Stellen Sie sich vor, das Zinshaus, in dem sich Ihre Wohnung befindet, wird abgetragen - noch während Sie darin wohnen. Oder aber Ihre Mietwohnung wird im Zuge einer Haussanierung ohne Ihr Wissen umgebaut. "Alles schon gehabt", sagt Mag. Wolfgang Kirnbauer vom Mieterschutzverband Wien. Die Tricks, mit denen manch ein Vermieter arbeitet, sind haarsträubend. Und dennoch keine Seltenheit.
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"Ein Dauerbrenner ist die Kündigung während der Urlaubszeit", so Kirnbauer. Eine Taktik, die vor allem bei Mietern zur Anwendung kommt, von denen man weiß, dass sie sich im Sommer für längere Zeit im Ausland oder auf dem Land aufhalten. Mit dem Ergebnis, dass sie die Einspruchsfrist verpassen und von der Kündigung ihres Mietvertrags erst erfahren, wenn die Delogierung bereits in die Wege geleitet ist. Zwar gebe es rechtliche Möglichkeiten, den Vorgang zu stoppen, in der Regel sei dies aber mit großem Aufwand verbunden. Zumal derartige Bemühungen nicht immer von Erfolg gekrönt sind.
Hier und da kommt es auch vor, dass der postalisch zugestellte Kündigungsbescheid den Adressaten gleich gar nicht erreicht - egal, ob sich dieser im In- oder Ausland befindet. "In diesem Zusammenhang muss auf die Möglichkeit des Diebstahls von Briefen aus den Hausbrieffächern verwiesen werden", sagt der Obmann des Mieterschutzverbandes Wien. "Anders lässt es sich oft nicht erklären, dass selbst gewissenhafte Mieter von wichtiger Gerichtspost keine Ahnung haben." Beweisen lasse sich ein derartiges Vergehen, sofern es denn vorliegt, selbstverständlich nicht.
Das Spiel mit der Angst
Deutlich offensiver sind diverse Einschüchterungstaktiken - oft verbunden mit einem Eigentümerwechsel. So kann es schon einmal vorkommen, dass der neue Eigentümer unangekündigt vor der Türe steht, um dem Mieter weiszumachen, er müsse einen neuen Vertrag unterschreiben. Nach dem Motto "neuer Vermieter - neuer Vertrag" sei der alte nicht mehr gültig - was natürlich ausgemachter Unsinn ist. Dass manch verunsicherter Mieter im Zweifelsfall dennoch unterschreibt, ist allzu verständlich. Will man doch nicht das Risiko eingehen, die Wohnung zu verlieren. Auch dann nicht, wenn damit der Mietzins steigt.
Besonders dreiste Eigentümer begnügen sich nicht mit einer "freiwilligen Mieterhöhung" - so nennt man es, wenn der Mieter, wie eben erläutert, unterschreibt -, sondern ersetzen bis dato unbefristete Mietverträge auch noch durch einen befristeten. Dabei wird heute nicht einmal mehr vor älteren Menschen Halt gemacht. "Früher gab es noch eine gewisse Beißhemmung, die mittlerweile aber völlig verloren gegangen ist." Der Mieterschutzverband informiert und beruhigt. Die Furcht manch betagter Mieter ist aber dermaßen groß, dass sie sich vom Vermieter letztlich doch zu einer Vereinbarung umstimmen lassen, die ihre Rechtsposition klar verschlechtert.
Wie man lästige Altmieter loswird
Mit Angst gearbeitet wird gerne auch dann, wenn man ein Haus zwecks Generalsanierung leer bekommen möchte. Immerhin lässt sich so ein Projekt leichter bewerkstelligen, wenn man nicht auf einzelne Mieter Rücksicht nehmen muss. Zumal hier oft das Ziel verfolgt wird, einfache Mietwohnungen in luxuriöses Eigentum zu verwandeln, das schließlich teuer abverkauft werden kann. Also wird den noch verbliebenen Bewohnern der Auszug nahegelegt. Begleitet manchmal von einem finanziellen Angebot, manchmal auch nur von der Schilderung der mit dem Umbau einhergehenden Unannehmlichkeiten.
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Manch ein Vermieter scheut sich auch nicht davor, dem Mieter zu prognostizieren, er würde den Umbau körperlich und nervlich nicht überstehen. "Uns sind einige Fälle bekannt, in denen alte Mieter alleine in einer gefährlichen Baustelle leben", erzählt Kirnbauer. Erst 2014 kam es in diesem Zusammenhang zu einem Todesfall. (News berichtete.) Nicht selten kommt es zudem vor, dass ein Hauseigentümer plötzlich "seine soziale Ader entdeckt" und die Nachbarwohnungen des standhaften Mieters an Menschen aus prekären Lebensverhältnissen vergibt. "Meist mit Überbeleg. Gerne auch mit gemeinsamem WC am Gang."
Der lange Weg zum eigenen Recht
"Uns ist ein Fall bekannt, da kam es in der Nachbarwohnung zu einem Messerattentat." Recht rasch entschied sich die Mieterin - obgleich noch jung und widerstandsfähig -, das Feld zu räumen. Auch nicht ganz ungefährlich - wenn auch auf andere Weise - ist es, wenn man für die Zeit der Haussanierung eine Ersatzwohnung bezieht. Etwa weil aufgrund statischer Gegebenheiten bauliche Maßnahmen in der eigenen Wohnung vorgenommen werden müssen. Da kann es schon mal passieren, dass diese gleich mit umgebaut wird - gegen den Willen des Mieters oder ohne sein Wissen.
Wiedereinziehen darf dieser erst dann, wenn er einwilligt, einen höheren Mietzins zu zahlen. Bis dahin wird ihm der Zutritt verwehrt. "Auch das ist schon mehrmals vorgekommen", sagt der Mieterschützer und mahnt zur Vorsicht. Noch dramatischer ist die Situation natürlich dann, wenn mit Abbrucharbeiten in einem noch bewohnten Haus begonnen wird. Dass das nicht rechtens ist, erklärt sich von selbst. Dass der Weg, bis der Mieter zu seinem Recht kommt, meist ein sehr langer und mühevoller ist, wohl auch. Die Rechtsstreitigkeiten können sich über Jahre ziehen. Nicht jeder hält so lange durch.
Hier sollten Sie Vorsicht walten lassen
"Häufig wird auch schon beim Mietvertragsabschluss getrickst", weiß Kirnbauer. Vor allem im höherpreisigen Segment wird dem Mieter gerne ein Kündigungsverzicht abgerungen. Halb so wild, könnte man meinen, denn hat man sich erst mal für eine Wohnung entschieden, wird man nicht allzu bald wieder ausziehen wollen. Auf diese Weise lässt sich die Kündigungsfrist bei einem unbefristeten Vertrag für den Mieter auf mehrere Jahre ausdehnen. Möglicherweise schnellen nach dem ersten Jahr aber die Betriebskosten in die Höhe - vielleicht auch deshalb, weil sie vom Vermieter falsch kalkuliert wurden.
So oder so gibt es kein Zurück. "Da zahlt der Mieter dann ordentlich drauf." Und: "Mieter erkennen die Gefahr eines Kündigungsverzichts oft nicht rechtzeitig." Zur Vorsicht mahnt der Experte auch bei der Wohnungsrückgabe. Gerne lässt man den Mieter einen Generalverzicht unterschreiben, mit dem er sämtliche aus dem Mietvertrag hervorgehende Ansprüche abtritt. Dass man mit diesem auch auf sein Recht verzichtet, den Mietzins rückwirkend anzufechten, ist den Wenigsten bekannt. Der Experte rät daher: "Bei der Wohnungsrückgabe am besten gar nichts unterschreiben!"