hilfe "von oben"
In einer der ersten Szenen der "Vorstadtweiber" spielte sie 2014 Waltraud Steinberg, die am Heiligenstädter Friedhof ihren Mann zu Grabe trägt. Genau dort, wo Köstlinger kurz zuvor ihren Mann, Karlheinz Hackl, verabschiedet hatte. Der Schauspieler hatte den Kampf gegen Krebs verloren, als die gemeinsame Tochter Melanie gerade 14 Jahre alt war. "Es gibt viele Geschichten darüber, was Menschen nach einem Verlust müssen "
Auch interessant: Porträt - So tickt "Vorstadtweib" Hilde Dalik
Köstlinger gibt sich eine Nachdenkpause. "Ja, das erste Jahr war auch für mich eine Herausforderung. Da gab es auch einige Momente der Absurdität, die dieser eigenartige Beruf mit sich gebracht hat. Aber mit Disziplin und mit der Liebe der Kollegen, die mich aufgefangen haben, habe ich es geschafft", sagt sie dann. Das Kernteam waren damals Gerti Drassl (Maria), Nina Proll (Nico), Martina Ebm (Caro) und Adina Vetter (Sabine) mit Philipp Hochmair (Joachim Schnitzler), Simon Schwarz (Wallys Mann Josef), Bernhard Schir (Caros Mann Hadrian) und Juergen Maurer (Marias Mann Georg). Die Arbeit mit diesen "wahnsinnig tollen Schauspielkollegen, die die Serie bis heute prägen", empfindet Köstlinger als Geschenk: "Es hält die Arbeit spannend."
Die Arbeit war es auch, die Köstlinger beim Weitermachen nach dem Verlust stärkte. Und die Gedanken an ein schönes Vermächtnis. "Ich habe sehr viel gearbeitet, auch am Theater, und bin auch stolz auf mich, dass ich das alles geschafft habe. Der Karlheinz hat mich von oben gestärkt und beschützt, war so mein Gefühl. Er hat immer gesagt: Aufgeben tut man einen Brief. Er hat selbst einmal Vorstellung gehabt, nachdem seine Mutter jung verstorben ist, das war auch schwer. Von daher war mir klar, dass es auch ihm gegenüber eine Pflicht ist, das durchzuziehen", beschreibt sie den Hoffnungsschimmer in einer dunklen Zeit.
Verschiedenes wächst zusammen
Wenn sie heute darauf zurückblickt, tut sie dies im neu geschaffenen Zuhause, das sie mit ihrer Tochter Melanie, ihrem "Liebsten" und dessen Tochter teilt. Seit 2016 sind Maria Köstlinger und Schauspielkollege Jürgen Maurer ein Paar. In der Nähe von Wien fand ihre Liebe trotz unterschiedlicher Vorstellungen ein Heim. Da Maria Köstlinger alte Häuser liebt, während Maurer moderne Architektur bevorzugt, ist ein Gebäude aus den 50er-Jahren mit neuem Bau daneben nun Symbol, wie verschiedene Dinge zusammenwachsen können. So beschrieb Maurer es in einem Interview im "Falstaff". Darin firmiert auch Köstlinger für ihn stets als "meine Liebste".
"Dass einem dann so etwas Wunderbares geschieht, dass aus einer Freundschaft so eine Liebe wird, ist ein wirklich großes Glück", sagt Maria Köstlinger über die Liebe, die während sechs Staffeln "Vorstadtweiber" Einzug im Leben hielt. Das Privatleben, wie es sich zwischen Start und Ende des Serienhits verändert hat, betrachtet sie behutsam: "Wir sind eine wunderbare Patchworkfamilie mit unseren Töchtern. So ein Glück muss man pflegen und hüten."
Der Traum vom Partner Stück
Gustave Flauberts "Madame Bovary", Arthur Schnitzlers "Zwischenspiel" oder Peter Turrinis "Gemeinsam ist Alzheimer schöner" sind nur einige der Stücke, in denen Maria Köstlinger abseits des Vorstadttreibens auf der Bühne zusehen war. Das Ensemblemitglied des Theatersan der Josefstadt sammelte dafür ausgezeichnete Kritiken für die vielfältige Darstellungskraft. An der Karriere hätten die "Weiber" insgesamt wenig verändert, sagt sie. "Verändert hat sich, dass ich nun einem breiteren Publikum bekannt bin, also auch einem, das nicht ins Theater geht. Ich freue mich, wenn Menschen mich ansprechen. Gerade zu Beginn der Serie haben mich Menschen sogar mit Skihelm auf der Piste erkannt. Das war neu. Aber meiner beruflichen Karriere hat die Serie letztlich weder geschadet noch geholfen."
Wobei es schon möglich gewesen wäre, dass so mancher im Jänner nach Wiener Neustadt gepilgert wäre, um zwei "Vorstadtweiber" Stars gemeinsam auf einer Theaterbühne zu erleben. Mit Partner Juergen Maurer und dem Pianisten Florian Krumpöck gestaltete sie da die musikalische Lesung "Eine Pilgerfahrt zu Beethoven". Das war vor dem Lockdown. "Nun steht vieles in den Sternen ", sagt sie. Seit Oktober und bis in den Jänner hinein probte sie an den Kammerspielen "The Parisian Woman" von Beau Willimon, Drehbuchautor von "House of Cards". Ende Jänner hätte sie im Politkammerspiel als raffinierte, sinnliche Anwaltsgattin an Herbert Föttingers Seite Premiere gefeiert. Dann kamen die neuen Lockdown-Regeln.
Auch beruflich mehr mit dem "Liebsten" zu teilen, ist einer von Maria Köstlingers unerfüllten Wünschen. Lesungen hat das Paar schon einige absolviert, nur gemeinsame Produktionen haben sich bis zur Stunde nicht ergeben. "Irgendwann haben wir deshalb selbst etwas auf die Beine gestellt. Ich fände es enorm spannend, mehr mit ihm zu proben und zu arbeiten", sagt sie.
Leeres Nest und kalte Küche
Nach Probenende oder Drehschluss genießt sie nun auch neue Freiheiten. Seit Tochter Melanie ihren Hauptwohnsitz verlegt hat, isst Maria Köstlinger, statt den Spross mit Selbstgekochtem zu verwöhnen, gern auswärts. Im August begann die 20-Jährige nach bestandener Matura an der Stage School in Hamburg eine Musicalausbildung. "Das ist genauso schön wie auch eine Herausforderung", weiß Maria Köstlinger, doch sie wirkt gelassen. So viel Arbeit war da seit Melanies Auszug, dass sie ohnehin kaum eine freie Minute hatte. Und: "Man muss die Kinder gehen lassen. Die Jugend ist dafür da, zu entdecken und sich auszuprobieren!" Klar vermissen sich beide gegenseitig manchmal sehr, erzählt die Schauspielerin. Und auch, dass es für die Tochter, die Wien so liebe, gar nicht so leicht war, die Stadt zu verlassen.
Die Liebe zur Bühne ist in der Familie von dynastischem Ausmaß. So gab es für Maria Köstlinger, die im Alter von zwei Jahren aus Stockholm nach Salzburg übersiedelte, keinen anderen Berufswunsch. Ihr Vater Josef Köstlinger, berühmt dank Ingmar Bergmans "Zauberflöte", war Tenor am Landestheater Salzburg. Blickt Melanie in die Familie, finden sich kaum andere Berufe: Neben dem Großvater, der Mutter, dem Vater Karlheinz Hackl und Juergen Maurer ist auch Halbschwester Franziska Hackl Schauspielerin.
Sorge um übergroße Fußstapfen für den Nachwuchs macht sich Maria Köstlinger indes keine. "Natürlich haben wir vieles besprochen und sie kennt ja das Schauspielerleben. Ein gewisser Druck ist bestimmt da. Andererseits ist ihr Wunsch sehr groß. Und Hürden gibt es in jedem Beruf. Wenn man weiß, dass man etwas will, hilft das schon sehr."