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Die Schürzenjäger: Gabaliers Geburtshelfer

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Die Schürzenjäger: Gabaliers Geburtshelfer

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Die Schürzenjäger waren die erfolgreichste Band des Landes, spielten vor bis zu 100.000 Leuten. Heute rattern sie im Ford Transit zu ihren Gigs - mit Triumphen und Tragödien im Rückspiegel. Und einem neuen Tonträger im Handgepäck.

Für die Generation Gabalier muss es anmuten, als würde Opa vom Krieg erzählen: "Damals", hebt Alfred Eberharter mit rauchiger Stimme an, "damals füllten wir die ganz großen Hallen." Einmal, beim traditionellen Sommerschluss-Open-Air im Zillertaler Finkenberg, hätte sich die Blechkolonne der 100.000 anreisenden Besucher sogar bis ins deutsche Rosenheim rückgestaut. Und das sind immerhin 107 Kilometer.

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Eberharter gleicht mit seinem zerfurchten Gesicht und der eisgrauen Wallemähne einem Roadie im Ruhestand. In der Hand hält er seinen extrabreiten Tiroler Ranzengürtel, mit dem er und seine Band, die Zillertaler Schürzenjäger, früher auftraten und der zu ihrem Markenzeichen wurde. "Aber das", sagt Eberharter, "waren noch andere Zeiten."

Rotes Tuch & Schneuztüchl

Heute heißt die Alpenrock-Formation nur noch Schürzenjäger, da Eberharter, der Bandleader und Harmonikaspieler, und sein Sohn Alfred junior, der Drummer, die einzigen verbliebenen Zillertaler in der Gruppe sind. Und der neue Platzhirsch im Rustikalsegment, der heißt Andreas Gabalier. Ein rotes Tuch? Zumindest ein rotweiß kariertes Schneuztüchl: "Was er Volks-Rock'n'Roll nennt, haben wir bereits vor mehr als einem Vierteljahrhundert gemacht", befindet Eberharter.

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Nun haben die Schürzenjäger nach knapp zehn Jahren wieder ein neues Album auf den Markt gebracht. "Herzbluat" heißt der Tonträger, und der Titel darf getrost als Motto interpretiert werden: Hier geben Vater und Sohn noch einmal alles, um den selbst geschaffenen, von der Zeit gnadenlos verdrängten Mythos wiederzubeleben.

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Dabei haben die Schürzenjäger längst genug Geld verdient. In den frühen Neunzigern, erinnert sich ihr Manager Franz Selb, seien die fidelen Tiroler noch mit drei Monstertrucks zu ihren Konzerten ausgerückt, einer für das Equipment, einer für die Merchandising-Produkte, einer für die Band. "Es war gigantisch, nach jedem Konzert mussten wir nach dem Fanartikelverkauf ganze Plastiksäcke voller Bargeld auf die Bank bringen." Heute rattern die Eberharters mit einem nicht mehr ganz fabriksneuen Ford Transit zu ihren Gigs, die Fanartikel haben hinten im Laderaum Platz, die anderen Band-Members stoßen erst vor Ort dazu, und die kommenden Tourneestopps heißen Hitzendorf bei Graz, Gresten oder Neresheim-Elchingen. Warum also das Ganze?

Der versteckte Druck

"Wir wollen ganz einfach daran erinnern, dass das Original noch immer am besten ist", sagt Alfred Eberharter senior. Und: "Ich liebe die Bühne über alles, sobald ich dort oben stehe, bin ich ein anderer Mensch." Und: "Heute können wir endlich ganz ohne Druck das machen, was uns Spaß macht."

Klingt vordergründig nach Phrase, macht aber durchaus Sinn. Denn unter massivem Druck waren die "Zillertaler" in den Jahrzehnten zuvor eigentlich immer gestanden. Bei keiner anderen österreichischen Folkloreformation klafften die vorgeführte alpenländische Romantik und die erlebte berufliche Realität so weit auseinander.

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Enzian gegen Mainstream

Zunächst war es ein Leben von der Hand in den Mund, es galt, die Kredite der Anfangsjahre zurückzuzahlen. Immerhin waren Eberharter senior und sein späterer Schwager Peter Steinlechner, über Jahrzehnte der Frontman und das prägende Gesicht der Gruppe, Anfang der Siebzigerjahre als kleine Tanzband für Sommerfrischler gestartet. Allein die Produktion der Debütsingle "Aber heute geht's auf", optisch verbrämt mit Edelweiß und Enzianen, war in Zeiten, als der US-Pop auch bei uns Mainstream wurde, ein hochriskanter finanzieller Drahtseilakt.

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Mit dem rasanten Erfolg wuchs hinter den Kulissen auch der Erfolgsdruck, die Befriedigung der öffentlichen Erwartungen wurde zur psychischen Dauerbelastung. Sänger Steinlechner stieg nach dem überraschenden Tod seiner Frau aus der Band aus, übersiedelte nach Kanada, begann dort ein völlig neues Leben abseits der Öffentlichkeit. "Für ihn hat das Ganze keinen Sinn mehr gemacht, er konnte und wollte ganz einfach nicht mehr jeden Abend auf der Bühne Party machen", erinnert sich Eberharter.

Ausgefranste Aura

Der Gitarrist und Sänger Florian Leis-Bendorff nahm sich völlig überraschend das Leben. "Bis heute kann ich mir nicht genau erklären, warum", sagt Eberharter senior. Christian Dzida, der ehemalige Keyboarder, prallte mit seinem Sportwagen auf regennasser Fahrbahn gegen die Mittelleitplanke, war sofort tot. Die berufsheitere Aura der Schürzenjäger, sie war in Verlust und Schmerz ausgefranst.

"Die Musikbranche ist eben wie das Wetter", sinniert Alfred Eberharter senior. "Auf den Sommer folgen immer wieder Regen und Sturm." Doch nun hat sich die emotionale Großwetterlage weitgehend normalisiert, die Schürzenjäger nehmen es, wie es kommt, durch die kleinere Hallen zurück zu den größeren Erfolgen.

Alfred Eberharter blickt auf den Ranzengürtel*, der nunmehr auf seinen Knien ruht. Auf der Bühne trägt er ihn nicht mehr, er würde ihn bloß einengen.

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